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Bits für Buir

Stefan Rheinbay17. Oktober 2013

Internet für alle? Nicht so in ländlichen Gebieten. Selbst im hochtechnisierten Deutschland ist schnelles Internet nicht so selbstverständlich wie man glaubt. Im Eifeldorf Buir hilft man sich selbst.

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Blick auf Buir (Foto: Gemeinde Nettersheim)
Internetwüste Eifel: Ein Blick auf das Dörfchen BuirBild: Gemeinde Nettersheim

Morgenidylle in Buir: Die Sonne ist eben aufgegangen, der Tau glitzert auf den grünen Wiesen. Malerisch schmiegt sich das kleine Örtchen an die sanften Hügel der Nordeifel. Man ist hier mitten in der Natur, hat aber auch bei Bedarf eine schnelle Anbindung an die Autobahn.

Schnell - das gilt hier nicht für die modernen Kommunikationswege: Die Internetverbindung gleicht in Buir einem holprigen Feldweg: Daten können darüber kaum verschickt werden, das Laden einfachster Seiten ist eine zähe Geduldsprobe, an Onlinebanking ist hier kaum zu denken.

Breitbandversorgung kein Grundrecht

Erst im Februar 2013 hatte der Bundesgerichtshof den freien Netzzugang zum Grundrecht erklärt. Allerdings hat er dabei nicht festgelegt, wie schnell die Verbindung ins Internet sein sollte. So ist eine schnelle Breitbandverbindung in manchen Regionen Deutschlands Glücksache - oder liegt im Ermessen des Anbieters. Im Fall Buir ist es die Deutsche Telekom - und die verlegt eine Glasfaserleitung für schnelle Verbindungen nur dann, wenn es für sie rentabel ist. In Buir mit seinen übersichtlichen 230 Einwohnern lohnt sich das für das Unternehmen offenbar nicht.

Die Bürger sehen das natürlich anders und nehmen nun die Sache selber in die Hand: Jeden Samstag treffen sich die Männer morgens um acht auf dem Dorfplatz, mit Spitzhacke und Schaufel bewaffnet, zum Dienst an der Dorfgemeinschaft. Sie graben einen Schacht - für das Kabel: Die Telekom hat sich immerhin bereiterklärt, ein Glasfaserkabel zu verlegen, wenn ein Schacht vorhanden ist. Und das ist dringend notwendig, denn ohne Internet wird auch das schönste Dorf unattraktiv: "Es ist kurz vor 12," sagt Ortsvorsteher Michael Joepen, "uns laufen die Leute davon!"

Ortsvorsteher Michael Joepen (Foto: Stefan Rheinbay)
Auf der Karte wird studiert, wolang die Leitungen führen müssenBild: Stefan Rheinbay

Solidarität aus dem Nachbardorf

Die Bürger im benachbarten Frohngau mussten nicht selber graben: Immerhin waren es hier 413 Menschen, die das Telekommunikationsunternehmen um Breitbandversorgung gebeten hatten. Das Kabel kam tatsächlich Anfang 2013. Jetzt unterstützen sie die Bürger von Buir: Gemeinsam arbeiteten sie zwei Monate lang an einer Verbindung zu ihrem Glasfasernetz, entlang der Bundesstraße und jeder von seinem Ortszugang aus. Im Frühjahr ging es los, Anfang Juli haben sie sich in der Mitte getroffen. Jetzt muss eigentlich nur noch von der Bundesstraße ein Schacht zum Dorfplatz in Buir gegraben werden. Allerdings sind das 550 Meter durch harten Asphalt. Zwar stellt die Gemeinde einen Bagger zur Verfügung, entlang der engen Dorfstraße lässt er sich aber kaum einsetzen.

"Das ist harte Arbeit", sagt der 40-jährige Peter. Er ist eigentlich Informatiker, aber jetzt steht er bis zum Hals im feuchten Graben. "Die meisten von uns sind solche Arbeit nicht gewohnt."

Sorgen um die Zukunft des Dorfes

"Wir haben eine beschleunigende Landflucht", sagt Ortsvorsteher Joepen, der die Arbeiten koordiniert, "und dazu kommt noch der demographische Wandel. Wenn keine jungen Leute mehr kommen, dann stirbt auch das Dorfleben."

Viele Häuser stehen im hübschen Eifelörtchen leer und reichlich Bauland wartet noch auf Käufer. "Wir haben günstige Immobilien und Bodenpreise und den wunderbaren naturnahen Lebensraum", schwärmt der Ortsvorsteher. "Für Kinder ideal. Aber die Kinder werden auch älter: Dann wollen sie Internet."

Der 70-jährige Ewald braucht kein Internet. Der Rentner besitzt gar keinen Computer. "In meinem Alter hat man schon mit einem Taschenrechner Probleme", erzählt er. Trotzdem bearbeitet er seit Monaten allsamstags mit seinen Mitbürgern den harten Asphalt. "Man muss an die Zukunft des Ortes denken", sagt Ewald und schwingt die Spitzhacke, "außerdem stärkt es die Dorfgemeinschaft".

Aufgeschnittenes Glasfaserkabel (Foto: dpa)
Glasfaserkabel übertragen enorm viel Information innerhalb von kürzester ZeitBild: picture-alliance/dpa

Auch der Steuerberater aus dem Dorf hat großes Interesse daran, dass das schnelle Netz auch nach Buir kommt. Er hat schon Mandanten verloren, weil er größere Daten per Mail weder versenden noch erhalten kann. Und an der Tankstelle im Ort bilden sich regelmäßig lange Warteschlagen wenn jemand mit Karte bezahlt.

Deutschland im internationalen Vergleich weit abgeschlagen

Im europäischen Vergleich ist Deutschland heute weit abgeschlagen. Selbst Rumänien, Bulgarien und Griechenland haben eine bessere Breitbandversorgung. "Wir werden in den nächsten Jahren zielbewusst das schnelle Internet ausbauen", versicherte unlängst die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das "Projekt 2016" verspricht jedem Bürger eine mobile Breitbandverbindung in den nächsten drei Jahren.

Derzeit leben aber noch rund eine Million Haushalte im digitalen Niemandsland, in ländlichen Regionen wie beispielweise dem Hochsauerlandkreis. Auch dort half man sich selbst und errichtete auf Eigeninitiative ein DSL-Richtfunknetz. Über Sendemäste können dort jetzt Datenströme bis ins entlegenste Dörfchen geschickt werden.

Buirer Bürger mit Bagger (Foto: Stefan Rheinbay)
Bis zum Glasfaserkabel müssen die Buirer Bürger noch viele Kilometer grabenBild: Stefan Rheinbay

In Buir hat man sich für eine Glasfaserleitung entschieden, deshalb wird hier jetzt weitergebuddelt, so wie die vergangenen Samstage und alle weiteren in diesem Jahr, wenn das Wetter mitspielt. Im Januar sollen die Leerrohre im Schacht verlegt sein, dann muss die Telekom das Kabel einziehen.

Noch liegt die Hauptleitung an der Bundesstraße aber in weiter Ferne, erst ein magerer Meter ist hier an der Baustelle am Dorfplatz bisher geschafft. Außerdem ist gerade am steinigen Boden eine Spitzhacke abgebrochen. Rentner Ewald nimmt's gelassen: "Das sind wir gewohnt", sagt er augenzwinkernd, "deshalb sind wir hier in der Eifel ja auch steinreich!"