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Merkel würdigt Widerstand gegen Hitler

Marcel Fürstenau1. Juli 2014

Das gescheiterte Attentat vom 20. Juli 1944 ist Fixpunkt der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Im Beisein der Kanzlerin wurde die modernisierte Dauerausstellung wiedereröffnet. Die kann sich sehen lassen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht die Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand.
Bild: picture-alliance/dpa

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Weiße Rose, Rote Kapelle, Kreisauer Kreis - der Widerstand gegen das nationalsozialistische Terror-Regime hatte vielen Namen. Dahinter steckten Menschen aus allen möglichen Milieus: Adel und Militär, Arbeiter und Angestellte, Studenten und Künstler, Juden und Christen, Sinti und Roma. Ihre Motive, sich unter Lebensgefahr gegen Hitler und seine vielen Helfer zur Wehr zu setzen, waren entsprechend unterschiedlich: politisch, ethisch, religiös - daran hat Angela Merkel am Dienstag (01.07.2014) in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand erinnert. Anlass war die Wiedereröffnung der Dauerausstellung vor mehreren Hundert Gästen, darunter Zeitzeugen und Angehörige von Opfern.

Der Ort ist - wie so viele in Berlin - geschichtlich fast überfrachtet. Das weitläufige Gebäude aus der Kaiserzeit war seit jeher Dienstsitz für hochrangige Militärs der Marine und des Heeres. In den Amtsstuben wurden Kriegspläne entworfen, aber auch der Operationsplan "Walküre". Offiziell handelte es sich dabei um ein Szenario dafür, wie innere Unruhen und aufständische Zwangsarbeiter zu unterwerfen seien. Tatsächlich war "Walküre" eine Camouflage, mit der die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg ihren von langer Hand geplanten Staatsstreich tarnten.

Weit über Graf von Stauffenberg hinaus

Adolf Hitler überlebte das Attentat, das Stauffenberg auf ihn am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier "Wolfschanze" verübte. Wenige Stunden später wurden die Drahtzieher dort standrechtlich erschossen, wo sie den Sturz des Nazi-Regimes wesentlich geplant hatten. Im Ehrenhof des Militär-Komplexes, des sogenannten Bendlerblocks, findet seit 1952 die jährliche Gedenkfeier zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus statt. Für die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und ihre 1989 konzipierte Dauerausstellung könnte es keinen sinnfälligeren Ort geben. Das gleiche gilt für den Berliner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums, der sich seit 1993 ebenfalls auf dem Gelände befindet.

1944; Claus Schenk Graf von Stauffenberg (l.) und Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim 1942.
Zwei Männer des 20. Juli 1944; Claus Schenk Graf von Stauffenberg (l.) und Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim.Bild: 2014 Gedenkstätte Deutscher Widerstand / Foto: Georg Engels, Braun Engels Gestaltung (Ulm)

Bundeskanzlerin Merkel thematisierte in ihrer Rede die Vielschichtigkeit dieses Ortes im alten und neuen Berliner Diplomatenviertel. An Gedenkstätten wie diesen sehe man sich mit der Vergangenheit konfrontiert, "ohne aber den sicheren Boden der Gegenwart unter den Füßen zu verlieren". Solche Orte seien geeignet, "die Sinne zu schärfen" und sich "nicht wieder auf Abgründe hinzubewegen". Auch wenn die Gedenkstätte Deutscher Widerstand aufs Engste mit den todesmutigen Attentätern vom 20. Juli 1944 verknüpft ist, so geht die Ausstellung aus guten und notwendigen Gründen "weit über Stauffenberg und sein Umfeld hinaus", betont Merkel.

Die Operation "Walküre" im Live-Ticker

Inhaltlich hat sich eher wenig verändert, aber die Präsentation entspricht endlich den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts, den berechtigten Ansprüchen heutiger Museumsbesucher. Geblieben sind die durchweg schwarz-weißen Fotos und Texttafeln, hinzugekommen sind großflächige Wandmonitore, Computer mit Touchscreen sowie zahlreiche Dokumente in Bild und Ton. Die Geschichte des deutschen Widerstands zwischen 1933 und 1945 ist jetzt am historischen Ort multimedial erfahrbar. In 18 Themenräumen entsteht ein Panorama des Widerstands. Es vermittelt eine Vorstellung davon, dass es in den zwölf Nazi-Jahren neben den Millionen Tätern und Mitläufern ein "anderes Deutschland" (Merkel) gab. Der Bundeskanzlerin wurde die Ehre zuteil, als Erste und exklusiv die neue Ausstellung anschauen zu dürfen.

Bei ihrem Rundgang konnte sie im Raum 11 minutiös den Verlauf des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944 nachempfinden. So wie TV-Sender am unteren Bildrand durchlaufende Nachrichten einblenden, werden die dramatischen Stunden skizziert. Demnach lösen Stauffenberg und seine Mitverschwörer gegen 16 Uhr die Operation "Walküre" aus. Der Umsturzversuch, so scheint es anfangs, könnte klappen. Durch die Meldung, Hitler habe überlebt, wird die Situation zunehmend konfuser. Der Staatsstreich misslingt.

Ludwig Becks Todeszimmer ist heute Teil der Ausstellung

Zur Gruppe der Verschwörer gehört Generalstabschef Ludwig Beck. Sein Versuch, sich angesichts der Niederlage das Leben zu nehmen, schlägt fehl. Er wird schließlich in dem Zimmer erschossen, wo heute die entscheidenden Stunden des gescheiterten Attentats multimedial dokumentiert sind. Mehr Geschichtsvermittlung am authentischen Ort ist kaum vorstellbar. Die Investitionen von knapp vier Millionen Euro sind bestens angelegt. Das Geld kam aus dem Etat der im Kanzleramt angesiedelten Staatsministerin für Kultur und Medien und aus Lotterie-Einnahmen des Landes Berlin.

Multimediale Annäherung: Flugblätter und Portraitbilder der studentischen Widerstandsgruppe "Weiße Rose".
Multimediale Annäherung: Flugblätter und Portraitbilder der studentischen Widerstandsgruppe "Weiße Rose".Bild: 2014 Gedenkstätte Deutscher Widerstand / Foto: Georg Engels, Braun Engels Gestaltung (Ulm)

Für das moderne Ausstellungskonzept zeichnet die Architektin Ursula Wilms verantwortlich. Von ihr stammt auch die Gestaltung der "Topographie des Terrors". Das Gelände mit den Folterzellen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) ist nur wenige Kilometer von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand entfernt. Mit der neuen Dauerausstellung in deutscher und englischer Sprache ist ein bedeutender historischer Ort Berlins nun in jeder Hinsicht auf dem neusten Stand. Gedenkstätten wie diese seien geeignet, "die Sinne zu schärfen", sagte Angela Merkel. Die Bundekanzlerin meinte das mit Blick auf die deutsche Geschichte. Es gilt unter dem Eindruck der runderneuerten Ausstellung auch im ästhetischen Sinne.