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Meier: "Wille zur Einigung ist da"

Hans Spross4. März 2015

Die Atomgespräche mit dem Iran gehen ungeachtet der Kritik durch Israels Regierungschef Netanjahu weiter. Die Chancen für einen erfolgreichen Abschluss haben sich verbessert, sagt Experte Oliver Meier im DW-Gespräch.

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Schweiz Atomgespräche USA - Iran in Montreux
Bild: Reuters/E. Vucci

Deutsche Welle: Wie sehen Sie die Chancen für einen erfolgreichen Abschluss der Atomgespräche mit dem Iran bis zur anvisierten Frist Ende Juni dieses Jahres?

Oliver Meier: Die Chancen, dass es bis Ende Juni zu einem Ergebnis mit ausverhandelten Details kommen wird, haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten verbessert. Das liegt zum einen daran, dass der Iran seine Verpflichtungen gemäß dem Rahmenabkommen vom November 2013 einhält. Außerdem haben beide Seiten sich offensichtlich, soweit man das von außen beurteilen kann, in einigen noch strittigen Fragen angenähert. Es ist bei den wichtigen Beteiligten der Wille erkennbar, bis zum Sommer ein solches Abkommen auszuverhandeln. Auch die Äußerungen Obamas vor dem Besuch Netanjahus in Washington haben deutlich gezeigt, dass dieser Wille vorhanden ist.

Was sind die Mindestanforderungen der internationalen Gemeinschaft, damit das Abkommen unterzeichnet werden kann?

Obama hat es auch noch mal klar gesagt: Man will zum einen sicherstellen, dass der Iran mindestens ein Jahr Zeit benötigen würde, um eine signifikante Menge von waffenfähigem Spaltmaterial herzustellen, das zum Bau einer Atombombe benötigt würde. Zum anderen wird man die Inspektionen so gestalten wollen, dass man eine hohe Sicherheit hat, mögliche geheime Anlagen des Iran zu entdecken, und das auch über mehrere Jahre so festschreiben. Die Forderung Obamas nach einer mindesten zweistelligen Laufzeit eines solchen Abkommens ist im Übrigen nicht neu, sie wurde auch im vergangenen Jahr schon erhoben.

Porträt - Dr. Oliver Meier (Foto: SWP)
Dr. Oliver Meier ist Experte für Rüstungskontrolle und Sicherheitspolitik bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)Bild: SWP

Inwiefern spielt die Frage der Sanktionen gegen den Iran in die Verhandlungen hinein?

An der Frage "Aufhebung oder Suspendierung der Sanktionen?" hakt es zurzeit, denn die iranische Seite will möglichst schnell die Aufhebung der Sanktionen. Da sind die Möglichkeiten des Westens, insbesondere der USA beschränkt, weil der Kongress in einigen Fällen zustimmen müsste. Man will die Sanktionen zunächst suspendieren, um die Möglichkeit zu haben, sie wieder zu verhängen, wenn sich bei der Umsetzung des Abkommens Probleme ergeben sollten.

Könnte ein Abkommen an der Frage der Sanktionen scheitern?

Die Möglichkeit besteht durchaus. Die Frage ist seit langem strittig und für den Iran hängt da viel dran. Aber es gibt hier Spielräume, die dipolomatisch ausgeschöpft werden können. Es gibt ja nicht nur amerikanische Sanktionen, sondern auch solche der EU, die sie aufheben kann, und es gibt auch Sanktionen der UN. Aus diesen sehr unterschiedlichen Sanktionen könnte man ein Paket schnüren, das es beiden Seiten ermöglichen würde, gesichtswahrend herauszukommen und insbesondere dem Iran mit hinreichender Sicherheit garantiert, dass auch wichtige Sanktionen zeitnah aufgehoben werden.

Das ist ein sehr schwieriges Thema, vor allem auch wegen des langen Zeitraums. Der Iran befürchtet, dass sich durch einen Regierungswechsel in den USA deren Politik ändern könnte. Wenn also Präsident Obama Sanktionen nur suspendiert aber nicht aufhebt, kann ein Nachfolger die Sanktionen auch wieder in Kraft setzen, und diese Unsicherheit möchte der Iran natürlich so weit wie möglich minimieren.

Wo liegen die beiden Seiten außerdem noch auseinander?

Die Positionen liegen noch in der Frage auseinander, wie lange und in welchem Umfang der Iran seine Anreicherungskapazitäten beschränken muss. Die USA haben hier noch einmal eine klare Vorgabe gemacht mit dieser Vorwarnzeit von einem Jahr, das gibt eine gewisse Obergrenze vor. Allerdings fließen in diese Größe "Anreicherungskapazität" viele Variablen ein, mit denen dann auch wieder Diplomaten arbeiten können. Es geht z. B. nicht nur um eine Reduzierung der Anzahl der Zentrifugen, also um die 10.000, die derzeit im Iran angereichertes Uran produzieren, es geht auch um die Kapazität der Zentrifugen, um die Qualität des spaltbaren Materials, das im Iran gelagert wird und ob es etwa in Russland zu Brennstäben verarbeitet werden könnte. Es gibt also viele Stellschrauben, an denen man drehen kann, um die geforderte Vorwarnzeit von einem Jahr zu erfüllen.

Wird der Iran die geforderten scharfen Kontrollen durch die Internationale Atomenergieorganisation akzeptieren?

Der Iran hat schon jetzt Kontrollen akzeptiert, die über das hinausgehen, was von anderen Nicht-Atomwaffenstaaten im Atomwaffensperrvertrag (dessen Mitglied Iran ist) gefordert wird. Es ist davon auszugehen, dass zumindest für die Laufzeit eins solchen Abkommens solche zusätzlichen Kontrollen durchgeführt werden. Das hat der Iran aus meiner Sicht implizit akzeptiert. Auch Präsident Rohani hatte schon im Wahlkampf erklärt, dass die internationale Gemeinschaft berechtigterweise zusätzliche Transparenz fordert. Es stehen sich hier also keine grundsätzlichen Differenzen gegenüber, sondern es geht eher darum, wie man das im Detail ausgestaltet.

Sind Netanjahus Befürchtungen über einen nuklear bewaffneten Iran aus der Luft gegriffen?

Nein, aus der Luft gegriffen sind sie nicht, denn der Iran hat in der Tat über viele Jahre getäuscht und getrickst. Aber der Ansatz, den Netanjahu verfolgt, ist ein grundsätzlich anderer als derjenige, der in den internationalen Gesprächen mit dem Iran verfolgt wird. Netanjahu argumentiert, dass man zum Maßstab eines solchen Abkommens auch eine politische Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit des kontrollierten Staates, in diesem Fall Irans, machen muss. Das ist allerdings kein Ansatz, den man in einem solchen multilateralen Abkommen anlegen kann. Letztendlich muss man hier technische Maßstäbe anlegen, die für alle gleichermaßen gelten.

Der Iran wird natürlich für die Laufzeit eines solchen Abkommens zusätzliche Beschränkungen und Verifikationsmaßnahmen akzeptieren müssen. Aber genauso klar ist, dass er am Ende der Laufzeit eines Abkommens in einigen Jahren allen anderen Nicht-Atomwaffenstaaten innerhalb des Sperrvertrags gleichgestellt wird. Und da sagt Netanjahu, man könne dem Iran überhaupt nicht trauen und müsse deswegen über Druck darauf hinwirken, dass der Iran überhaupt keine Kapazitäten hat, um spaltbares Material herzustellen. Das ist, wie gesagt, ein grundsätzlich anderer Ansatz, als er in den internationalen Verhandlungen mit dem Iran verfolgt wird.