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Mali kommt nicht zur Ruhe

Sarah Steffen7. Februar 2015

In Malis Norden ist auch zwei Jahre nach dem französischen Militäreinsatz noch kein Frieden eingekehrt. Kämpfe zwischen Tuareg-Rebellen und regierungstreuen Milizen halten das Land in Atem.

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Tuareg NMLA-Kämpfer im Norden von Mali (Foto: EPA/STR)
Bild: picture-alliance/dpa

Die jüngsten Gewaltausbrüche im Norden Malis geschahen in dem strategisch wichtigen Handelsknotenpunkt Tabankort: Dort lieferten sich diese Woche Tuareg-Rebellen und regierungstreue Milizen blutige Gefechte. In der vergangenen Woche hatten sich ebenfalls in Tabankort Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt.

Damit setzt sich eine beunruhigende Entwicklung fort: Ende Januar hatten Soldaten der UN-Militärmission MINUSMA sieben Aufständische in einem Jeep getötet. Die Truppe habe auf schweren Beschuss in Tabankort reagiert und zunächst Warnschüsse abgegeben, sagte ein Sprecher der UN. Die Tuareg-Rebellengruppe MNLA hingegen behauptet, die UN habe ohne Vorwarnung gefeuert. Damit habe die UN das Neutralitätsgebot verletzt, so die MNLA, und drohte, die nächsten Friedensverhandlungen mit der malischen Regierung platzen zu lassen.

Im 200 Kilometer entfernten Gao hatte eine wütende Menge die UN-Basis mit Steinen und Molotow-Cocktails angegriffen. Zuvor waren Pläne für eine Pufferzone bekannt geworden, die den Blauhelmen die alleinige Kontrolle über ein umkämpftes Gebiet gegeben hätten. Die UN antwortete mit Warnschüssen und Tränengas; mindestens drei Menschen starben.

Wer kämpft gegen wen?

Die Lage in Mali ist unübersichtlich. Im Fall von Tabankort stehen sich verschiedene Milizen gegenüber, die beide zum Nomadenvolk der Tuareg gehören, sagt Mali-Kenner Georg Klute, der afrikanische Ethnologie an der Universität Bayreuth lehrt. Tuareg-Rebellen, darunter die MNLA, die für einen eigenen Staat Azawad, zumindest aber für mehr Autonomie kämpfen, und sogenannte GATIA-Kämpfer, die sich auf die Seite der malischen Regierung geschlagen haben. Die GATIA (Groupe autodéfense touareg Imghad et alliés) hat sich erst Mitte 2014 gebildet. Sie rekrutierten ihre Anhänger vor allem aus der sozialen Schicht der früheren "Vasallen", erklärt Klute - einer gesellschaftlichen Schicht, die anderen Tuareg in der vorkolonialen Zeit untergeordnet war.

(Karte: DW)
Bild: DW

Neben persönlichen Auseinandersetzungen der verschiedenen Rebellenführer ist es aber vorwiegend ein wirtschaftlicher Aspekt, der den Konflikt befeuert: "In Tabankort kreuzen sich die Straßen, die durch die Wüste führen. Wer diesen Ort kontrolliert, kontrolliert eben auch Handelswege." Und durch Handel mit vor allem illegalen Produkten wie Drogen und Waffen lasse sich viel Geld machen.

Dazu kommt die Bedrohung durch die Islamisten, die die französische Armee vor zwei Jahren aus dem Norden zurückgedrängt hat. "Die Islamisten sitzen nicht mit am Verhandlungstisch, aber versuchen alles zu torpedieren", so Klute. Die Franzosen hätten sie zwar vertrieben, aber eben nicht komplett außer Landes getrieben. "Oder sie sind sie jetzt zurückgekehrt." Von Libyen her könnten die islamistischen Kämpfer jederzeit unbeobachtet ins Land. Es sei schwierig, die Stärke der unterschiedlichen Rebellengruppen genau zu beziffern, da sich Kämpfer aller Gruppierungen leicht mobilisieren lassen und ebenso schnell wieder verschwinden könnten.

Schwierige UN-Mission

Auch die etwa 10.000 Soldaten der MINUSMA können der Situation nicht Herr werden. "Das MINUSMA-Mandat ist kompliziert", erklärt Jean-Hervé Jezequel, Sahel-Analyst der International Crisis Group, der sich zur Zeit in Bamako aufhält. "Die Mission hat die Aufgabe, den malischen Staat dabei zu unterstützen, seine volle Souveränität wiederzuerlangen. Auf der anderen Seite hat MINUSMA auch die Aufgabe, die Friedensgespräche zu fördern, in denen der malische Staat nur ein Akteur ist. Es ist schwierig, beiden Rollen gerecht zu werden."

Bajan ag Hamatou (Foto: Mahaman Kanta)
Bajan ag Hamatou ist froh über ausländische Truppen in seiner RegionBild: DW/Mahaman Kanta

Dabei wird die MINUSMA auch selbst zum Ziel der Islamisten. Deswegen könne sie keinen Schutz für die Zivilbevölkerung bieten, meint Mali-Forscher Klute "Diese Angriffe auf die MINUSMA führen dazu, dass die Zivilbevölkerung sich von der MINUSMA entfernt, weil sie sagen: überall da, wo UN-Truppen sind, wird geschossen."

Gleichzeitig schotte sich die MINUSMA von der Zivilbevölkerung ab - aus Angst vor Attentaten.

"Die ausländischen Truppen sind in meiner Region, in Menaka, präsent, und ich kann mich nur darüber freuen", betont dagegen Bajan ag Hamatou, Parlamentssprecher und traditioneller Würdenträger der Tuareg.

Kaum Fortschritte in Friedensgesprächen

Die nächsten Friedensgespräche sind für den 8. Februar im benachbarten Algerien angesetzt. Algerien setzt sich sehr dafür ein, dass der Konflikt im Nachbarstaat geregelt wird - durchaus auch aus Eigeninteresse, so Klute. "Algerien hat auch eine Tuareg-Bevölkerung und möchte auf keinen Fall, dass auf malischer Seite so etwas wie ein Tuareg-Staat entsteht, weil der auch ganz sicher Auswirkungen auf die eigene Bevölkerung hätte." Außerdem hofft Algerien so auch, den Schmuggelhandel einzudämmen.

MINUSMA Soldaten UN Mission Mali (Foto: LIONEL BONAVENTURE/AFP/Getty Images)
Das Mandat der MINUSMA ist kompliziert, sagt JezequelBild: AFP/Getty Images

Doch Gespräche zwischen den Gruppen verliefen bisher eher zäh. "Die Friedensgespräche haben wenig Fortschritte gebracht, wenn überhaupt. Es hat ein Jahr gedauert, die Friedensgespräche überhaupt zu starten", sagt Sahel-Analyst Jezequel der DW. "Beide Parteien wollen der jeweils anderen Seite keine substantiellen Zugeständnisse erlauben." Darüber hinaus müssten endlich die Waffenstillstandsabkommen ernstgenommen werden.

Experten bringen auch die Möglichkeit von regionalen Referenden ins Spiel, in der jede Region über die Zugehörigkeit zu Mali abstimmen könnte. "Wahrscheinlich wird dabei rauskommen, dass Gao und Timbuktu bei Mali bleiben wollen; dass aber Kidal, die nördlichste der Regionen, für einen autonomen Status plädiert", vermutet Ethnologe Klute. Doch solch einem Referendum würde Malis Regierung sicherlich nicht zustimmen.