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Magnet fischt Krankheitserreger aus dem Blut

Brigitte Osterath/re18. September 2014

Forscher haben einen Magneten entwickelt, der Bakterien, Viren und Gifte aus dem Blut filtert. Er könnte bei der Behandlung gefährlicher Krankheiten wie Ebola oder Blutvergiftung helfen.

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Magnetpartikel (beschichtet mit Eiweißen) binden an Krankheitserrger - hier an ein Escherichia coli Bakterium (blau). Größe Partikel (weiß): 128 nm (Foto: Harvard’s Wyss Institute)
Ein Escherichia coli Bakterium, das durch magnetische Nanopartikel gebunden wurde.Bild: Harvard’s Wyss Institute

Welcher Arzt hat sich nicht schon gewünscht, dass er einfach alle Bakterien bei einem Patienten entfernen könnte um ihn somit zu kurieren? Nun berichten amerikanische Forscher, dass sie einen Weg gefunden haben, genau das zu tun: mit einem Gerät, das während einer Blutwäsche mit Hilfe eines Magneten Bakterien, Viren oder Giftstoffe aus dem Blut abscheiden kann. Das saubere Blut wird danach wieder in den Körper des Patienten zurückgeführt.

"Wir haben versucht, die Funktion und die Mikrostruktur der Milz zu imitieren," sagt der Bioingenieur Joo H. Kang, der das Gerät am Wyss Institut der Harvard University in Boston nach dem biologischen Vorbild entworfen hat. "Es ist ein Organ, das stetig die Krankheitserreger aus dem Blut entfernt."

Kang und seine Kollegen haben die "Biomilz", wie sie sie nennen, bereits an Laborraten ausprobiert. Die Tiere wurden entweder mit Staphyloccocus aureus oder mit Escherichia coli Bakterien infiziert. Beide Keime können beim Menschen eine lebensbedrohliche Blutvergiftung, eine Sepsis, auslösen.

Das Gerät des Wyss Institute in Boston fängt mit Eiweißen, die an Magnetpartikel gebunden sind, Bakterien und Viren aus dem Blut (Foto: Harvard’s Wyss Institute)
In diesem Gerät werden die Erreger aus dem Blutstrom abgeschieden.Bild: Harvard’s Wyss Institute

"Die Biomilz hat mehr als 90 Prozent der Bakterien aus dem Blut entfernt", schreiben die Wissenschaftler in dem Fachmagazin "Nature Medicine". Es hat auch die Überlebensrate der Versuchstiere erhöht.

Nachbildung der Natur

Und so funktioniert es: Das Blut des Patienten fließt durch einen Schlauch mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1,25 Litern pro Stunde. In dem Schlauch wird das Blut mit sehr kleinen, nanoskaligen magnetischen Kügelchen vermischt. Diese sind mit einem Protein, einem sogenannten Liganden, beschichtet der den jeweiligen Krankheitserreger oder ein Gift binden kann.

Dann werden die magnetischen Metallnanopartikel in kleinen Kanälen innerhalb des Gerätes aus dem Blut entfernt. Und weil sie die Krankheitserreger an sich gebunden haben, werden diese gleich mit aus dem Blut entfernt. Das saubere Blut wird am Ende wieder dem Patienten zugeführt.

Die Forscher haben für ihren Versuch das natürliche Protein Opsonin benutzt. Osponin ist ein Teil des menschlichen Immunsystems und bindet sich an Zucker auf der Oberfläche verschiedener Arten von Bakterien, Pilzen und sogar Viren. Zuvor haben Kang und sein Forscherteam das Protein allerdings noch gentechnisch verändert damit es sich an die Metallnanopartikel anheften konnte.

Das Gerät des Wyss Institute in Boston fängt mit Eiweißen, die an Magnetpartikel gebunden sind, Bakterien und Viren aus dem Blut (Foto: Harvard’s Wyss Institute)
Eine Pumpe befördert das Blut zu einer Mischbatterie. Vorher werden die proteinbehafteten Nanopartikel durch eine Spritze zugegeben.Bild: Harvard’s Wyss Institute

Wirksam bei Blutvergiftung und Ebola

"Wir glauben, dass es enorme Auswirkungen auf die Behandlung von Blutvergiftungen haben kann", sagt Kang. Eine Blutvergiftung ist lebensbedrohlich und wird durch Bakterien ausgelöst. Laut der Global Sepsis Alliance sind jedes Jahr 18 Millionen Menschen von der Krankheit betroffen und rund 6 Millionen Menschen sterben daran. Wenn die Krankheit zu weit fortgeschritten ist, kommt Hilfe oft zu spät. Es bleibt dann nur wenig Zeit die Krankheit zu diagnostizieren und das richtige Antibiotikum für die Behandlung zu finden. In der Regel dauert die genaue Diagnose des spezifischen Bakteriums mindestens 24 Stunden.

"Mit der Biomilz könnten wir die infizierten Patienten aber schon zu behandeln, bevor wir den genauen Grund der Infektion kennen," sagt der Hauptautor der Studie Donald Ingber vom Wyss Institut, gegenüber der Deutschen Welle. So könnten die Metallnanopartikel mehr als 90 Prozent der Erreger binden.

Die Ärzte können daher die Behandlung beginnen ohne zu wissen um welchen Erreger es sich handelt. Die Methode muss erst noch getestet werden, aber die Forscher gehen davon aus, dass ihr Gerät auch zur Behandlung von Ebola genutzt werden kann.

"Das Protein, das wir zum Binden benutzen, hat im Reagenzglas auch das Ebolavirus gebunden und deswegen vermuten wir, dass es nützlich bei der Behandlung von Ebolapatienten sein könnte", sagt Ingber.

"Riesiges Potential"

Polly Roy, Biologin an der Londoner School of Hygiene and Tropical Medicine, pflichtet ihm bei: "Ebola hat eine sehr klebrige Außenschicht", deswegen könne der Virus wirklich an das gentechnisch veränderte Protein gebunden werden. Aber auch für andere Anwendungen findet Roy die Studie "sehr aufregend." Sie besitze "ein riesiges Potential". So seien Bakterien und Parasiten, wie zum Beispiel der Malariaerreger, wesentlich einfacher aus dem Blut zu entfernen, weil sie viel größer sind als Viren. Aber es müssten noch viele weitere Tests durchgeführt werden, fügt sie hinzu.

Ebolavirus unter dem Elektronenmikroskop (Foto: dpa)
Im Laborversuch blieb das Ebolavirus an Proteinen haften.Bild: picture-alliance/dpa/F.-A.Murpy

Keine Wunderformel

Sepsisexperte Frank Brunkhorst vom Universitätsklinikum in Jena ist jedoch skeptisch. Er hält die Methode "ohne zusätzliches diagnostisches Hilfsmittel für nutzlos." Brunkhorst fürchtet, dass es zu einer "Überbehandlung" von Patienten führen könnte. Ärzte müssten vor der Behandlung der Patienten wissen, welcher Erreger die Krankheit ausgelöst hat und sollten nicht wahllos eine Biomilz bei allen Patienten mit Sepsissymptomen einsetzen. Eine Behandlung mit einem großen Spektrum von Antibiotika zu einem frühen Zeitpunkt sei immer noch die bessere Alternative, fügt er hinzu.

Laut Brunkhorst befinden sich bei den meisten Sepsispatienten die Erreger nicht nur im Blut, sondern verstecken sich auch in Organen wie der Lunge. "Dort kann man sie aber nur mit Antibiotika erreichen", erklärt Brunkhorst, Die Biomilz sei also "interessant aber keine Wunderformel."

Symbolbild Krankenhaus (Foto: DW)
Sepsis ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit.

Tot oder lebendig

Ingber sagt jedoch, dass die Biomilz Methode gut bei antibiotikaresistenten Organismen funktionieren würde. Auch solle sie nicht unbedingt die Antibiotikabehandlung ersetzen sondern ergänzen.

Oft brächten Test auf Erreger im Blut von Patienten nämlich gar keine nutzbaren Ergebnisse. "Es gibt gar nicht sehr viele lebende Erreger im Blut, dafür aber eine große Anzahl toter Erreger und Gifte, weil der Körper das Immunsystem nutzt um Krankheiten zu bekämpfen, -es kann nur nicht Schritt halten."

Weil die Technik nicht nur lebende sondern auch tote Erreger und Gifte aus dem Blut filtert, könne das dem Patienten das Leben retten. "Wir sind in der Lage das Rad der Krankheitsentwicklung zurückzudrehen in den Zustand vor dem kritischen Punkt, an dem das Immunsystem nicht mehr in der Lage ist die Krankheit selbst unter Kontrolle zu bringen," sagt Ingber.

Das gelte umso mehr, "wenn zusätzlich die richtigen Antibiotika verabreicht werden." Daher glaube er, dass die Blutreinigungstherapie durchaus die weltweite klinische Behandlung verbessern könnte.