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Interview mit Annette Lohmann

Friederike Müller8. Januar 2013

Die Lage in Mali spitzt sich zu: Islamisten aus dem Norden rücken Richtung Süden vor. Annette Lohmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung erklärt im DW-Interview, wie sich die neuen Entwicklungen auf die Krise auswirken.

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Ansar Dine Kämpfer in Mali (Foto: Reuters)
Ansar Dine Kämpfer in MaliBild: REUTERS

Deutsche Welle: Bewaffnete Islamisten in Mali sind Richtung Süden vorgerückt. Geplante Vermittlungsgespräche zwischen der malischen Regierung und den Gruppen Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) und der "Befreiungsgruppe des Azawad" (MNLA) wurden verschoben. Welche Chancen gibt es noch für einen Dialog?

Annette Lohmann: Ich denke, es ist kein Zufall, dass diese Auseinandersetzungen jetzt begonnen haben. Die Rebellen testen die Armee und setzen damit auch die Verhandlungen und die Verhandler unter Druck. Sie haben den Preis für Frieden bereits im Vorfeld in die Höhe getrieben, indem gerade Ansar Dine neue Forderungen gestellt hat: Zum einen hat die Gruppe die Abkehr vom ursprünglich vereinbarten Ende der Feindseligkeiten verkündet. Zudem hat sich Ansar Dine nun auch der Forderung der MNLA nach Autonomie für den Norden angeschlossen. Zusätzlich möchte Ansar Dine dort auch noch die Scharia einführen und die laizistische Ausrichtung des malischen Staates aufgeben. Mit dem Vorrücken soll diesen Forderungen jetzt Nachdruck verliehen werden. Die malische Regierung hat immer gesagt - und daran hält sie fest - dass sie für einen Dialog offen ist, aber dass sie diesen nicht um jeden Preis führen wird. Ob es noch Spielräume gibt, wird man sehen.

Annette Lohmann, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mali (Foto: privat)
Annette Lohmann, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in MaliBild: privat

Werden die Gespräche überhaupt stattfinden?

Davon gehe ich aus. Aber welches Ergebnis sie haben werden, kann man nicht voraussagen.

Wie wird die neue Situation von der Bevölkerung in Mali aufgenommen?

Mehrere Menschen aus Mali demonstrieren in der Hauptstadt Bamako für die Einheit ihres Landes. Fotograf: Katrin Gänsler
Bewohner der Hauptstadt Bamako demonstrieren für die Einheit des LandesBild: Katrin Gänsler

Alle sind unglaublich müde und entnervt, dass die Krise nun schon so lange dauert, dass es nicht voran geht, sondern dass es im Gegenteil jetzt sogar diesen Rückschlag gibt. Zu dieser Müdigkeit kommt wachsende Unterstützung für ein militärisches Vorgehen im Norden – mit oder ohne internationale Hilfe.

Die Vereinten Nationen haben im Dezember grünes Licht für eine internationale Militärintervention gegeben. Damit ist aber voraussichtlich nicht vor Herbst zu rechnen. Ist das zu spät?

Es gibt durchaus Gründe, warum das vor Herbst 2013 nicht realistisch ist. Zum einen muss die malische Armee, die im Zentrum dieser Offensive stehen soll, ausgebildet werden. Hinzu kommen klimatische Bedingungen: Im Frühjahr wird die heißeste Zeit erreicht, danach kommt die Regenzeit. All das wird eine Militärintervention erschweren. Insofern ist es nachvollziehbar, von Herbst 2013 auszugehen. Aber es ist natürlich insofern ein Problem, als dass die verschiedenen Rebellengruppen jetzt Zeit genug haben, ihre Macht und ihre Position im Norden zu verfestigen.

Viele Malier sind dafür, den Norden militärisch zurückzuerobern, zur Not auch aus eigener Kraft. Droht eine weitere Eskalation?

Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die malische Armee bis Herbst 2013 mit einer militärischen Intervention warten wird. Der innenpolitische Druck ist hoch, die Schmach den Norden verloren zu haben ist groß und es gibt zunehmend Unterstützung für ein militärisches Vorgehen. Es ist durchaus möglich, dass es zu einer militärischen Eskalation kommt. Genau sagen kann man das natürlich nicht.

Welchen Rückhalt haben die Rebellen in der malischen Bevölkerung?

Keinen. Das kann man ganz klar sagen. Es sind verschiedene Rebellengruppen: zum einen Islamisten, zum anderen gibt es die Tuareg-Forderung nach Autonomie. Und keine dieser Forderungen findet bei der Bevölkerung Rückhalt - weder im Süden noch im Norden, auch nicht bei den gemäßigten Tuareg, die absolut in der Mehrheit sind.

Kämpfer der Gruppe Ansar Dine in Mali Foto: ROMARIC OLLO HIEN/AFP/GettyImages)
Kämpfer der Gruppe Ansar Dine in MaliBild: Romaric Ollo Hien/AFP/GettyImages

Für die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS vermittelt der Präsident Burkina Fasos in der Krise. Daneben nimmt Algerien eine vermittelnde Rolle ein. Das Land ist gegen eine militärische Intervention. Was kann Algerien als Vermittler bewirken?

Algerien ist ein sehr schwieriger Akteur: Zum einen steht Algerien einem Teil der Tuareg-Rebellen, nämlich Ansar Dine, relativ nah und hat gute Verbindungen dorthin. Zum anderen kämpft das Land seit Jahren selbst gegen Al Kaida im islamischen Maghreb. Algerien hat ein klares Interesse: das Überschwappen dieses Konfliktes auf das eigene Land zu verhindern und natürlich den Terrorismus einzudämmen. Aber die Algerier nehmen eine sehr ambivalente Rolle ein, die nicht immer eindeutig ist. Ich halte Algerien als Vermittler für recht problematisch, da das Land einfach zu stark selber involviert ist und eigene Interessen in diesem Konflikt hat.

Europa verfolgt die Entwicklungen in Mali mit Sorge. Welche Auswirkungen kann die Krise in Mali auf Europa haben?

Es sind ganz klar europäische Sicherheitsinteressen bedroht. Im schlimmsten Fall kann es dazu kommen, dass hier auf Dauer ein Ort geschaffen wird, wo Terroristen ausgebildet werden. Al Kaida hat angekündigt, dass es die Situation nutzen möchte, um Ausbildungslager aufzubauen. Man hört auch immer wieder von ausländischen Islamisten, die von relativ weit her kommen, zum Beispiel aus Pakistan. Es besteht natürlich die Gefahr, dass Nord-Mali zu einem Anziehungsort für internationale Islamisten oder Terroristen wird.

Annette Lohmann leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako.

Das Interview führte Friederike Müller.