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Mit Paragrafen Waffengeschäfte verhindern?

Richard A. Fuchs1. September 2013

Nach der Finanzmarktkrise haben die USA neue Regeln erlassen: Im Rohstoffhandel müssen Firmen nachweisen, dass im Kongo gekaufte Metalle keine Waffen finanzieren. Weil die EU eigene Regeln will, regt sich Widerstand.

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Bild: picture alliance/dpa

Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, dass die USA den illegalen Handel mit Konfliktrohstoffen im Kongo einfach verboten haben. Nicht bewusst, sondern eher als Nebenprodukt der großen Finanzmarktreform im Jahre 2010 verabschiedete der US-Kongress auch den unscheinbaren Paragrafen 1502, der den weltweiten Rohstoffhandel dann aber auf den Kopf stellte. Denn der Dodd-Frank-Act, benannt nach zwei US-Senatoren, die ihn verfasst haben, verpflichtet seit 2012 alle in den USA börsennotierten Unternehmen zu überprüfen, ob sie Gold oder Erze wie Coltan, Cassiterit oder Wolframit in ihrer Produktion verwenden.

US-Gesetz will Transparenz - von der Mine bis zum Produkt

Wenn ja, müssen die Unternehmen nach US-Recht jetzt nachweisen, dass die eingesetzten Metalle nicht zur Kriegsfinanzierung von Rebellen im Kongo beigetragen haben. "Wenn Unternehmen beweisen können, dass sie garantiert keine konfliktfördernden Rohstoffe verwenden, dann dürfen sie den Stempel 'DRC Democratic Republic of Kongo - Conflict free' verwenden", erklärt Ressourcenforscher Andreas Manhart vom Öko-Institut in Freiburg. Er hat im Auftrag des Spitzenverbands der deutschen Industrie BDI das amerikanische Gesetzeswerk und seine Wirkung unter die Lupe genommen. Der Grund: Die US-Regeln könnten zum Vorbild für Europa werden - mit weitreichenden Folgen auch für die hiesige Industrie. Denn die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einem ähnlichen Gesetzeswerk.

Handarbeit für Gold und Coltan: Arbeiter in einer Mine im Kongo
Handarbeit für Gold und Coltan: Arbeiter in einer Mine im KongoBild: Getty Images

Mehr Transparenz und Rechenschaftspflichten im Rohstoffgeschäft mit Kongo ist dringend notwendig. Denn während die Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo offiziell vor über zehn Jahren durch ein Friedensabkommen ein Ende nahm, spielt sich im Osten des Landes noch immer eine Art Bürgerkrieg ab. Dort kämpfen Milizen gegen kongolesische Streitkräfte, Rebellen gegen UN-Truppen. Finanziert wird die Gewalt durch den Handel mit Gold oder Erzen wie Coltan, Cassiterit oder Wolframit. Die Rohstoffe, die zu den Metallen Tantal, Zinn und Wolfram weiterverarbeitet werden, sind weltweit begehrt. Ohne sie ist die moderne Elektronik in Mobiltelefonen oder Autos nicht mehr vorstellbar. Und gerade in den ostkongolesischen Regionen Nord-Kivu, Süd-Kivu oder Katanga scheinen diese Rohstoffe im Überfluss vorhanden zu sein.

Infografik Rohstoffe und Rebellen in der Provinz Katanga D.R. Kongo
Nicht nur in der Provinz Katanga finanzieren Bodenschätze im Kongo einen Bürgerkrieg: Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu

Ein Überfluss, der allerdings nicht der wirtschaftlichen Entwicklung der Region zugute kommt. Denn obwohl Kongo zu den rohstoffreichsten Ländern der Welt zählt, haben die bewaffneten Konflikte und eine Bevölkerungsexplosion das Land arm gemacht. Profitiert haben vom Vakuum der Rechtlosigkeit nur Rebellen-Gruppen, die dank eines schwachen Staates, Korruption und anhaltender Konflikte mit den Nachbarländern die Rohstoffvorkommen des Landes plündern.

Studie: US-Gesetze kein Vorbild für europäische Regeln

Mit der Verabschiedung des amerikanischen Dodd-Frank-Act wurde das Problem der Konfliktrohstoffe schlagartig ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gerückt. Ein Erfolg, der allerdings auch Schattenseiten hat, findet Andreas Manhart. Denn viele Schmelzen, in denen in den USA Erze zu Metallen weiterverarbeitet werden, tragen bereits das Gütesiegel 'konfliktfrei'. "Alles, was die produzieren, ist garantiert konfliktfrei, de facto sind diese Schmelzen aber Kongo-frei". Denn um die US-Gesetze zu befolgen, machen viele Unternehmen jetzt einen großen Bogen um Rohstoffe aus der Region. Firmen stünden unter einem Generalverdacht, was viele Investitionen verhindere. "Jeder, der von dort bezieht, muss recht aufwendig nachweisen, dass er ja keine Konflikte fördert." Das habe Arbeitsplätze im Bergbau vernichtet und den illegalen Schmuggel sogar noch verstärkt, ist Manharts Fazit. "Letztendlich braucht man aber wirtschaftliche Entwicklung, um Arbeitskräfte zu binden, um Alternativen zur Kalaschnikow zu bieten."

Deshalb spricht sich Nachhaltigkeitsexperte Manhart vom wirtschaftskritischen Forschungsinstitut gegen eine Ausweitung der US-Regeln auf Europa aus. Und weiß dabei den Auftraggeber der Studie, den Branchenverband der deutschen Industrie BDI, auf seiner Seite - die Kooperation dieser beiden Partner ist bislang eine Ausnahme. Die gut gemeinte Idee, Konfliktrohstoffe von der Mine bis zum Endprodukt nachverfolgbar zu machen, sei eine Illusion, sagt Matthias Wachter, Experte für Rohstoffsicherung beim Industrieverband BDI. Der Maschinenbauer auf der Schwäbischen Alb ganz am Ende dieser Kette müsste nachweisen, dass alle von ihm verwendeten Rohstoffe garantiert konfliktfrei gewonnen wurden. "Das ist in der Praxis nicht umsetzbar", findet Wachter. "Die Erfahrungen in den USA zeigen, dass ein immenser bürokratischer Aufwand mit der Regulierung verbunden ist."

Finanzieren mit Steuern und Zöllen auf illegale Minen ihren Krieg: Rebellen im Kongo
Rebellen im Kongo finanzieren mit Steuern und Zöllen auf illegale Minen ihren KriegBild: picture-alliance/dpa

“Inseln der Stabilität schaffen“

Statt viele Ressourcen durch ein aufwendiges Berichtswesen zu binden, sollte es vielmehr darum gehen, die Finanzströme richtig zu lenken, argumentiert Manhart. "Kann man nicht sagen, ich bin konfliktfrei, weil ich über Finanztransfers versuche, Projekte zu finanzieren, die im Kongo Inseln der Stabilität schaffen?" Er ist überzeugt, dass eine schnelle Übertragung der US-Regelungen auf den europäischen Markt auch bei hiesigen Firmen einen wirtschaftlichen Boykott des Kongos provozieren würde. Das gefährde weitere Jobs und beseitige keines der Probleme der lokalen Bevölkerung, argumentiert Manhart.

Besser sei es da, positive Anreize für all jene zu schaffen, die im Kongo verantwortungsvoll Rohstoffabbau betreiben wollten. Beispiele hierfür seien das "Solutions for Hope"-Projekt oder die "Conflict-Free Tin Initiative" (CFTI), erklärt Manhart, zwei von Bergbauunternehmen und internationalen Investoren gegründete Initiativen, die Minenarbeiter angemessen bezahlen und zu fairen Arbeitsbedingungen anstellen. Leuchtturmprojekte statt neuer bürokratischer Pflichten: Davon will der deutsche Industrieverband BDI jetzt auch die EU-Gesetzgeber überzeugen. Anfang September soll deshalb die jetzt veröffentlichte Studie in Brüssel dem zuständigen EU-Handelskommissar Karel de Gucht übergeben werden. Ihre Botschaft: "No blood in my mobile" - aber bitte eine europäische Lösung.