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Mit Sprache Brücken bauen

Ronny Arnold13. November 2013

Sprachprobleme, Kulturschock, Einsamkeit: Ausländische Studierende haben es schwer in Deutschland. Die Initiative "Sprache ist Brücke" hilft und wurde dafür jetzt ausgezeichnet.

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Eva Abdullah, ihre Tochter und Hannelore Uhlig (Foto: DW/Ronny Arnold) Online-Artikel über das Projekt "Sprache ist Brücke" an der TU Freiberg. Das Copyright ist jeweils vermerkt, alle Fotos sind freigegeben. Sie wurden im sächsischen Freiberg aufgenommen (01 im November 2013, 02-04 im September 2012).
Ohne Tutorin Hannelore Uhlig (rechts) hätte Eva Abdullah ihre Doktorarbeit nicht geschafftBild: Ronny Arnold

Eva Abdullah lacht viel. Vielleicht ein wenig aus Verlegenheit, vor allem aber, weil sie endlich ihre Dissertation an der Technischen Universität Freiberg eingereicht hat. Die 38-jährige Syrerin hat die Arbeit auf Deutsch verfasst. "Ein Kraftakt war das", sagt sie und betont, ohne ihre Sprachtutorin hätte sie es nicht so schnell hinbekommen. Die sitzt neben ihr, heißt Hannelore Uhlig, ist Rentnerin und wohnt in einem kleinen Dorf in der Nähe von Freiberg, nicht weit von Dresden.

"Vor zwei Jahren habe ich den ersten Teil bei Frau Uhlig abgegeben", erzählt Eva Abdullah. "Damals war ich schwanger und hatte immer schlechte Laune." Sie habe damals nicht mehr daran geglaubt, dass die Doktorarbeit irgendwann überhaupt fertig wird. Hannelore Uhlig schon. "Sie hat zu mir gesagt: Eva, du schaffst das und deswegen habe ich das letztendlich auch geschafft."

Unglaubliche Schachtelsätze

Komisch sei, so die Tutorin, dass die ausländischen Studierenden immer so unheimliche Schachtelsätze bauen. "Man liest den Satz und am Ende weiß man nicht mehr, worum es eigentlich geht." Für die von ihr korrigierten Arbeiten gilt das nun nicht mehr, die Rentnerin hat Ordnung in die Dissertationen gebracht. Eva Abdullah ist ihr "sehr dankbar dafür", immer wieder habe sie sich Zeit genommen.

Nach einem Russen und einer Chinesin ist die Syrerin bereits die dritte Studierende, der Hannelore Uhlig geholfen hat. Neben ihr machen noch 30 weitere Freiberger Bürger beim Sprachtutoren-Programm von "Sprache ist Brücke" mit. Der Verein "Lichtpunkt" hat das Projekt 2010 gemeinsam mit dem Arbeitskreis Ausländische Studierende der TU Freiberg ins Leben gerufen, um ausländische Studierende zu unterstützen. Denn viele tun sich mit der deutschen Wissenschaftssprache in Seminar-, Bachelor- oder Masterarbeiten schwer und sind deshalb in ihrem Studium schlechter als nötig. Auch im Alltag machen ihnen Sprachprobleme das Leben oft schwer.

Die ausländischen Studierenden und ihre Tutoren vom Projekt "Sprache ist Brücke" (Foto: Kirsten Hutte / Lichtpunkt e.V.)
Brückenbauer in Sachen Sprache: Die Tutoren helfen den ausländischen Studierenden gerneBild: Kirsten Hutte / Lichtpunkt e.V.

Auszeichnung für die exzellente Betreuung

Für ihr außergewöhnliches Bemühen um die ausländischen Studierenden hat die Initiative am Mittwoch (13.11.) den "Preis des deutschen Auswärtigen Amtes für die exzellente Betreuung ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen" erhalten. Die mit insgesamt 20.000 Euro dotierte Auszeichnung ging ebenfalls an die Initiative "Willkommen in der zweiten Heimat - Wohnen international" des Studierendenwerks Mainz. Der Preis wurde den Projektverantwortlichen der beiden Initiativen auf einer Tagung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Bonn übergeben.

Für die Studierenden sei "Sprache ist Brücke" eine große Hilfe, weil ihre Arbeiten an Qualität gewinnen, erklärt Manuela Junghans von der TU Freiberg. Sie kümmert sich an der Hochschule aktuell um insgesamt 700 Internationale, fast 200 haben seit dem Start am Sprachprogramm teilgenommen. Das ist mittlerweile mehr als eine Vermittlerstelle für Tutoren, vier weitere Teile gehören dazu. Ein Patenprogramm, in dem gezielt Deutsch gepaukt wird und ein Sprachtandem, in dem die deutschen Partner auch Chinesisch, Polnisch, Russisch oder Arabisch lernen.

Aus Sprachhelfern werden Freunde

Ab und an laden die Studierenden zum Märchenabend, lesen Geschichten aus ihrer Heimat. Alle zwei Monate, so Junghans, berichten die ausländischen Studierenden den Tutoren und Paten von ihren Heimatländern, erzählen vom Bildungssystem dort und auch davon, "mit welchen Hürden sie hier in Deutschland zu kämpfen haben."

Weil die meisten Patenschaften über das reine Korrekturlesen hinausgehen, entwickeln sich engere Kontakte, wenn nicht gar Freundschaften zwischen den Studierenden und ihren Betreuern, erzählt Kirsten Hutte, die zum Verein "Lichtpunkt" gehört und das Projekt von Beginn an mitbetreut. "Am Anfang haben wir vor allem Menschen angesprochen, die am Übergang ins Rentenalter stehen und gefragt, ob sie sich vielleicht ehrenamtlich betätigen wollen", berichtet Hutte. Schnell hätten sich 20 gemeldet, das durchschnittliche Alter beträgt 55 Jahre.

Treffen von "Sprache ist Brücke" an der TU Freiberg (Foto: Kirsten Hutte / Lichtpunkt e.V.)
Offen sein für die andere Kultur: Die Studierenden erzählen aus ihren HeimatländernBild: Kirsten Hutte / Lichtpunkt e.V.

Kein Heimweh mehr

Viele Paten könnten also die Großeltern der Studierenden sein. Doch das stört die ausländischen Studierenden nicht. Im Gegenteil. Eva Abdullah schätzt ihre Tutorin Hannelore Uhlig auch als Gesprächspartnerin in Alltagsfragen und als "Leihoma" für ihre drei Kinder. "Seit Beginn der Krise in Syrien habe ich meine Eltern und meine Familie nicht besuchen können", erzählt Eva Abdullah. "Frau Uhlig und ihr Mann sind jetzt wie meine Eltern, wie meine Familie hier in Deutschland." Sie passen auf die Kinder auf, laden zum Essen ein, grillen gemeinsam. "Das ist toll, deswegen haben wir kaum Heimweh", freut sich die 38-jährige Doktorandin.

Sichtlich gerührt lauscht Hannelore Uhlig den herzlichen Worten. Es mache sie unheimlich stolz, das zu hören, so die Freibergerin, gleichzeitig aber auch ein wenig betroffen. Schließlich wisse sie nun besser als früher, welche großen Probleme es in Syrien gibt. Am meisten würde sie sich freuen, wenn dort endlich Frieden einkehrt und die Familie Abdullah irgendwann zurückkehren kann. Sie würde sie allerdings vermissen, gibt Uhlig zu, "und sie ganz schnell in Syrien besuchen kommen."