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Mit Google Epidemien orten

Julia Mahncke15. Februar 2013

Wenn genug Menschen im Internet nach dem Wort "Fieber" suchen, vermutet die Google-Datenbank, dass eine Grippewelle bevorsteht - und liegt häufig richtig. Gesundheitsexperten schauen dem Unternehmen interessiert zu.

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Kranker Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

 "Die Influenza-Aktivität in Deutschland ist weiterhin stark erhöht", schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI), die zentrale deutsche Einrichtung zur Krankheitsüberwachung, Mitte Februar auf ihrer Internetseite. Die Grippe geht um, seit Dezember in den USA, nun auch in Deutschland. Die Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) werten jede Woche Daten aus, die von etwa 700 Ärzten in Deutschland gesammelt werden. In erster Linie geht es darum, die Erkrankungen zu charakterisieren und Impfstoffe zu perfektionieren. Die Informationen werden mit einigen Tagen Verspätung rückwirkend publiziert.

Täglich aktuell sollen hingegen die Daten von Google sein. Das Unternehmen versorgt Internetnutzer mit Informationen zu Grippewellen. Dazu wertet es Suchanfragen aus - also Wörter, die Nutzer in das Eingabefeld der Online-Suchmaschine eingeben - und stellt die Datensammlung auf einer eigens dafür angelegten Seite grafisch dar. "In meinen Augen ist das ein absolut erfolgreiches Projekt", sagt Martin Memmel, Mitarbeiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). "Das ist ein klassisches Ausnutzen von kollektiver Intelligenz und möglicherweise kann man damit bis zu einer Woche vorher eine Epidemie erkennen."

http://www.google.org/flutrends/about/how.html
Google gibt an, wie hoch die Ansteckungsgefahr sein soll - gemessen an Suchbegriffen zum Thema GrippeBild: google.org

Suchbegriffe und historische Daten verhalfen zum Modell

Google verglich zu Anfang des "Grippe-Trend"-Projekts vor einigen Jahren die eigenen Daten aus Suchanfragen zum Begriff "Grippe" mit den Aufzeichnungen der US-amerikanischen Behörden und des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten. Das Ergebnis: "starke Übereinstimmungen". Aus dieser Erkenntnis entwickelten Mitarbeiter des Konzerns ein Modell, mit dessen Hilfe heute Zahlen zu Erkrankungen in den USA, Kanada, Japan oder Europa tagesaktuell dargestellt werden. Auch für Länder wie Mexiko, Chile, Russland oder Südafrika gibt es das Angebot. Hierbei handelt es sich laut Google aber um "experimentelle Schätzungen".

"Die Daten sind natürlich interessant", sagt Susanne Glasmacher vom  Robert-Koch-Institut, "aber wir wissen ja nicht, warum die Menschen Begriffe wie 'Grippe' eingeben." Die Grippe-Trend-Seite habe zum Beispiel einen hohen Ausschlag angezeigt, als die Vogelgrippe in aller Munde war. "Dabei gab es in Deutschland keine Vogelgrippe-Fälle bei Menschen." Auf der anderen Seite überschätze Google die aktuelle Grippewelle in den USA laut einem Bericht des Magazins "Nature" stark. 

Susanne Glasmacher, Pressesprecherin am Robert-Koch-Institut Foto: Bredow/RKI
Glasmacher: Die Möglichkeiten sind bestechendBild: Bredow/RKI

Ist das "Bieber-Fieber" auch eine Krankheit?

Trotz dieser Fallen beschäftigen sich aber auch die Wissenschaftler des RKI mit Social-Media-Diensten. Im vergangenen Jahr ging die erste Erprobung eines Frühwarnsystems mit Hilfe von Twitter-Daten zu Ende. Der Test hat gezeigt: In einigen Fällen können Epidemien über Kurznachrichtendienste theoretisch schneller als mit herkömmlichen Methoden entdeckt werden. Das war zum Beispiel beim Ausbruch der Cholera in Haiti der Fall, erklärt Glasmacher. Probleme bereitete dagegen die Verwendung von Worten wie "Fieber" in anderen Kontexten. Allein das "Bieber fever" würde Datenanalysen verfälschen. Über das "Bieber-Fieber" twittern immer wieder Fans des Popstars Justin Bieber.

Fannachricht von einem Justin-Bieber-Fan Quelle: Twitter
"Mein Brustkorb tut weh. Ich brauche dich, Dr. Bieber. Heile mein Bieber Fieber!" - zahlreiche zweideutige BegriffeBild: twitter.com

Der Dienst von Google kann eine traditionelle Überwachung von Krankheiten nicht ersetzen. Darüber sind sich die Mitarbeiter selbst auch klar. Vielmehr kann man das Projekt als eine Art Spielerei sehen, aus der sich zukünftig andere Anwendungen ableiten könnten. Trends voraus zu sehen, sei für jedes Unternehmen interessant, sagt der Forscher Memmel. Auch sein Institut arbeite an Projekten, bei denen insbesondere die Daten von Mobilgeräten eine große Rolle spielten. "Dadurch fällt die Ortung natürlich leichter", so Memmel. Er berichtet von einer Zusammenarbeit mit der Polizei. Die Zukunftsvision: Auf Massenpaniken oder andere Katastrophenfälle könnte anders reagiert werden, wenn Behörden die Informationen, die Menschen vor Ort versenden, schnell auswerten.

Wissenschaftler am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) Foto: privat
Memmel: Mit "Grippe-Trends" zeigt sich Google von seiner guten SeiteBild: privat

Bis es neue Ideen und Anwendungen gibt, ist die Vorhersage von Grippewellen vor allem eine gute Werbung für Google und ein Plus für das Image. "Das ist auch kein großer Aufwand", schätzt Memmel, "wenn der Algorithmus einmal eingestellt ist."