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Merkels Syrien-Patzer

Jeanette Seiffert11. September 2013

Die Kanzlerin unterschreibt eine Syrien-Erklärung der westlichen Mächte erst mit einem Tag Verspätung - und wird im In- und Ausland dafür angegriffen. Wird der Syrien-Konflikt nun zum Wahlkampfthema?

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US-Präsident Barack Obama begrüßt seine brasilianische Kollegin Dilma RousseffUS-Präsident Barack Obama begrüßt seine brasilianische Kollegin Dilma Rousseff (Bild: picture-alliance/dpa)
US-Präsident Barack Obama begrüßt seine brasilianische Kollegin Dilma RousseffBild: picture-alliance/dpa

Bisher schien die Kanzlerin einfach alles richtig zu machen in diesem Wahlkampf: Egal ob NSA-Affäre, steigende Mietpreise oder Energiewende: Es gab so gut wie kein Thema, das geeignet war, sie wirklich anzugreifen. Nun zeigt Angela Merkel ihren politischen Gegnern im Umgang mit der Syrien-Krise zum ersten Mal eine Schwachstelle. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nutzt die Chance und spricht von einem "Totalausfall der deutschen Außenpolitik".

Eine fehlende Unterschrift mit Folgen

Bundeskanzlerin Angela Merkel war vom G20-Gipfel in St. Petersburg abgereist, ohne eine Erklärung der USA zur Syrien-Krise zu unterschreiben, in der unter anderem Syriens Machthaber Bashar al-Assad für den Chemiewaffeneinsatz in seinem Land verantwortlich gemacht wird. Zu diesem Zeitpunkt hatten auch Spanien und Italien nicht unterschrieben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) startet am 05.09.2013 in Berlin vom Flughafen Tegel zum Gipfel der 20 führenden Wirtschaftsnationen der Welt in St. Petersburg. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Diplomatische Krise im Flugzeug?Bild: picture-alliance/dpa

Merkel stieg in ihr Flugzeug Richtung Berlin - doch als sie dort einige Stunden später landete, stand Deutschland auf einmal isoliert da: Nämlich als einziger westlicher Staat, dessen Stimme auf der Erklärung fehlte. Denn mittlerweile hatten auch Spanien und Italien unterschrieben, nur Russland und China hatten ebenfalls die Zustimmung verweigert. Bei den westlichen Verbündeten herrschte erst einmal Verwirrung, dann Verwunderung - und schließlich an vielen Orten auch Verärgerung über den deutschen Alleingang.

Merkel versuchte zu retten, was noch zu retten war: Sie unterschrieb wenige Stunden später doch noch - und begründete die Verzögerung damit, sie habe auch kleinere EU-Staaten einbeziehen und dafür sorgen wollen, dass die Europäer eine gemeinsame Linie verfolgen. Doch für viele kam diese Erklärung zu spät - der außenpolitische Schaden war bereits angerichtet.

Der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, sitzt am 23.04.2013 im Präsidiumssaal im Willy-Brandt-Haus in Berlin und hat Kinder im Rahmen des Türkischen Kindertages eingeladen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Torchance für SPD-Kandidat Steinbrück?Bild: picture-alliance/dpa

Eine Chance für die Opposition?

Für Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ist das eine gute Gelegenheit, die Außenpolitik der Kanzlerin und ihres Außenministers Westerwelle insgesamt anzugreifen: Offenbar hätten andere europäische Staaten am Rande des G20-Gipfels gemeinsam mit anderen Verbündeten wie den USA und Kanada Gespräche geführt - ohne Deutschland. "Das zeigt, wie einflusslos die Bundesregierung in der internationalen Politik derzeit ist." Und er schiebt noch einen weiteren Vorwurf nach: Es habe sich gezeigt, dass Merkel in Wahrheit dem US-Präsidenten schon früher ihre Unterstützung zugesichert habe: "Anders kann ich mir die Äußerungen Obamas nicht erklären, dass einzelne Regierungschefs ihm in privaten Gesprächen ihre Zustimmung gegeben haben - und er von ihnen erwartet, dass sie diese öffentlich kund tun."

Merkel soll also Obama zugesagt haben, einen Militärschlag zu unterstützen, und später dann die Seiten gewechselt haben? Das dürfte die SPD kaum belegen können. Ganz offensichtlich verfolgt die Opposition aber das Ziel, kurz vor der Bundestagswahl in der Öffentlichkeit Zweifel daran zu streuen, dass das "Nein" der Bundesregierung zu einer militärischen Beteiligung ehrlich gemeint war.

Blick auf ein SPD-Wahlplakat zur bevorstehenden Bundestagswahl am 18. September an der Martin-Luther-Straße in Plauen (Sachsen), aufgenommen am 14.09.2005. Mit dem Foto der Särge von im Irak-Krieg getöteten US-Soldaten und dem Schriftzug "Sie hätte Soldaten geschickt." wirbt der vogtländische SPD-Kandidat Rolf Schwanitz, Staatsminister im Kanzleramt, um die Stimmen der Wähler. Foto: Igor Pastierovic dpa/lsn +++(c) dpa - Report+++
SPD-Wahlplakat gegen Merkels Irak-Politik 2005.Bild: picture-alliance/dpa

Lehren aus dem Irakkrieg

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass außenpolitische Fragen durchaus den Ausgang einer Bundestagswahl beeinflussen können. 2002 ging es um eine Beteiligung am Irakkrieg: Der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder lehnte das eindeutig ab. Angela Merkel als CDU-Vorsitzende vertrat die Haltung, es sei falsch, eine militärische Option von vorneherein auszuschließen. Damit hatte sie die Regeln der klassischen Krisendiplomatie auf ihrer Seite - Kanzler Schröder aber eine klare Mehrheit der Bevölkerung: Und er gewann die Wahl.

Das große Problem der Opposition: Einen so deutlichen Widerspruch zur Haltung der CDU wie beim Irak-Krieg gibt es im Fall Syrien nicht. "Als Wahlkampfmunition eignet sich das nicht so richtig," konstatiert deshalb Josef Janning von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in einem Gepräch mit der Deutschen Welle. "Die Regierung und die großen Oppositionsparteien sind sich eigentlich in der deutschen Haltung ziemlich einig." Er glaubt deshalb nicht, dass es SPD und Grünen gelingt, gegen Merkel in Sachen Syrien zu punkten.

Josef Janning, deutscher Politikwissenschaftler, seit 1989 Leiter der Forschungsgruppe Europa und seit 1995 stellvertretender Direktor des Zentrums für angewandte Politik-Forschung der Ludwig-Maximilian-Universität München. Aufgenommen im Juli 1998 in Mainz.
Politikwissenschaftler Josef Janning: Kein diplomatischer SchadenBild: picture-alliance/dpa

Deutschland längst im Abseits?

Der Politikwissenschaftler befürchtet auch nicht, dass die Kanzlerin mit ihrem Patzer die westlichen Verbünden ernstlich vor den Kopf gestoßen hat: Bei internationalen Krisen sei Deutschland ohnehin nur noch am Rande gefragt, weil man längst wisse, dass die Mehrheit der Deutschen von militärischen Aktionen nicht viel hält. Aus historischen Gründen ist man sehr sensibel beim Thema Kriegseinsätze. Der außenpolitische Schaden sei also begrenzt: "Viele werden sagen, Deutschland befindet sich im Wahlkampf, da kann man nichts anderes erwarten", glaubt Janning. "Und man traut der deutschen Regierung bei solchen Fragen ohnehin kein robustes Auftreten zu."