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OSZE-Beobachter in der Ostukraine

Alois Berger18. März 2014

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier drängt auf eine rasche OSZE-Mission in der Ukraine. In zwei Wochen könnte es zu spät sein, so Steinmeier. Doch was kann und soll eine solche Mission ausrichten?

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Ukraine Osze Beobachter auf der Krim (Foto: AFP)
Bild: AFP/Getty Images

Bereits Anfang der Woche flogen deutsche und US-amerikanische Soldaten im Rahmen einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Aufklärungsflüge über Russland und Weißrussland. Ihr Auftrag: russische und weißrussische Truppenbewegungen zu beobachten, um Rückschlüsse auf eventuelle Aufmarschpläne an der ukrainischen Grenze zu ziehen. Gleichzeitig brach am Dienstag (18.03.2014) eine zwölfköpfige OSZE-Gruppe in den Osten der Ukraine auf, um zu untersuchen, wie die Ukraine dort mit Minderheiten und Menschenrechten umgeht. Und am Donnerstag beginnen OSZE-Mitarbeiter mit den Vorbereitungen für die Beobachtung der ukrainischen Präsidentschaftswahlen am 25. Mai.

"Das ist für viele Leute etwas verwirrend", räumt Thomas Rymer vom OSZE-Büro für Demokratie und Menschenrechte in Warschau ein. Denn mit dem OSZE-Einsatz, den der deutsche Außenminister immer nachdrücklicher fordert, hat das alles noch gar nichts zu tun.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ist derzeit in der Ukraine auf vielen Schauplätzen unterwegs. Das liegt einerseits daran, dass die OSZE derzeit vermutlich die einzige halbwegs handlungsfähige Organisation ist, in der alle an der Ukraine-Krise beteiligten Länder vertreten sind. Das westliche Verteidigungsbündnis NATO und die Europäische Union werden von Russland als parteiisch abgelehnt und die UNO ist durch das russische Vetorecht im Sicherheitsrat praktisch blockiert. Zudem hat die OSZE aus den Zeiten des Kalten Krieges eine Reihe von Regeln und Instrumenten herübergerettet, die plötzlich wieder nützlich sind.

Relikte der vertrauensbildenden Maßnahmen

Vor allem die Maßnahmen der Rüstungskontrolle und der gegenseitigen Vertrauensbildung, mit der bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion das Gleichgewicht des Schreckens ausbalanciert wurde, stehen wieder hoch im Kurs: Die Aufklärungsflüge beispielsweise muss Russland zulassen. Moskau hat die gegenseitige Kontrolle immer wieder ausdrücklich befürwortet, vor allem im sogenannten "Vertrag über den offenen Himmel" von 1992. Für die russische Regierung waren die OSZE-Vereinbarungen über Rüstungskontrolle eine wichtige Bestätigung, dass sie weiter als Großmacht angesehen wird. Moskau hat deshalb aktiv daran gearbeitet, die OSZE-Verträge immer wieder zu aktualisieren, zuletzt im Wiener Dokument, einem internationalen Abkommen von 2011.

OSZE Beobachter am Checkpoint zur Krim (Foto: AFP)
OSZE-Beobachter am Checkpoint zur KrimBild: Alexander Nemenov/AFP/Getty Images

Seit Beginn der Krise in der Ukraine hat die OSZE eine ganze Reihe kleinerer Beobachter-Missionen durchgeführt. "Die werden von der Öffentlichkeit fast nicht wahrgenommen", meint Wolfgang Richter, ehemaliger OSZE-Beobachter und heute Sicherheitsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, "aber wir hatten jetzt schon mehrere Inspektionen nach dem Wiener Dokument". Russland hat all diesen Einsätzen entlang seiner Grenzen bislang ohne Proteste zugestimmt. Doch die Zahl der Inspektionen, die die OSZE in jedem Land im Rahmen der Rüstungskontrolle durchführen darf, ist beschränkt. Wenn der Westen im selben Takt Beobachtermissionen fordert wie bisher, meint Richter, dann werde das Kontingent 2014 für Russland bald ausgeschöpft sein. Russland erklärte am Mittwoch (19.03.2014), das Kontingent der vorgeschriebenen Kontrollen sei mit einer geplanten Überprüfung in den nächsten Tagen aufgebraucht. Weitere Kontrollen seiner militärischen Anlagen durch OSZE-Beobachter in diesem Jahr werde man nicht zulassen.

Putin weiß noch nicht, was er will

Nicht zuletzt deshalb drängt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nun auf eine große OSZE-Beobachtermission im Osten und Süden der Ukraine, wo sehr viele russische und russischstämmige Bürger leben und die Grundstimmung in der Bevölkerung eher Moskau als Kiew zugeneigt scheint. Im Westen fürchten deshalb viele, dass der russische Präsident dort ein ähnliches Szenario aufbauen könnte wie auf der Krim, die nach einigen russischen Provokationen, ein paar leichten Unruhen und einem schnell durchgeführten Referendum innerhalb weniger Wochen der russischen Republik einverleibt wurde. "Putin ist noch nicht ganz entschieden, wie weit er gehen will", glaubt der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler. "Das wird auch davon abhängen, wie deutlich wir in der Reaktion sind."

Mit einer großen und raschen OSZE-Mission, so Gahler, könnte die bereits leicht brodelnde Situation etwa im Industrierevier Donezk-Becken vielleicht noch rechtzeitig beruhigt werden. Die Zeit drängt, glaubt auch der deutsche Außenminister Steinmeier, die Mission müsse möglichst sofort losziehen: "In ein oder zwei Wochen könnte es schon zu spät sein."

Internationale Präsenz soll abschrecken

Nach dem Vorschlag des Schweizer Botschafters Tim Guldiman, der zur Zeit im OSZE-Rat den Vorsitz hat, sollen etwa 100 zivile und militärische Beobachter für ein halbes Jahr in den Osten der Ukraine geschickt werden. "Es geht zunächst einmal um die Feststellung der Fakten vor Ort", erklärt Wolfgang Richter, der selbst bei mehreren solchen Missionen dabei war. "Das ist wichtig, weil es bislang viele Gerüchte von beiden Seiten gibt und man deshalb gar nicht weiß, auf welcher Grundlage man politisch agieren soll." Doch die Erwartungen an die OSZE-Mission gehen viel weiter. Allein die Präsenz internationaler Beobachter könne die Situation entschärfen, meint Richter: "Wer einen Einmarsch vorbereitet, der möchte das nicht im Beisein internationaler Beobachter tun und damit im internationalen Rampenlicht stehen."

Das Problem: Eine solche große OSZE-Mission, die nicht eindeutig durch die Abmachungen zur Rüstungskontrolle gedeckt ist, braucht die Zustimmung aller 57 OSZE-Mitgliedsstaaten. Also auch die Russlands.

Wolfgang Richter von der SWP(Foto: DW/Nikita Jolkver)
Wolfgang Richter von der SWP: Internationale Beobachter stören beim EinmarschBild: DW/N. Jolkver

In einem Telefongespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Putin zwar einer solchen Mission grundsätzlich zugestimmt. Doch wie viele OSZE-Beobachter er zugestehen würde, für welche Zeit und mit welchem Auftrag, das hat er offen gelassen.

Russische Inspektionen in Deutschland?

Sollte Russland gegen die jetzt geplante Entsendung von rund 100 Beobachtern sein Veto einlegen, dann würde das den Verdacht bestärken, dass Putin mit der Krim alleine noch nicht zufrieden ist. Dass er auch die Ostukraine ernsthaft im Blick hat. Der Westen würde dann um schärfere Sanktionen kaum herumkommen.

Lenkt Putin ein und erlaubt die OSZE-Mission in der Ostukraine, dann wird er zumindest versuchen, das Gesicht zu wahren und Forderungen an den Westen stellen. Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht davon aus, dass Russland seinerseits OSZE-Inspektionen in der Ukraine und in verschiedenen NATO-Ländern verlangen wird: "Ich bin sehr gespannt, wann die Russen damit beginnen, sie werden das tun, so wie sie das in der Kosovo-Krise getan haben. Da haben sie das ganze Instrumentarium ausgeschöpft und sind auch in Deutschland unterwegs gewesen, um zu schauen, wie wir uns militärisch auf die Krise vorbereiten."