1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mehr Geld für Contergan-Opfer

Bettina Marx14. März 2013

Höhere Renten und mehr Geld für Sonderausgaben - so will der Deutsche Bundestag den Contergan-Opfern helfen. Denn sie leiden inzwischen unter den Spätfolgen ihrer schweren Missbildungen und Schädigungen.

https://p.dw.com/p/17xjB
Das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan. Foto: DPA
Bild: picture-alliance/dpa

Vor rund 53 Jahren wurden sie geboren: Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft das damals als harmlos eingestufte Schlafmittel Contergan eingenommen hatten. Sie kamen mit schweren körperlichen Missbildungen und organischen Schäden zur Welt. Heute leben noch 2700 der ursprünglich etwa 5000 deutschen Opfer, die unter den Folgen dieser Schädigungen leiden und auf Hilfe angewiesen sind. Weltweit waren rund 10.000 Babys betroffen. Der Alltag der Überlebenden ist geprägt von körperlicher Überlastung, ständigen Schmerzen und Depressionen.

Bei der ersten Beratung der Gesetzesnovelle zum Contergan-Stiftungsgesetz im Deutschen Bundestag sprachen sich Redner aller Fraktionen dafür aus, die Renten für die Geschädigten von derzeit maximal 1.152 Euro auf maximal 6.912 Euro zu erhöhen. Dafür sollen jährlich 90 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Weitere 30 Millionen Euro sind für die Deckung spezifischer Bedarfe vorgesehen, die unbürokratisch und ohne großen Aufwand ausgezahlt werden sollen.

Unbürokratische Hilfe

Das Gesetz, das parteiübergreifend von CDU/CSU, FDP und SPD eingebracht wurde, soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden und rückwirkend zum 1. Januar gelten. "Wir wollen dem individuell Betroffenen so gut wie möglich helfen", sagte Familienministerin Kristina Schröder und ihre Fraktionskollegin Dorothee Bär ergänzte, dass man größtmögliche Einzelfallgerechtigkeit erreichen wolle.

Die FDP-Abgeordnete Nicole Bracht-Bendt erklärte, man wolle den Geschädigten helfen, auch im fortgeschrittenen Alter ein selbstbestimmtes Leben zu führen. "Ein erheblicher Teil der Betroffenen ist in der gesundheitlichen Verfassung eines 70- bis 80-jährigen und die Hälfte von ihnen ist rund um die Uhr pflegebedürftig", sagte sie. Nicht nur die Geschädigten selbst, auch ihre Angehörigen würden älter und seien vielfach nicht mehr in der Lage zu helfen. Auch ihnen werde mit der Erhöhung der Rentenzahlungen an die Contergan-Opfer geholfen.

Studie belegt Spätfolgen

Eine Studie der Universität Heidelberg, die vom Bundestag in Auftrag gegeben wurde, belegt, dass die meisten Contergan-Opfer durch die jahrelange Fehl- und Überbelastung von Wirbelsäule, Hüfte und Zähnen an schweren Verschleißerscheinungen leiden. Sie benötigen daher verstärkte medizinische, pflegerische und unterstützende Hilfe.

Eon Contergan-geschädigter Mann ohne Arme bedient einen Parkscheinautomaten mit dem Fuß Foto: Markus Hauschild/Bundesverband Contergangeschädigter e. V.
Schwieriger Alltag für Contergan-GeschädigteBild: Markus Hauschild/Bundesverband Contergangeschädigter e. V.

Die SPD-Politikerin Christel Humme rief die Firma Grünenthal, die Contergan im Jahr 1957 auf den Markt gebracht hatte, dazu auf, zusätzliche Gelder zur Verfügung zu stellen. Im Jahr 1971 hatte das Unternehmen im Rahmen eines Vergleichs 110 Millionen DM in den deutschen Conterganfonds eingezahlt. Damit erloschen alle rechtlichen Ansprüche an den Pharmahersteller. Die Verantwortung für die Renten der Contergan-Geschädigten liegt seither bei der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 2009 zahlte Grünenthal freiwillig noch einmal 50 Millionen Euro in den Stiftungsfonds ein.

Der Linken-Abgeordnete Ilja Seifert forderte eine Entschuldigung des Pharmaunternehmens und der Eigentümerfamilie Wirtz. Auch der deutsche Staat müsse sich bei den Contergan-Opfern entschuldigen.