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Madrid hofft auf Olympia 2020

Lauren Frayer / Martin Koch 7. September 2013

Für Madrid ist die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2020 mehr als nur der Wettkampf mit Tokio und Istanbul. Die spanische Hauptstadt sieht darin eine Chance, ihr Negativ-Image loszuwerden.

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Bewerbungskomitee für Olympia 2020 (Foto:Paul White/AP/dapd)
Bild: dapd

Die Stierkampfarena wird zur Basketballhalle, der große Teich im berühmten Retiro-Park zum Stadion für die Beachvolleyballer. Und die Strecken für die Radrennfahrer führen rund um Europas größte Fußballstadien.

Noch sind das alles Visionen, auf großen Plakaten im Rathaus ausgestellt. Doch sie könnten Wirklichkeit werden, falls es am Samstag (07.09.2013) heißt: "Die Olympischen Spiele 2020 gehen nach… Madrid!"

Olympia-Ausstellung im Rathaus von Madrid (Foto: DW/L. Frayer)
Olympische Visionen im Rathaus von MadridBild: DW/L. Frayer

Discount-Spiele dank Immobilienblase

Für die spanische Hauptstadt ist es die dritte Bewerbung in Folge - und eine der kostengünstigsten, die es jemals gab. Weniger als 2,3 Milliarden Euro müsste Madrid für die Spiele aufbringen, heißt es aus offiziellen Quellen. Stolz weisen die Verantwortlichen darauf hin, dass ihre beiden Mitbewerber Tokio und Istanbul um ein Vielfaches höhere Kosten hätten.

Zum Vergleich: Die Spiele in Peking 2008 kosteten mehr als 31 Milliarden Euro, das russische Sotschi, im kommenden Winter Gastgeber der Olympischen Winterspiele, nähert sich der 38-Milliarden-Marke.

Einer der Gründe dafür, dass Madrid so kostengünstig planen kann, ist die Immobilienblase der jüngeren Vergangenheit. Die Hauptstadt ist durchzogen von halb fertigen und leeren Wohnblöcken und Gebäudekomplexen. Sie sind leblose Erinnerungen an eine von der Bauwirtschaft angetriebene Wirtschaft, die in sich zusammengefallen ist. Jetzt hat Madrid Stadien, Wohnungen und öffentliche Parks im Überfluss, die es für die Olympischen Spiele nutzen möchte.

Stadtansicht von Madrid
Madrid will durch Olympia seinen schlechten Ruf loswerdenBild: DW/L. Frayer

Besseres Image

Rund 80 Prozent der Infrastruktur, die Madrid als Gastgeber der Spiele bräuchte, sind nach Angaben des Spanischen Olympischen Komitees (COE) bereits vorhanden. "Keine Investition ist für eine Stadt profitabler als Olympische Spiele", sagte COE-Präsident Alejandro Blanco. "Ein großer Teil des Gewinns wird finanziell sein, aber von unschätzbarem Wert ist die Verbesserung unseres Ansehens."

Europäische Finanzkrise, Rekord-Arbeitslosigkeit und die Bankenrettung durch die Europäische Union haben den Ruf Madrids ebenso beschädigt wie die Doping-Skandale im internationalen Sport.

Schatten der Vergangenheit

Der spanischen Hauptstadt wurde die zweifelhafte Ehre zuteil, im Frühjahr Schauplatz für den Prozess gegen Eufemio Fuentes zu sein. Der prominente Arzt wurde dafür verurteilt, dass er über Jahre hinweg Top-Athleten aus aller Welt illegale Mittel zur Leistungssteigerung verschafft und Blutdoping verabreicht hat.

Zu den ehemaligen Patienten, die gegen ihn aussagten, gehörte auch der Radprofi Tyler Hamilton. Der Ex-Teamkollege des als Doping-Sünder überführten mehrmaligen Tour-de-France-Siegers Lance Armstrong gab vor Gericht zu, in einem anonymen Madrider Hotelzimmer geheime Bluttransfusionen bekommen zu haben.

Doping-Arzt Eufemiano Fuentes
Der Skandal um Doping-Arzt Fuentes könnte Madrids Olympia-Bewerbung schadenBild: picture-alliance/dpa

Spanische Sportfunktionäre betonen jedoch immer wieder, dass solche Szenen der Vergangenheit angehören und dass Madrid eine konsequente Haltung gegen Doping im Sport eingenommen habe. Tatsächlich wurden seit der Festnahme von Fuentes im Jahr 2006 zweimal die Anti-Doping-Gesetze verschärft.

"Bis 2006 ging es in Spanien beim Doping nur darum, dass die Regeln der jeweiligen Sportart übertreten wurden, aber es war nichts Kriminelles", sagt Alberto Palomar, Jura-Professor an der Carlos III.-Universität in Madrid und einer der führenden Sportrechtler des Landes. "Danach und vor allem durch die nochmalige Verschärfung der Gesetze 2013 wurde Doping ein strafrechtlich relevanter Tatbestand. Allerdings gilt das nur für den Vertrieb und das Verabreichen der Drogen, nicht für den Konsum."

Damit habe Spanien Anti-Doping-Gesetze, die mit denen in Italien und Frankreich vergleichbar seien - und sogar strenger als die der Olympia-Gastgeber von 2008 und 2016, China und Brasilien.

Ablenkungsmanöver oder Startschuss?

Vielen Madrilenen ist das Thema "Doping" jedoch herzlich egal. Viel mehr interessiert sie die wirtschaftliche Situation. Vor der Olympia-Ausstellung im Rathaus diskutieren sie darüber, in welcher Weise ihre Stadt von den Olympischen Spielen profitieren könnte: mehr Tourismus, mehr Umsatz, vielleicht sogar mehr Jobs. Aber sie fragen sich: für wie lange?

"Wenn die Olympischen Spiele uns mehr Arbeitsplätze bringen sollten, werden es sicher nur zeitlich begrenzte sein", meint Paul Saez, ein Manager mittleren Alters, der sich selber als einen der Glücklichen bezeichnet, die einen Job haben. "Die Mieten werden steigen und große Konzerne werden versuchen, mit uns Geld zu machen - und unsere Regierung wird währenddessen ihre Ausgaben für Gesundheit und Bildung immer weiter zurückfahren."

Saez nennt die Olympiabewerbung Madrids ein Ablenkungsmanöver. Sie solle die öffentliche Unzufriedenheit über einen Korruptionsskandal verdecken, der bis in höchste Regierungskreise reicht. Dutzende Spitzenpolitiker der regierenden konservativen Partei sollen jahrelang Schmiergelder von Baufirmen eingesteckt haben. Der ehemalige Schatzmeister der Partei wartet in Untersuchungshaft auf seinen Prozess. Premierminister Mariano Rajoy hat dagegen öffentlich jedes Fehlverhalten bestritten.

Es gibt aber auch Befürworter, die sich von den Olympischen Spielen eine Belebung der lokalen Wirtschaft erhoffen. "Ich glaube, Olympia ist für jede Gastgeberstadt etwas Gutes", sagt Lourdes Kornacker. Sie spricht zwar vier Sprachen fließend - ist aber trotzdem arbeitslos. "Sport kann Menschen zusammenbringen und lässt uns für eine gute Sache kämpfen."