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Merkels große Aufgaben

Jeanette Seiffert17. Dezember 2013

Nach langen Verhandlungen steht endlich die neue Regierungsmannschaft von Angela Merkel. Doch für sie wird das Regieren nicht einfacher, mit wichtigen Aufgaben und starken Konkurrenten im Kabinett.

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Bild: Reuters

Über eine schlechte Ausgangslage kann sich die Kanzlerin nicht beklagen: Die Konjunkturaussichten für Deutschland sind so positiv wie in keinem anderen Land in Europa, die Steuereinnahmen sprudeln. Die neue Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD kann also viel Geld ausgeben, und der Koalitionsvertrag liest sich so, als ob man das auch tun will. Doch mit ein paar Milliarden hier und da wird es kaum getan sein, wenn Angela Merkel in ihrer dritten und vielleicht letzten Regierungszeit wirklich glänzen will.

Sigmar Gabriel versucht sich als Herkules

Die wichtigste Herausforderung der neuen Regierung dürfte die Energiewende sein. Sie ist mit großem Ehrgeiz gestartet worden, nachdem die Kanzlerin nach der Atomkatastrophe von Fukushima entschieden hat, dass Deutschland bis 2022 aus der Kernenergie aussteigen will. Erneuerbare Energien aus Wind, Sonne und Wasser sollen den Atomstrom ersetzen - doch das Projekt ist längst ins Stocken geraten. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wird als neuer Wirtschaftsminister auch für die Energiepolitik zuständig sein - eine Chance, aber auch ein Risiko für den Vizekanzler, meint der Politikberater Michael Spreng. "Das ist mit Sicherheit eine Herkulesaufgabe, die sich Gabriel aufgeladen hat." Denn bisher seien wichtige Fragen nicht gelöst: Wie können Strom und Gas bezahlbar bleiben, welche Rolle spielt künftig die umweltschädliche Kohlekraft in Deutschland, wie können die Stromnetze schnell genug ausgebaut werden, um den Strom dorthin zu leiten, wo er gebraucht wird?

Andrea Nahles und Sigmar Gabriel (SPD). Foto: dpa.
Starke Konkurrenz für Merkel: SPD-Minister Nahles und GabrielBild: picture-alliance/dpa

Als neue SPD-Arbeitsministerin kann Andrea Nahles das wichtigste Projekt der Sozialdemokraten auf den Weg bringen: einen allgemeinen und verbindlichen Mindestlohn. Die bisherige Generalsekretärin ist außerdem in der komfortablen Lage, weitere soziale Wohltaten verteilen zu dürfen: Künftig soll ein Teil der Arbeitnehmer bei voller Rente schon mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen können, außerdem sollen Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, im Alter mehr Geld bekommen. Teure Mini-Reformen mit Risiken und Nebenwirkungen, kritisiert Politikberater Spreng: "Eine Schwäche ist natürlich, dass die Finanzierung nur steht, wenn die Konjunktur weiter so brummt." Sollte das nicht Fall sein, drohten Beitragserhöhungen oder Steuererhöhungen - oder es müssten doch wieder mehr Schulden gemacht werden. Die Spendierfreudigkeit der neuen Bundesregegierung könnte für ein weiteres wichtiges Themenfeld der Großen Koalition zum Problem werden: die Eurokrise.

Prassen statt sparen?

Personell setzt die Kanzlerin auf Kontinuität: Der alte und neue Finanzminister heißt Wolfgang Schäuble (CDU), der sich bereits in den vergangenen Jahren europaweit als Krisenmanager profiliert hat. Für den 71-Jährigen wird es vermutlich das letzte Regierungsamt sein: Er muss also nichts mehr erreichen, und das verschafft ihm die vermutlich größte Unabhängigkeit unter den Ministern im Kabinett. Noch heikler dürfte es aber für Angela Merkel werden: Denn den Euro-Krisenländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal weiterhin einen strikten Sparkurs zu verordnen, während sie im Inland mehr Geld ausgeben will - das sei ein schlechtes Signal, das die Regierung sende, sagte der Politikberater Michael Spreng im DW-Interview. "Auch in den europäischen Hauptstädten registriert man, dass die Deutschen alle anderen zum Sparen animieren, aber selbst die Schleusen wieder geöffnet haben."

Die bisherige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wird sich als erste weibliche Verteidigungsministerin nun ebenfalls neben der Kanzlerin im Ausland profilieren können: Ihre wichtigste Aufgabe wird es sein, im kommenden Jahr den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan umzusetzen. Ein heikler Punkt zum Beispiel: Was passiert mit den afghanischen Mitarbeitern, die für die Deutschen zum Beispiel als Dolmetscher gearbeitet haben und die nun von den Taliban bedroht werden? Fast alle haben Asyl in Deutschland beantragt, und die Bundesregierung muss in dieser Frage erst noch zu einer eindeutigen Position finden. Bewährt sich von der Leyen in dem schwierigen Amt, könnte sie sich als Nachfolgerin von Angela Merkel in Stellung bringen.

Ausbildung afghanischer Polizisten durch deutsche Militärpolizei in Faisabad. (Foto: MICHAEL KAPPELER/AFP/Getty Images)
Bundeswehr-Ausbilder in AfghanistanBild: Michael Kappeler/AFP/Getty Images

Neue Konkurrenz für Merkel

Angela Merkel sei zwar in ihrer CDU weiter die unangefochtene Führungsfigur, meint der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg. Doch mit einem sehr selbstbewussten Vizekanzler Sigmar Gabriel und einer ebenfalls starken Ursula von der Leyern könnte das Regieren für sie schwerer werden als in der vorangegangenen Koalition mit der FDP. Er glaubt aber dennoch, dass die Kanzlerin für Machtkämpfe gut gerüstet ist: "Politik besteht in hohem Maße aus Krisenmanagement. Dass sie darin gut ist, hat sie in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt."

Merkel kämpft um ihr Vermächtnis

Sollte Merkel tatsächlich bei der kommenden Bundestagswahl 2017 nicht wieder antreten, sähe ihre bisherige Bilanz als Kanzlerin mager aus, meint Politikberater Michael Spreng. Außer dem Ausstieg aus der Kernenergie und einer noch unvollendeten Bewältigung der Euro-Krise habe sie noch nichts Bedeutendes geleistet: "Es gibt noch kein großes Projekt, das mit dem Namen Angela Merkel verbunden ist. Sie hat jetzt noch vier Jahre Zeit, um sich in die Geschichtsbücher einzuschreiben - bisher steht da jetzt noch nicht so viel."

Deutschland Bundestagswahl Michael Spreng
Politikberater Spreng: Merkel - noch kein Fall für die GeschichtsbücherBild: picture-alliance/dpa

"Der Eintrag wird am Ende ihrer Kanzlerschaft geschrieben", widerspricht Politikwissenschaftler Volker Kronenberg. Man werde in den kommenden vier Jahren sehen, welche Herausforderungen sich ergeben. "Und erst dann wird Bilanz gezogen."