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Madagaskars problematische Wahl

Friederike Müller25. Oktober 2013

Nach über vier Jahren sollen die Präsidentschaftswahlen Madagaskar aus der Krise führen. Die Hoffnungen auf mehr Demokratie auf der Insel im Indischen Ozean sind groß, doch genauso groß sind die Zweifel.

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Versammlung der Anhänger von Ex-Präsident Marc Ravalomanana in der madagassischen Hauptstadt Antananarivo (Foto: DW/Friederike Müller)
Bild: DW/F. Müller

Die Liste ist lang: 33 Kandidaten stehen am Freitag (25.10.2013) in Madagaskar zur Wahl, deutlich mehr als beim letzten Mal. Parteien spielen eine untergeordnete Rolle. "Die altbekannten Namen sucht man hier vergebens", sagt Jean Hervé Rakotozanany. Der Radio-Journalist berichtet seit über 15 Jahren über die Politik in Madagaskar. Einige Namen hat er zuvor noch nie gehört.

Dabei hatte es zunächst ganz danach ausgesehen, dass die bekannten politischen Schwergewichte auch bei dieser Wahl mitmischen - allen voran die Kontrahenten Marc Ravalomanana und Andry Rajoelina. Marc Ravalomanana war bis Anfang 2009 Präsident des Landes. Dann putschte Andry Rajoelina und erklärte sich zum Übergangspräsidenten von Madagaskar. Marc Ravalomanana floh ins Exil.

Von der Wahl ausgeschlossen

Seitdem hat Madagaskar keine gewählte Regierung, die Wirtschaft ist am Boden, die Armut wächst. Die Präsidentenwahlen wurden mehrfach verschoben. Einer der Gründe: Streit um die Frage, wer antreten darf. Eigentlich hatten beide Kontrahenten zugesagt, nicht zu kandidieren. Doch Ravalomanana schickte seine Frau ins Rennen, Rajoelina stellte sich nachträglich auf. Beide hätten aber die Auflagen dafür nicht erfüllt, so die Vertreter der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) und der Afrikanischen Union (AU), die in der Krise vermitteln. Auf ihren Druck hin wurden die umstrittenen Kandidaturen schließlich zurückgewiesen.

Mitglieder der unabhängigen Wahlkommison in Antananarivo (Foto: RIJASOLO/AFP/Getty Images)
Vorbereitungen der unabhängigen Wahlkommission in der Hauptstadt AntananarivoBild: Rijasolo/AFP/Getty Images

Das kam bei vielen Madagassen nicht gut an: Sie sahen sich ihrer Kandidaten beraubt und um ihr Stimmrecht betrogen. "Einige sagen, das ist nicht mehr die Wahl der Madagassen, sondern die der internationalen Gemeinschaft, die hier ihre eigenen Interessen verfolgt", sagt der Journalist Rakotozanany." Er selbst sieht die Demokratie durch das Eingreifen der Vermittler nicht gefährdet: "Letztlich wählen wir Madagassen ja unseren Präsidenten."

Eine Überraschung als Wahlergebnis?

Mitreden wollen die politischen Schwergewichte trotzdem. Aus dem Exil ruft Marc Ravalomana zur Wahl seines ehemaligen Gesundheitsministers Jean Louis Robinson auf. Andry Rajoelina muss als Übergangspräsident zwar neutral bleiben, doch es gilt als offenes Geheimnis, dass er seinen ehemaligen Finanzminister Hery Rajaonarimampianina unterstützt. Die Parteizugehörigkeit spielt dabei kaum eine Rolle, nicht alle der Kandidaten gehören einer der über 170 Parteien in Madagaskar an. Verlässliche Umfragewerte vor der Wahl gibt es nicht. Sicher scheint nur, dass es im Dezember eine Stichwahl geben wird.

Saraha Georget Rabeharisoa, Kandidatin der Grünen in der Parteizentrale in Ivato. (Foto: DW/ Friederike Müller)
Saraha Georget Rabeharisoa, Kandidatin der GrünenBild: DW/F. Müller

Wer es in diese zweite Runde schafft, ist für Sahondra Rabenarivo, Juristin und Bürgerrechtlerin in Madagaskar, völlig offen: "Das wird eine Überraschung geben", sagt sie in einem Interview mit der DW. Natürlich würden die als Favoriten gehandelt, die sich am meisten in der Öffentlichkeit zeigen. "Was man aber nicht sieht, ist die Organisation der anderen, die vielleicht ein bisschen diskreter auftreten", so Rabenarivo weiter. "Die haben ihre Leute vor Ort und können dort Stimmen für sich gewinnen."

Zu diesen Kandidaten zählt Saraha Georget Rabeharisoa. Sie ist Vorsitzende der Grünen Partei Madagaskars und eine der nur zwei Frauen auf der Kandidatenliste. Viele Beobachter trauen ihr zu, das Land wieder auf Kurs zu bringen. Andere zweifeln, dass der stark patriarchalisch geprägte Staat bereit ist für eine Frau an der Spitze. Doch die grüne Politikerin kontert selbstbewusst: "Diejenigen, die sagen, dass Frauen hier keine Chancen haben, sind meistens Politiker, und zwar männliche. Und sie wissen, dass ich eine Überraschung sein könnte."

Kritik an der Organisation der Wahlen

Faltblatt mit Wahlerklärungen (Foto: RIJASOLO/AFP/Getty Images)
Die Erklärungen, wie gewählt wird, sind nicht ausreichend, sagen Kritiker.Bild: Rijasolo/AFP/Getty Images

Zum ersten Mal stehen die Kandidaten nicht mehr auf einzelnen Wahlzetteln, sondern alle auf einem. Das soll Wahlbetrug vorbeugen, sorgt aber auch für Kritik: Das neue System hätte besser eingeführt und erklärt werden müssen, heißt es. Probleme gab es auch bei der Ausstellung und Verteilung der Wahlkarten. Wer wählen will, muss diese Karte vorlegen. Doch viele Bürger haben sie auch wenige Tage vor der Wahl noch nicht erhalten. Die Wahlkommission hat nun eine Ausnahmeregelung getroffen: Wer keine Karte hat, darf den Personalausweis vorlegen.

Bürgerrechtlerin Rabenarivo bemängelt die Verzögerungen: "Die Unsicherheit und die Sorge sind hier sowieso schon sehr groß." Die Wahlkommission hätte die Karten viel früher verteilen sollen. "Das hätte alle beruhigt, die wählen gehen wollen." Ob die Wahlen unter diesen Umständen frei und fair ablaufen werden? Rabenarivo atmet tief durch. "Das ist die große Frage", sagt sie schließlich. Sie hoffe das Beste - keinen Wahlbetrug, eine hohe Wahlbeteiligung und einen einwandfreien Ablauf am Wahltag. Vor allem eines sei wichtig: "Dass die Verlierer das Ergebnis auch akzeptieren. Sonst kriegen wir zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang wirklich große Probleme."

Startschuss für eine neue Ära

Der Termin für den zweiten Wahlgang ist der 20. Dezember, und da lauert das nächste Problem: Er fällt genau in die Regenzeit, in der viele Straßen unpassierbar sind und viele nur schwer zu den Wahllokalen gelangen können. Nicht ideal, da sind sich Beobachter einig. "Aber die Situation erfordert, dass diese Wahlen noch in diesem Jahr stattfinden, um die Krise beenden zu können“, sagt Helmut Burmeister, Leiter des Büros der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Madagaskar. Er hat den Niedergang des Landes seit Beginn dem Putsch vor vier Jahren beobachtet: "Es gibt hier eine Unmenge von politischen Baustellen. Das wichtigste ist, dass von einem neuen Präsidenten und einer neuen Regierung klargemacht wird, dass eine neue Ära beginnt."

Helmut Burmeister, Leiter des GIZ-Büros in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo (Foto: Friederike Müller)
Helmut Burmeister, Leiter des GIZ-Büros in AntananarivoBild: DW/F. Müller