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Machtkampf in Ostasien

Matthias von Hein 5. Dezember 2013

Was mit einer chinesischen "Luftraumüberwachungszone" im Ostchinesischen Meer begann, droht zu einem Machtkampf zu eskalieren. US-Vizepräsident Bidens Vermittlungsversuche in Peking liefen ins Leere.

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Joe Biden und Xi Jinping n Peking (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Es fehlte nicht an höflichen Worten. US-Vizepräsident Joe Biden sprach in Peking von "neuen Beziehungen zwischen Großmächten"; die Begriffe "Vertrauen" und "Offenheit" wurden bemüht. Doch zugleich kritisierte Biden die Einrichtung der Luftraumüberwachungszone als "provokative Aktion". Man sagt Biden ein gutes Verhältnis zu Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nach, gewachsen bei vielen Begegnungen in den letzten Jahren. Doch bei der neuen Überwachungszone war Xi Jinping zu keiner Bewegung bereit. Sie bleibt, trotz deutlich übermittelter amerikanischer Besorgnisse. Die Rolle der USA als Schutzmacht Japans und als Garant freier See- und Schifffahrtsrouten kollidiert mit den territorialen Ansprüchen Chinas und seinem wachsenden Selbstvertrauen, wirtschaftlich wie militärisch.

Eigentlich sind Japan, China und die USA Partner - im Handel. Der Austausch zwischen China auf der einen Seite sowie Japan und den USA auf der anderen Seite machte 2012 knapp eine Billion US-Dollar aus. Da war es nur natürlich, dass US-Vizepräsident Joe Biden eine Reise durch Ostasien plante, die sich vor allem um Wirtschaftsfragen drehen sollte. Aber dann kam der 23. November. An jenem Samstag erklärte ein Sprecher des chinesischen Militärs ohne jede Vorankündigung, ohne jede Konsultation mit den Nachbarn die Schaffung einer sogenannten "Luftraumüberwachungszone" im Ostchinesischen Meer. Jedes dort eindringende Flugzeug müsse sich bei den chinesischen Behörden anmelden und deren Anweisungen folgen. Ansonsten drohten nicht weiter spezifizierte militärische Gegenmaßnahmen.

Xis Kalkül

Mit diesem Schritt bekam die Reise des US-Vizepräsidenten ein neues Thema. Die neu erklärte Zone überlappt sich mit einer bereits bestehenden japanischen und auch einer koreanischen Luftraumüberwachungszone. Vor allem: Sie schließt eine umstrittene Gruppe unbewohnter Inseln ein, die in Japan Senkaku und in China Diaoyu heißen. Der Hongkonger China-Experte Willy Lam sieht in der Erklärung der chinesischen Luftraumüberwachungszone einen neuen und aggressiveren Politikstil. "Chinas Präsident Xi Jinping steht seinen Generälen sehr nahe. Er ist der Ansicht, durch Maßnahmen wie der Einrichtung dieser Luftraumüberwachungszone könne man chinesische 'hard power' projizieren. Er glaubt, damit die chinesische Verhandlungsposition in den Territorialstreitigkeiten mit den Nachbarn verbessern zu können."

US-Flugzeugträger "George Washington" (Foto: Reuters)
Die jüngsten amerikanisch-japanischen Seemanöver (hier der US-Flugzeugträger "George Washington") fanden in unmittelbarer Nähe der zwischen Japan und China umstrittenen Gebiete stattBild: Reuters/Kyodo

Xi Jinping könnte sich getäuscht haben. Chinas neue "Luftraumüberwachungszone" wurde von sämtlichen Nachbarn als Versuch gewertet, einseitig den Status Quo in dem umstrittenen Seegebiet zu ändern. Plötzlich zogen selbst Tokio und Seoul an einem Strang, obwohl auch sie sich um Felsen im Meer streiten. Mit dem Flug von B-52 Bombern durch die Zone demonstrierten die USA eindrücklich, die Zone nicht zu respektieren. Auch japanische, koreanische und selbst taiwanische Kampfjets drangen ohne die von Peking geforderte Anmeldung in die Zone ein - bislang ohne eine militärische Reaktion Chinas.

China spielt nationalistische Karte

Im Internet aber gab es durchaus Reaktionen. Dort wurden harte Reaktionen gefordert, Kriegsgeschrei wurde laut. Ostasienexperte Frank Umbach stellt im Gespräch mit DW.DE die Frage, "ob die chinesische Führung diesen Nationalismus - der vor allem in Teilen der Jungend sehr virulent ist und vor allem im Internet doch beängstigende Ausmaße genommen hat - wirklich immer noch so kontrollieren kann, wie das vielleicht in der Vergangenheit der Fall war."

Rote Flagge auf umstrittener Insel im chinesischen Internet (Foto: Reuters)
Peking heizt den Nationalismus an - auch im InternetBild: Reuters

Auch die staatlichen Medien bereiteten Biden einen nationalistisch geprägten Empfang. Die englischsprachige "China Daily" warf Biden vor, in Japan "einseitige und irrige Bemerkungen" zu den Spannungen im Ostchinesischen Meer gemacht zu haben. Die "Global Times" hatte zuvor in ihrem offiziellen Mikroblog bereits den Nationalismus mit einem Artikel unter der Überschrift "Ohne das Vaterland bist du nichts" geschürt. Da wird vor einer angeblichen Verschwörung westlicher anti-chinesischer Kräfte gewarnt. Die User sollen die KP Chinas unterstützen. Nur so lasse sich Chinas territoriale Integrität und Souveränität schützen. Für Willy Lam ist das kein Zufall: "Xi Jinping schürt bewusst die Flamme des Nationalismus, um so die Herrschaft der KP zu legitimieren", so der China-Experte aus Hongkong.

China war in der Vergangenheit bemüht, seinen Aufstieg gegenüber seinen Nachbarn als einen "friedlichen Aufstieg" darzustellen. Jetzt scheint Peking neue Wege zu gehen. Willy Lam jedenfalls erwartet für die nächste Zukunft die Errichtung weiterer "Luftraumüberwachungszonen": über dem Gelben Meer, aber auch über dem Südchinesischen Meer - wo ebenfalls Streit mit den Nachbarn um Seegebiete herrscht.