Maidan, Minsk und die Rolle der Medien | Veranstaltungen | DW | 17.03.2014
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Veranstaltungen

Maidan, Minsk und die Rolle der Medien

„Wer die Ukraine in Teilen verspeist, schluckt Belarus am Stück“, so der belarussische Autor Artur Klinau. Sein ukrainischer Kollege Juri Andruchowytsch meint: „Medien müssen gerade in Krisen genauer hinschauen.“

Panel: Buchmesse Leipzig

Thomas Weiler (Dolmetscher), Artur Klinau (Belarus), Olga Kapustina (Deutsche Welle), Juri Andruchowytsch (Ukraine), Ingo Petz (v.l.)

Die aktuellen Ereignisse auf der Krim überlagerten auf der Buchmesse in Leipzig eine Diskussionsrunde der Deutschen Welle. Dabei sollte es um die Rolle des Medienlands Deutschlands als Drehscheibe für Dichter und Denker aus Osteuropa gehen. Eingeladen hatte die DW neben Andruchowytsch und Klinau den Journalisten Ingo Petz, der für mehrere überregionale deutsche Medien arbeitet. Moderiert von Olga Kapustina, Redakteurin der Deutschen Welle, tauschten sie sich jedoch vor allem zur Lage in der Ukraine aus.

Einig war sich die Runde, dass Medien in der Berichterstattung über den Konflikt in der Ukraine und Anrainer wie Belaruss eine hohe Verantwortung hätten. Hier trenne sich derzeit die Spreu vom Weizen. Korrespondenten, die insbesondere von Moskau oder Warschau aus arbeiteten, fehle oftmals die Innensicht des Landes. Noch mehr treffe dies auf manche Journalisten zu, die von der Zentrale in die Region entsandt würden, sagte Andruchowytsch.

Juri Andruchowytsch

Juri Andruchowytsch

Russische Aggression und offener Brief

Die russische Aggression auf der Krim bestärke den Patriotismus, so Andruchowytsch zu den aktuellen Ereignissen. Der 54-Jährige gehört zu den renommiertesten Autoren der Ukraine. „Europa und der Westen sind attraktiv für die Menschen, weil es Meinungsfreiheit gibt, weil verschiedene Ideen auch miteinander kämpfen dürfen.“ Das sei ein Grund für seinen Offenen Brief gewesen, den er im Februar an Medien außerhalb der Ukraine geschickt hatte. Ihm sei es darum gegangen, auf „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ auf dem Maidan hinzuweisen, sagte Andruchowytsch. Er zeigte sich zufrieden, dass Redaktionen in Deutschland seine Innensicht veröffentlicht hatten und der Offene Brief in mindestens zwölf weiteren Sprachen bekanntgemacht wurde. „Als Schriftsteller muss man immer auch politisch Denkender sein“, unterstrich er. Wie wichtig seine Worte offenbar seien, zeige, dass seine Webseite immer wieder gehackt worden sei.

Artur Klinau

Artur Klinau

Kultur kann Wandel in Belarus fördern

Artur Klinau stellte zum russischen Vorgehen auf der Krim fest: „Wer die Ukraine in Teilen verspeist, könnte Belarus auf einmal verschlucken.“ Die Politik seines Landes könne „nicht den Wandel zum Besseren herbeiführen, das kann nur die Kultur. Es gibt in Belarus eine agile dynamische Kultur. Die könnte es schaffen, auch in Belarus Bürger zu inspirieren, wenn die Zeit reif ist, für die Unabhängigkeit ihres Landes einzutreten.“ Er sehe jedoch die Gefahr, „dass wir zu langsam sind in dem Prozess“, so Klinau, der auch Herausgeber der belarussischen Zeitschrift „pARTisan“ ist.

Zum Interesse deutscher Medien an Themen aus Belarus und der Ukraine sagte Ingo Petz, Freier Journalist und Osteuropa-Experte: „Da kann man nicht meckern.“ Es gebe heute mehr Offenheit für Themen aus Osteuropa, so seine Erfahrungen zumindest mit den Feuilletons der großen deutschen Medien. Er beobachte zudem, dass die Zahl junger Menschen mit Interesse an den Ländern Osteuropas steige. Diese Generation fordere über Soziale Medien bei den etablierten Medien mehr und differenziertere Berichterstattung ein, mehr Hintergründigkeit und mehr Details, sagte Petz.

Medien in der Kritik

Juri Andruchowytsch bestätigte, dass zurzeit viel über die Ukraine in deutschen Medien zu lesen sei. Dies sei allerdings nicht immer guter und differenzierter Journalismus, der sich mit den kulturellen und politischen Prozessen eines Landes auseinandersetzt. Stattdessen gebe es in Teilen sogar einen sehr oberflächlichen Journalismus. „Da werden Berichterstatter rausgeschickt, um genau die passenden Stimmen zu finden.“ Der Leser bekomme dann wieder und wieder dasselbe Klischee. „Die Ukraine ist in diesen Berichten kein Subjekt, sondern bloßes Objekt im geopolitischen Spiel zwischen Russland und dem Westen.“ Er finde das „zum Kotzen“, kritisierte der ukrainische Autor. Für seine literarischen Reflexionen war Andruchowytsch 2006 bei der Leipziger Buchmesse mit dem Buchpreis für Europäische Verständigung ausgezeichnet worden.

Ingo Petz

Ingo Petz

Artur Klinau zeigte Verständnis, dass über sein Land vergleichsweise wenig berichtet werde. Viele hätten fälschlicherweise den Eindruck, dort passiere nichts. Er räumte ein, dass die Situation in seiner belarussischen Heimat schwer zu durchschauen sei. Obwohl Belarus an die EU grenze, scheine es „eine Wahrnehmungslücke“ in der europäischen Öffentlichkeit zu geben.

Ukraine im Vorteil
Im Vergleich zu Belarus sei die Ukraine in der Wahrnehmung deutscher Medien klar im Vorteil, machte Ingo Petz deutlich. Die Ukraine habe 2004 einen für die politische Kultur wichtigen Schritt gemacht hin zu einem ersten „demokratischen Aufräumen“. Petz: „Das war ein Punkt, wo die Feuilletons in Deutschland aufmerksam wurden. Damit sich auch Belarus auf unsere innere Landkarte setzt, muss das Land jetzt auch einen Schritt machen.“

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