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Marketingscherz oder Sportmärchen?

Olivia Gerstenberger12. Februar 2014

Fuahea Semi aus Tonga nimmt als erster Sportler seines Landes an Olympischen Winterspielen teil und opfert dafür sogar seinen Namen. Tipps holt er sich von Rodel-Olympiasieger Felix Loch.

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Bild: Getty Images

"Vielleicht ist es etwas verrückt. Aber ich habe bewiesen: Es ist egal, woher du kommst oder ob es in deinem Land Schnee oder hohe Berge gibt - wenn du ein Ziel hast, kämpfe dafür." Glücklich berichtet der erste und einzige tongaische Rodler von seiner Olympiapremiere. So ganz fassen kann er es noch nicht. 32. ist er geworden, sieben Starter waren langsamer als er. Für den 26-Jährigen ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Es ist ein Traum, für den Fuahea Semi sogar seinen Namen geopfert hat. Denn heute heißt er ganz offiziell Bruno Banani. Wie sein Sponsor, eine deutsche Modefirma.

Es klingt zunächst wie ein Märchen: Die Prinzessin Tongas hatte den großen Wunsch, einen Sportler zu den Olympischen Winterspielen zu schicken und wendete sich an eine amerikanische Marketingagentur. Diese veranstaltete ein Casting und kam auf die Idee, den Namen des Siegers zu ändern, um einen Sponsoren zu finden, der den teuren Sport finanziert. Die Modefirma war begeistert. Das IOC, das die Geschichte erst spät erfuhr, weniger. Doch da war der Name in den Urkunden bereits geändert und der Sportler hatte sich regulär qualifiziert.

"Es ist ja nur ein Name"

Er habe seinen Namen geändert, weil er das Geld für den Sport gebraucht habe, erklärt Banani heute lapidar. Tonga hätte das waghalsige Experiment nie bezahlen können. Doch erst als seine Eltern einverstanden waren, stimmte auch er zu. "Sie waren einverstanden, weil sie mir das Beste für meine Zukunft wünschten. Es ist ja nur ein Name. Die anderen respektieren mich dafür, was ich tue." Nun sei er ein Olympia-Teilnehmer. "Nicht wegen meines Namens, sondern weil ich mich sportlich qualifiziert habe." Seine Trainerin sieht das genauso. "Bruno ist ein extremes Sporttalent", sagt Isabel Barschinski.

"Ein nicht wiederholbares Experiment"

Die ehemalige Profi-Rodlerin hatte vor fünf Jahren einen Anruf von der Marketingfirma bekommen, weil dort eine Freundin arbeitete. "Ich wurde gefragt, was beim Rodeln wichtig ist, was man können muss und welche Ausrüstung man braucht." Von einer Olympiateilnahme sprach damals niemand. "Als ich hörte, dass das eigentlich das Ziel sein sollte, habe ich schon gedacht: Das ist ganz schön verrückt."

Sie erklärte sich bereit, ein Casting auf Tonga durchzuführen. 2008, kurz vor Weihnachten, testete sie 20 junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren. In den führenden Rodel-Nationen beginnen die Jüngsten allerdings schon mit zehn Jahren zu trainieren. "Das ist schon Wahnsinn. Es ist eine Sache, die man nicht wiederholen kann. Man kann jetzt nicht auf eine andere Insel gehen und sagen: Ich nehme mir da einen 20-Jährigen und gucke mal, ob er Rodeln kann." Einige Sportler seien dabei gewesen, die einfach mal nach Europa wollten, erzählt Trainerin Barschinski. "Das wusste ich schon, das wird schwierig." Nach einem grundlegenden Sporttest probierten sich die Kandidaten auf dem höchsten Hügel Tongas auf einem Sommerrodelschlitten mit Rädern. "Es war eher ein Hügelchen, es war nicht mal ein kleiner Berg", erinnert sich Barschinski lächelnd. Bruno war der beste. Und so zog er nach Deutschland.

Zum ersten Mal Schnee

Anfang 2009 sah der frisch gebackene Rodler von der südpazifischen Insel zum ersten Mal Schnee. "In Tonga ist das kälteste, was es gibt, der Kühlschrank. Es war sehr beeindruckend." So wie sein erster Rodelversuch. "Ich startete etwa von der Hälfte der Strecke aus. Ich war sehr nervös, weil ich nicht genau wusste, was mich erwartet. Aber als ich dann unten ankam, war ich sehr aufgeregt und glücklich", erzählt er. "Ich habe gedacht: Ich will höher und schneller fahren. Von da an wusste ich: Das ist der richtige Sport für mich."

Bruno Banani mit Mikrophon
Obwohl sportlich unter "ferner liefen", darf Bruno Banani in Sotschi viele Presse-Fragen beantwortenBild: picture-alliance/dpa

Neun Monate im Jahr verbrachte er nun in Deutschland, erst nach der Saison ging es nach Hause. Für Trainerin Barschinski wurde Bruno fast zum Ziehsohn. "Mir war es sehr wichtig, ihm nicht nur den Sport, sondern auch die Kultur nahezubringen. Er ist neun Monate im Jahr hier, ohne Familie und Freunde. Er ist in meine Familie aufgenommen worden, um ihm den Start einfacher zu machen."

Tipps vom Olympiasieger

Fünf Jahre lang trainierte er hart und mit den besten Rodlern der Welt: Felix Loch und Co.: "Als wir zusammen trainiert haben, habe ich ihn gefragt, wie er die Kurven nimmt und so. Er hat mir immer geholfen. Ich hatte sehr viel Glück, dass ich mit ihm trainieren durfte. Ich freue mich so für ihn. Er ist mein großes Idol."

Verarbeiten werde er das alles wohl erst später, sagt Bruno Banani. Eigentlich sei er mit Rang 32 nicht ganz zufrieden gewesen, zuvor hatte er noch mit dem 30. Rang geliebäugelt. Bis zum Ende der Spiele will er noch da bleiben. Eishockey will er sich noch anschauen, das hat er noch nie gesehen. Ob er in vier Jahren noch einmal im Rodelschlitten antritt, weiß er noch nicht, vielleicht probiert er eine andere Sportart aus, scherzt Bruno Banani. Sotschi kann ihm niemand mehr nehmen. Doch so ganz verabschieden will er sich noch nicht: "Als ich bei der Eröffnungsfeier einmarschiert bin, mit der Fahne in der Hand, da wusste ich: Das will ich wieder, hoffentlich darf ich das noch einmal machen."