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Marthaler: "Quantencomputer noch weit weg"

Fabian Schmidt4. Januar 2014

Es ist zwar schon im Labor geglückt, mit Quantencomputern komplexe Rechenaufgaben zu lösen. Bis die Technik zuverlässig einsatzbereit ist, können aber noch viele Jahrzehnte vergehen, sagt Physiker Michael Marthaler.

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Quantenbit (Foto/Grafik: Uni Bochum)
Bild: CNRS Alpes/service communication/Laurant Revellin-Falcoz

DW: Was unterscheidet einen Quantencomputer von meinem PC zuhause?

Michael Marthaler: Im klassischen Computer ist die Grundeinheit der Bit. Der Bit kann die Zahlen 0 oder 1 annehmen. In einem Quantencomputer besitzen Bits mehrere Zustände gleichzeitig. Damit können Bits viel mehr Informationen in sich tragen und unglaublich viele Rechenoperationen parallel durchführen.

Das Problem ist: Am Schluss muss ich meine Bits wieder auslesen. Dabei erhält man - wie bei einem herkömmlichen Computer - wieder ausschließlich Einsen und Nullen. Alle Quanteninformationen gehen dabei verloren. Deshalb ist ein Algorithmus notwendig, der die wichtigen Informationen doch noch rettet. Aber der ist extrem kompliziert zu finden.

Ist es denn schon geglückt?

Ja, das ist schon geglückt. Der erste Algorithmus, der gezeigt hat, wie das genau funktionieren soll, ist schon 1994 von Peter Shor publiziert worden. Er hat gezeigt, wie man eine Primzahl-Zerlegung machen kann. Und das hat immense Konsequenzen für Fragen der Krypografie (Anm.d.Red.: Wissenschaft der Verschlüsselung von Informationen).

Michael Marthaler, Physiker am Karlsruher Institut für Technologie (Foto: Marthaler/KIT)
Michael Marthaler, Physiker am Karlsruher Institut für TechnologieBild: Michael Marthaler/KIT

Weshalb ist gerade eine Primzahlzerlegung so interessant?

Wenn ich heute einen digitalen Schlüssel herstelle, nehme ich zwei Primzahlen, multipliziere sie und die Zahl die dabei herauskommt, ist mein Schlüssel. Wenn ich die Zahl abfange, kann ich sie auch wieder in die zwei Primzahlen zerlegen. Aber es ist ein sogenanntes asymmetrisches Verfahren: Wenn ich einen Extra-Bit addiere, verdoppelt sich die Zeit, die ich auf einem klassischen Computer brauche, um das zu lösen.

Und wenn ich noch ein Bit addiere, verdoppelt sich die Zeit wieder. Und wenn ich noch einen Bit addiere, verdoppelt sie sich wieder und so weiter. Ich brauche also nur ganz wenige Bits zu addieren, um einen klassischen Computer auszubremsen. Egal, wie schnell ihr Computer ist: Wenn ich nur fünf oder sechs Bits addiere, dann ist es relativ schnell unmöglich, diesen Code in einer praktikablen Zeit zu knacken.

Peter Shor hat gezeigt, dass dies bei einem hypothetischen Quantencomputer anders ist. Das heißt: Wenn ich einen Bit zu meinem Schlüssel hinzufüge, kann ich diese Zerlegung trotzdem in einer nur minimal längeren Zeit machen. Ich brauche für die Primzahlzerlegung nicht sehr viel länger. Shor hat erstmals gezeigt, dass ein Quantencomputer erheblich schneller sein kann als ein klassischer Computer.

Gibt es denn schon nutzbare Quantencomputer?

Nein. Im Moment können wir höchstens 14 Quantenbits erzeugen, das ist das beste, was bislang erreicht wurde. Aber selbst da waren die Bits nicht voll nutzbar. Für einen universellen Quantencomputer, den wir für Kryptografiezwecke beziehungsweise für den Shor-Algorithmus bräuchten, brauchen wir etwa zehn Millionen Bits. Im Moment ist nicht absehbar, wann es so weit sein wird - in den nächsten zehn Jahren mit Sicherheit auf keinen Fall. Bisher ist es Forschung im akademischen Bereich.

Und warum ist es so schwer, Quantenbits zu erzeugen?

Weil man dazu ganz spezielle Systeme braucht. Zum Beispiel Atome, die mit Hilfe von Laserstrahlen in magnetischen Fallen festgehalten werden. Diese Atome haben bestimmte Schwingungs- oder Anregungszustände, die ich als quantenmechanisches Bit nutzen kann.

Das Schwierige dabei ist: Die einzelne Atome hängen sozusagen in der Luft. Und für jedes Atom brauche ich mehrere Laser. Wenn ich zehn Bits habe, brauche ich schon einen ganzen Raum voller Laser.

Es gibt auch darüber hinaus noch unglaublich viele weitere Ideen, wie der Quantencomputer auf dem Hardware-Level aussehen könnte. Aber bei allen gilt: Die Qualität des einzelnen Bits ist noch nicht ausreichend, dass wir hochskalieren könnten zu vielen Bits. Wir sind wirklich noch relativ weit entfernt von einem echten Quantencomputer.

Es gibt zwar eine Firma, die sehr stark bewirbt, dass sie einen Quantencomputer baut. Es ist aber ein Verfahren, dass sich auf keinen Fall dazu verwenden lässt, den Shor-Algorithmus laufenzulassen. Auch sind die quantenmechanischen Eigenschaften des Computers nicht wirklich stark. Es ist überhaupt nicht klar, ob dieser Computer für irgendwas verwendbar sein kann. Der wird zwar zum Verkauf angeboten. Wofür er verwendet werden kann, ist aber zurzeit unklar.

Dass Wissenschaftler weltweit am Quantencomputer arbeiten ist sicher richtig, aber das sind alles langfristige Forschungen, die für die nächsten 20 bis 30 Jahre ausgelegt sind. Ich denke, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass zeitnah ein Quantencomputer gebaut wird, der kryptografisch nutzbar ist.

Das Interview führte Fabian Schmidt.

Redaktion: Judith Hartl

Michael Marthaler forscht an supraleitenden Quantencomputern. Er ist tätig am Institut für Theoretische Festkörperphysik des Karlsruhe Instituts für Technologie (KIT).