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Schwanger mit 65

Sabrina Pabst 14. April 2015

Mit 65 Jahren ist eine Berlinerin schwanger - mit Vierlingen. Mehrlingsgeburten sind für junge Frauen schon hochriskant, im fortgeschrittenen Alter aber lebensbedrohlich - für Mutter und Kinder. Mediziner sind entsetzt.

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Auf einer Säuglingsstation stehen aufgereiht zehn Betten mit Neugeborenen. Eine Kinderkrankenschwester versorgt eins der Babys. (Foto: picture alliance/ZB)
Bild: picture alliance/ZB

"Mich macht es tief betroffen, dass Medizin - bloß weil es machbar ist - solche Schwangerschaften hervorrufen kann. Dafür fehlt mir als Arzt jedes Verständnis", sagt Professor Frank Louwen gegenüber der Deutschen Welle. Der Leiter der Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Universitätsklinik Frankfurt und viele weitere Mediziner sind entsetzt über die Schwangerschaft einer 65-jährigen Berlinerin. Im Sommer soll sie Vierlinge zur Welt bringen. "Wir reden darüber, dass Kinder gezeugt werden. Dieses wunderbare Phänomen wird eingereiht in einen Wettbewerb, wie alt die älteste Mutter werden kann. Das ist furchtbar", so Louwen.

Wettlauf gegen die Natur

Bereits 2005 sorgte die heute 13-fache Mutter für Schlagzeilen. Damals brachte sie im Alter von 55 Jahren ein Mädchen zu Welt. Zehn Jahre später fordert sie erneut ihr Glück heraus. Weil eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg nicht mehr möglich war, soll sie sich in den vergangenen Jahren mehrfach im Ausland künstlich befruchten lassen haben. Die Berlinerin ist alleinerziehend und hat keinen Lebenspartner. Durch die Hormonumstellung bei älteren Frauen nimmt ihre Fruchtbarkeit ab. Ihre Eierstöcke produzieren keine Eizellen mehr. Aus diesen Gründen war die Berlinerin sowohl auf Samen- als auch auf Eizellenspenden angewiesen. Durchgeführt wurde der Eingriff in Osteuropa.

Es sei unverantwortlich, eine Frau in diesem Alter einer solchen Therapie auszusetzen. Sie künstlich mit Hormonen in die Situation zu bringen, dass sie erneut schwanger werden kann, sei wider die Natur und lebensgefährlich - für Mutter und Kinder, meint Louwen. "Schon eine Eizellspende für sich genommen, birgt hohe Risiken für Mutter und Kinder. Doch diese Kombination aus Samen- und Eizellspende ist aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar." Mehrlingsgeburten sind überwiegend Frühgeburten, bei denen spätere Folgen und Behinderungen unterschiedlich schwer ausgeprägt sein können.

Unter dem Mikroskop wird eine Eizelle außerhalb befruchtet. (Foto: picture-alliance/dpa)
Befruchtung im Reagenzglas - in Deutschland nur mit einer Samenspende erlaubtBild: picture-alliance/dpa

"Wir dürfen nicht nur über die Lebensplanung und die Wünsche der Mutter, sondern müssen über das Kindeswohl sprechen", betont Jochen Vollmann gegenüber dem ndr-Inforadio. Der Leiter des Instituts für medizinische Ethik und Geschichte der Medizin an der Ruhr-Universität Bochum sagt: "Eine Vierlings-Schwangerschaft ist auch bei jüngeren Frauen eine Risikoschwangerschaft. Es ist nicht selten, dass ein Teil der Vierlinge mit lebenslangen gesundheitlichen Einschränkungen und Behinderungen zur Welt kommen", meint Vollmann.

Verantwortung für ihre Kinder

Alle reproduktiven Verfahren sind in Europa unterschiedlich gesetzlich geregelt. In Deutschland gibt es das Embryoschutzgesetz. Die Eizellspende, auch Eizelltransplantation genannt, ist verboten, wenn die Eizelle nicht der Frau transplantiert wird, von der die Eizelle tatsächlich stammt. Auch die Beihilfe zu einer Spende, etwa wenn ein Arzt an Spezialisten im Ausland vermittelt, ist strafbar.

Eine kombinierte Samen- und Eizellspende ist eine Konstellation, die in Deutschland aus ethischen und moralischen Gründen nicht erlaubt ist. Aus gutem Grund, wie Jochen Vollmann findet: "Wir wissen, dass Kinder, die sehr glücklich mit ihren sozialen Eltern aufwachsen, im höheren Alter ein tiefes menschliches Bedürfnis nach ihrer genetischen Herkunft entwickeln." Wenn die Kinder also das Bedürfnis haben, ihren genetischen Vater und ihre genetische Mutter kennenlernen zu wollen, müsste sichergestellt sein, dass dies bei einer künstlichen Befruchtung von ausländischen Spendern möglich ist, so der Ethiker weiter.

Eine späte Schwangerschaft ist also sowohl für die heranwachsenden Kinder als auch für die physische und psychische Gesundheit der Mutter ein großes Risiko. Trotzdem gibt es medizinische Hilfe, Mutter Natur beim Kinderwunsch auf die Sprünge zu helfen. Sollte es denn eine Altersbegrenzung für künstliche Befruchtungen geben? Nein, meint Jochen Vollmann. "Der Fall [der Berlinerin] ist deshalb so interessant, weil er ein Extrem einer generellen Tendenz aufzeichnet", meint der Ethiker. Mütter würden älter, weil sich bei vielen Frauen erst im höheren Alter der Kinderwunsch festige. Der stünde mit Karriereplanung und Partnersuche in einem Spannungsverhältnis zur biologischen Situation der Frau, meint Vollmann. "Die Medizin hat schon durch die künstliche Befruchtung massiv eingegriffen, indem die Frauen den Kinderwunsch herausschieben können." Wie lange dies möglich ist, sei eine Frage des Maßes, so Vollmann. "Bei diesem Maß muss man eine moralische Güteabwägung der Beteiligten machen und dort steht das Kindeswohl im Mittelpunkt."