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Macht Wirtschaftswachstum glücklich?

Andreas Becker25. Juni 2013

Die Antwort der Forschung auf diese Frage fällt überraschend deutlich aus. Doch nicht nur die Wirtschaft, auch Politik und Privates spielen eine Rolle. Und klar: Geld ist nicht alles.

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Umfrage Zufriedenheit / Bewertung © Photo-K -
Bild: Photo-K/Fotolia

Geld allein macht nicht glücklich, das hat sich inzwischen herumgesprochen. Und doch hat Geld einen großen Anteil am Glück der Menschen. Das ist zumindest das Ergebnis der jahrzehntelangen Forschung von Bruno Frey. "Leute, die mehr verdienen, sind glücklicher."

Der Schweizer Ökonom, der heute an der englischen University of Warwick lehrt, gehörte zu den ersten Wissenschaftlern, die der Frage nach dem Glück mit ökonomischen Modellen nachgingen. Dass wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand glücklicher macht, fand er auch bei internationalen Vergleichen bestätigt. "Wenn wir arme Länder vergleichen mit Ländern, in denen die Personen im Durchschnitt ein höheres Einkommen haben, ist es ganz klar: In den reicheren Ländern sind die Menschen glücklicher."

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bruno S. Frey, University Warwick. Foto: imago/EQ Images
Glückforscher Bruno Frey, University Warwick und Zeppelin Universität FriedrichshafenBild: Imago

Eine Frage des Niveaus

Wenn Wissenschaftler wie Frey von Glück sprechen, dann meinen sie die von ihnen gemessene, subjektive Lebenszufriedenheit. Befragte Personen werden etwa gebeten, auf einer Skala von eins bis zehn zu bewerten, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind.

Bei der Wirkung von Geld auf das Glücksempfinden spielt das Wohlstandsniveau eine große Rolle. So ist ein armer Mensch messbar glücklicher als ein reicher, wenn er sein Einkommen verdoppelt, sagt Frey. Anders gesagt: Wer viel hat, wird nicht glücklicher, wenn er noch mehr bekommt.

Natürlich ist Geld nicht alles. "Es gibt viele Faktoren, die das Glück bestimmen", so der Glücksforscher. Neben genetischer Veranlagung ist vor allem die Gesundheit von großer Bedeutung, gefolgt von sozialen Faktoren wie Freunde und Familie.

Anders als in Schwellenländern wie China und Indien, ist reines Wirtschaftswachstum in wohlhabenden Gesellschaften wie Deutschland schon lange kein zentrales Ziel mehr. "Andere Ziele sind wichtiger", sagt der Ökonom Gerd Wagner, Vorstandsmitglied im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: "Eine niedrige Arbeitslosigkeit, nachhaltige Staatsfinanzen, ein gutes Gesundheitssystem und auch Demokratie und Freiheit - all das sind Ziele, die nach unseren Untersuchungen höher gewertet werden als das Wirtschaftswachstum."

Wachstum könne bei der Erreichung dieser Ziele zwar helfen, sei aber nicht unbedingt nötig. "Arbeitslosigkeit kann auch vermieden werden, indem die Wochenarbeitszeit sinkt. Menschen sind bereit, weniger zu arbeiten, wenn ihr Einkommen trotzdem stimmt. Und das hängt vom Produktivitätsfortschritt ab, nicht vom Wachstum", so Wagner. Auch solide Staatsfinanzen könnten ohne Wachstum erreicht werden. "Man kann weniger Geld ausgeben, dann sinken die Staatsschulden auch. Oder man erhöht die Steuern. Es muss also nicht immer Wachstum sein."

Prof. Dr. Gert G. Wagner, Vorsitzender des Vorstands Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, Berlin. People Wirtschaft Porträt x0x xsk 2011 quer WIRTSCHAFT ECONOMY # POLITIK POLITICS # halbe Figur Gestik Bildnummer 55555533 Date 29 06 2011 Copyright Imago Reiner Zensen Berlin the 29 06 2011 Photo Prof Dr Gert G Wagner Chairman the Board German Institute for Economic Research DIW Berlin Celebrities Economy Portrait x0x xSK 2011 horizontal Economy Economy # politics POLITICS # Halbe Figure Gesture
Konjunkturforscher Gert Wagner, DIW BerlinBild: Imago

Demokratie macht glücklich

Politische Faktoren beeinflussen ebenfalls stark, ob Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind. "Menschen in Demokratien sind glücklicher als solche in autoritären oder diktatorischen Gesellschaften", sagt Glücksforscher Bruno Frey. Besonders glücklich sind sie, wenn politische Entscheidungen nachvollziehbar und direkt beeinflussbar sind, am besten auf lokaler Ebene.

Der Europäischen Union attestiert Frey dagegen "ein großes Demokratiedefizit". Regelmäßig zeigen Umfragen, zuletzt vom Pew Research Center in Washington, wie wenig die EU-Bürger ihren politischen Institutionen vertrauen. "Die Europäische Union müsste vermehrt direkte Volksabstimmungen über wichtige Fragen zulassen", glaubt Frey, der als Schweizer von den Vorteilen direkter Demokratie überzeugt ist. "So könnte die EU einen Zusammenhang herzustellen zwischen den europäischen Fragen und dem, was die Leute bewegt."

Schlange von Arbeitslosen in Athen (Foto:Thanassis Stavrakis/AP/dapd)
In Griechenland ist mehr als jeder Vierte ohne ArbeitBild: AP

Mindestens 20 Millionen Menschen bewegt vor allem die Frage, wie sie eine Arbeitsstelle finden. So viele sind in der Europäischen Union derzeit offiziell arbeitslos, Langzeitarbeitslose nicht mitgezählt.

Unglück Arbeitslosigkeit

Die hohe Arbeitslosigkeit sei aus Sicht der Glücksforschung ein ganz besonderes Drama, so Frey. Normalerweise bleiben Menschen nicht lange unglücklich, wenn ihnen etwas Unangenehmes zustößt, ein Unfall etwa oder ein Schicksalsschlag. Nach einer Weile steigt die Lebenszufriedenheit wieder auf das ursprüngliche Niveau an.

Anders ist es dagegen bei Arbeitslosigkeit: "Wer arbeitslos wird, der wird wirklich viel unglücklicher als zuvor." Staatliche Arbeitslosenhilfe könne daran nichts ändern. Nur eine neue Arbeitsstelle bringe das Glück zurück - zumindest für Männer. "Unsere Untersuchungen zeigen, dass Männer sonst auf ihrem tiefen Glücksniveau bleiben", so Frey. "Frauen sind da anpassungsfähiger - sie suchen sich in ihren Familien wichtige Aufgaben, und bald geht es ihnen besser."

Trotzdem hält Glücksforscher Frey nichts davon, messbares Glück zum offiziellen Regierungsziel zu erklären. Die Ergebnisse seien zu leicht von der Politik beeinflussbar. Umgekehrt könnten Bürger ihre Antwort auf die Frage nach der Zufriedenheit nutzen, um den Regierenden Zustimmung oder Ablehnung mitzuteilen. Seine Arbeit als Wissenschaftler wäre unter diesen Umständen nicht mehr möglich, so Frey.


Die Interviews für diesen Text wurden im Rahmen einer Veranstaltung der Akademie für Politische Bildung Tutzing geführt.