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Maßgeschneiderte Bereicherung der Familie Ben Ali

Sarah Mersch23. April 2014

Gesetze nach Wunsch der Machthaber, Profite zu Lasten der Bevölkerung: So hat sich der Clan um Ben Ali bereichert. Eine Studie der Weltbank analysiert, wie es in Tunesien dazu kommen konnte.

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Der ehemalige tunesische Diktator Zine El Abidine Ben Ali (Foto: dpa)
Zine el Abidine Ben Ali wurde 2011 gestürztBild: picture-alliance/dpa

Mehr als ein Fünftel der Profite des tunesischen Privatsektors gingen an die Familie des ehemaligen Machthabers Zine el Abidine Ben Ali. Das ist das Ergebnis einer Studie mit dem bezeichnenden Titel "Alles in Familienhand" ("All in the family"), die die Weltbank kürzlich veröffentlicht hat. Wie kann ein Diktator so viel Geld an sich reißen? Die Studie analysiert das am Beispiel Tunesiens - doch ähnliche Strukturen existieren weltweit, sagt Weltbank-Ökonom Antonio Nucifora, der zu den Autoren der Studie gehört.

220 Firmen, die nach dem Umsturz in Tunesien im Januar 2011 unter Treuhand des Staates gestellt wurden, haben die Verfasser der Studie analysiert. Indem sie sich auf sehr profitable Sektoren konzentriert haben, gelang es den Mitgliedern der Familie des Diktators, mit einem Beschäftigtenanteil von nur einem Prozent ganze 21 Prozent der Gewinne im Privatsektor zu erzielen. Telekommunikation, Transport und Immobilien lagen fest in Hand der Familie, die die Preise nach Gutdünken festlegte, so die Weltbank-Studie.

Dekrete im Sinne der Machthaber

"So sind Monopolstrukturen entstanden und die Firmen waren hochprofitabel", erklärt Antonio Nucifora. Auf 13 Milliarden US-Dollar - rund ein Viertel des tunesischen Staatshaushalts - schätzt die tunesische Regierung das Vermögen, das die Familie Ben Alis am Ende seiner Herrschaft besaß.

Weltbank-Vertreter Antonio Nucifora (Foto: privat)
Nucifora: "Rückfall in alte Strukturen nicht ausgeschlossen"Bild: Antonio Nucifora

Dies ging zu Lasten der Bevölkerung, denn in vielen Fällen war es schlicht nicht möglich, den Alltag zu bestreiten, ohne bei "der Familie" zu konsumieren. "Im engeren Sinne hat die Familie dabei nicht illegal gehandelt", so Nucifora. "Ben Ali und seine Großfamilie haben bestehende Regulierungen nur geschickt für sich genutzt." Das 1993 verabschiedete Investitionsgesetz war allerdings maßgeschneidert auf die Interessen des Clans. 25 neue Dekrete wurden im Sinne der Machthaber erlassen, die neuen Firmen den Marktzugang erschwerten. Der Öffentlichkeit wurden sie als Maßnahmen zum Schutz der Konsumenten verkauft.

Ein Antriebsfaktor des politischen Umbruchs

Die daraus resultierende Spaltung der Gesellschaft in Personen, die Zugang zur Wirtschaft hatten, und die große Masse, war ein entscheidender Faktor, der zum politischen Umbruch im Land geführt hat, glaubt der Wirtschaftswissenschaftler Nucifora. Die Maßnahmen, die es Ben Ali erlaubt haben, sich zu bereichern, existierten auch weiterhin in Tunesien: Ein Rückfall in alte Strukturen sei also nicht ausgeschlossen, so Nucifora.

Doch Wided Bouchamaoui, Chefin des tunesischen Unternehmerverbands, warnt davor, deswegen alle erfolgreichen Unternehmer unter Generalverdacht zu stellen: "Ben Ali ist ein Teil unserer Geschichte, den wir akzeptieren müssen." Jetzt sei es wichtig, konstruktiv zu sein und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Proteste gegen Ben Ali in Tunesien im Jahr 2011 (Foto: dpa)
Im Januar 2011 lehnte sich das Volk gegen Ben Ali aufBild: picture-alliance/dpa

"Generelles Problem im arabischen Raum"

Doch Tunesien ist nicht alleine, auch in anderen Ländern der Region, in denen in den letzten Jahren die Bevölkerung gegen die Machthaber aufbegehrt hat, existieren ähnliche Strukturen. "Das ist ein generelles Problem im arabischen Raum", betont Antonio Nucifora.

"Nepotismus und Eliten, die davon profitieren, gibt es in vielen Ländern - weltweit. In Russland und der Ukraine zum Beispiel sieht es ähnlich aus", so der Ökonom. Selbst die Ölbarone in den USA der 1920er Jahre hätten auf ähnliche Maßnahmen zurückgegriffen wie Ben Ali fast ein Jahrhundert später. Die Weltbank, kündigte Nucifora an, werde voraussichtlich im Juni eine Studie zu ähnlichen Wirtschaftsstrukturen in anderen Ländern des arabischen Raums veröffentlichen.