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Mikrokredite für Myanmar

Bastian Hartig12. Mai 2013

Seit der Öffnung Myanmars entdecken immer mehr internationale NGOs das Land für sich. Experten mahnen zu einer klugen Steuerung der Hilfegelder. Ein positives Beispiel ist der neue Mikrofinanzsektor.

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(Foto: DW/Hartig)
Bild: DW/B. Hartig

Konzentriert füllt Thuzar Nwe die Sparbücher aus, die vor ihr auf dem Tisch liegen. Die 22-Jährige sitzt auf dem Boden im zweiten Stock eines Wohnhauses in einem Armenviertel von Yangon. Ihr gegenüber warten an die fünfzehn Frauen verschiedenen Alters. Einmal die Woche treffen sie sich hier. Dann müssen sie die Raten für ihre Kredite zurückzahlen.

Thuzar Nwe ist Finanzberaterin bei der Nichtregierungsorganisation Mingalar Myanmar. Sie vergibt Kleinstkredite an Mini-Unternehmer und überwacht die Rückzahlungen.

"In der ersten Stufe können unsere Kunden einen Kredit von 50.000 Kyat aufnehmen", erklärt sie. Umgerechnet sind das rund 45 Euro. Der Zinssatz beträgt 2,5 Prozent für eine Laufzeit von drei oder sechs Monaten. "Wenn die Kunden den Kredit abbezahlt haben, können sie einen neuen in doppelter Höhe aufnehmen", erklärt Thuzar Nwe.

Außerdem müssen die Kunden jede Woche 500 Kyat sparen, rund 45 Euro-Cent. Denn die meisten hier leben von der Hand in den Mund. Sie haben keine finanziellen Rücklagen für Notfälle.

Myanmar lockt internationale NGOs an

Thuzar Nwe arbeitet für die birmanische Nichtregierungsorganisation Mingalar Myanmar. Zusammen mit der deutschen Sparkassenstiftung führt die lokale NGO das Mikrofinanzprojekt durch. "Wir haben mit Mingalar Myanmar einen Partner gefunden, dem wir die Chance geben, ein ganz neues Mikrofinanzinstitut aufzubauen", erklärt die Projektleiterin der Sparkassenstiftung, Silvia Sturm. Das Engagement der Stiftung ist erst durch die politischen Reformen Myanmars möglich geworden. "Durch die Öffnung und das neue Mikrofinanzgesetz, das im November 2011 verabschiedet wurde, haben wir hier die Möglichkeit gesehen, aktiv zu werden", sagt Silvia Sturm.

Empfänger der Mikrokredite müssen Sparbücher führen. (Foto: DW/Hartig)
Empfänger der Mikrokredite müssen Sparbücher führenBild: DW/B. Hartig

Und die Sparkassenstiftung ist nicht die einzige Nichtregierungsorganisation, die diese Entwicklungen nutzen will. Die wirtschaftlichen Sanktionen und die politische Ächtung des Landes durch den Westen hatten früher viele Geber abgeschreckt. Seit der Abschaffung der Militärdiktatur und der darauf folgenden Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen hat sich das geändert. Das Land steht bei internationalen Organisationen jeglicher Art seither hoch im Kurs.

"Es sind vor allem die klassischen Nichtregierungsorganisationen aus Europa, Australien und den USA, die jetzt versuchen, hier Fuß zu fassen", sagt Birke Herzbruch von der deutschen Hilfsorganisation Malteser International. Sie kennt Myanmar noch aus der Zeit vor den Reformen. Seit sieben Jahren ist sie bereits im Land. Sie weiß, dass Myanmar die ausländische Hilfe dringend nötig hat. "Vor allem in den ländlichen, zunehmend aber auch in den städtischen Bereichen ist der Bedarf sehr groß", sagt sie. "Gerade NGOs, die im Sanitätsbereich oder im Aufbau der Zivilgesellschaft tätig sind, könnten hier viel bewegen."

Bürokratische Hürden sind geblieben

Aber noch immer stoßen die NGOs in Myanmar auf zahlreiche Probleme. "Der Prozess der Dezentralisierung und Demokratisierung ist noch nicht auf allen Ebenen angekommen", beklagt Landesleiterin der Malteser in Myanmar. "Wir haben immer noch dieselben bürokratischen Hürden zu überwinden wie früher."

Auch der Beamtenapparat muss sich erst an die neue politische Lage gewöhnen. "Viele sind immer noch sehr zögerlich, bestimmte Sachen zu bearbeiten, weil sie nicht wissen, was das bedeutet und was genau erlaubt ist."

Dennoch kommen immer neue Organisationen nach Myanmar. Und mit ihnen kommt auch ausländisches Geld ins Land. Viel Geld. Bald könnte der Non-Profit-Sektor eine der größten Devisenquellen für Myanmar werden, glaubt Dr. Wang Yit Fang, Länderexperte für Myanmar bei der multinationalen Jardines Business-Gruppe. Myanmar kann ausländisches Geld dringend brauchen. Das Land rangiert auf Platz 149 des Human Development Index der Vereinten Nationen und damit im unteren Viertel. Es mangelt vor allem an Infrastruktur, sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen.

Aber der Geldsegen aus dem Ausland könne der Wirtschaft auch schaden, warnt Dr. Wang Yit Fang: "Wenn zu viel Geld zu schnell ins Land fließt und es auf sich einen Sektor konzentriert, dann lockt das die wenigen Fachkräfte des Landes alle in diesen einen Sektor." Die Folge sei eine einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit.

Kleine Schritte

Thuzar Nwe versucht derweil, ihren Kunden zu ein bisschen wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu verhelfen. Deshalb sitzt sie im kleinen Haus von Khin Cho Sett auf dem Boden und geht mit der 27jährigen Punkt für Punkt einen Fragebogen durch. Khin Cho Sett möchte einen Kredit aufnehmen, um ihr Geschäft zu erweitern. Sie verkauft frittiertes Schweinefett - ein Leckerbissen, finden ihre Kunden.

Kredite für Investitionen in kleinem Maßstab. (Foto: DW/Hartig)
Kredite für Investitionen in kleinem MaßstabBild: DW/B. Hartig

"Wie viel wirft Ihr Geschäft ab?", will Thuzar Nwe wissen. "Glauben Sie, dass Sie die wöchentlichen Raten zurückzahlen können?" Am Ende ist sie zufrieden. Sie wird Khin Cho Sett einen Mini-Kredit einräumen, in Höhe von 100.000 Kyat, umgerechnet etwa 90 Euro. Khin Cho Sett ist sich sicher, dass das Geld aus dem Ausland ihr Geschäft ankurbeln wird. Und viele in Myanmar hoffen, dass sich das, was für Khin Cho Sett im Kleinen gilt, auch auf die gesamte Volkswirtschaft übertragen lässt.