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"Ich weiß nicht, wann es Frieden gibt"

Chrispin Mwakideu18. August 2014

Der südsudanesische Rebellenführer Riek Machar spricht in DW-Interview über die Chancen auf Frieden, die Wurzeln des Konflikts und die Forderung nach einem Waffenembargo.

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Der südsudanesische Rebellenführer Riek Machar mit Soldaten im April 2014 (Foto: AFP/Getty)
Bild: AFP/Getty Images

DW: Vergangene Woche haben Sie mit UN-Diplomaten gesprochen, die Ihnen unter anderem Kritik und Androhung von Sanktionen durch den Weltsicherheitsrat überbracht haben, falls Sie und Präsident Salva Kiir Ihren Konflikt nicht bald beenden. Herr Machar, wie sind die Gespräche mit den UN-Gesandten aus Ihrer Sicht gelaufen?

Riek Machar: Ich hatte ein gutes Gefühl. Ich habe unsere Sicht der Dinge dargestellt, Wie sich dieser Krieg entwickelt hat, über die Behauptung, dass es einen Staatsstreich gegeben habe. Ich habe ihnen versichert: Niemand hatte einen Putsch geplant. Dagegen sollte Präsident Salva Kiir dafür zur Verantwortung gezogen werden, was in Juba passiert ist: Mehr als 20.000 Zivilisten wurden aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur Zielscheibe und wurden ermordet.

Was den Friedensprozess angeht: Wir haben uns seit dem 2. Januar darin eingebracht. Am 23. Januar haben wir zwei Abkommen unterzeichnet - über die Beendigung feindlicher Aktivitäten und die Freilassung politischer Gefangener. Das ist vier Monate später dann passiert. Am 9. Mai haben Präsident Salva Kiir und ich einen Fahrplan für den Frieden, für eine Lösung der Krise im Südsudan unterzeichnet. Seitdem arbeiten unsere Teams diese Lösung aus. Sie reden immer noch.

Die substanziellen Fragen werden noch diskutiert. Wir wissen also nicht, wann es den Frieden geben wird. Es wäre aber sinnlos, die Führer deswegen zu bestrafen. Wir sind ja schon um eine Lösung bemüht, aber so ein Abkommen braucht eben seine Zeit.

Rebellenführer Riek Machar Präsident Salva Kiir halten die Hände eines Priesters, bevor sie das Friedensabkommen in Addis Ababa am 9. Mai 2014 unterschreiben (Foto: REUTERS/Goran Tomasevic)
Am 9. Mai unterzeichneten Machar und Kiir ein Friedensabkommen - bislang ohne ErgebnisBild: Reuters

Denken Sie nicht, dass Kiir und Sie als Führungspersonen den Schlüssel zum Frieden in der Hand haben? Wenn Sie nicht wissen, wann es Frieden geben wird, ist das für die Bevölkerung des Südsudan sehr frustrierend.

Friedensgespräche sind immer eine schwierige Angelegenheit. Aus unserer Sicht müssen wir die Wurzeln des Konflikts angehen. Das würde einiges an Reformen bedeuten. Damit diese Reformen möglich sind, müssen wir uns aber erst einmal über das angestrebte Regierungssystem einig werden. Wir halten ein föderales System für die geeignete Form. Wenn wir uns darauf einigen können, dann können wir die Armee, den Sicherheitssektor, das Rechtssystem, den öffentlichen Sektor und die Wirtschaft reformieren. Ohne diese Reformen hat Frieden keinen Sinn.

Wir haben auch mit Ihren Gegnern gesprochen. Die Regierung wirft Ihnen vor, deren Positionen anzugreifen und den Friedensprozess nicht ernst zu nehmen. Sie erklären hier, dem Frieden verpflichtet zu sein. Welche Streitpunkte hindern Sie daran, den Friedensprozess in Gang zu bringen?

Zunächst einmal: Wir haben überhaupt keine Positionen angegriffen. Die Regierung war es, die in die Offensive gegangen ist. Die Regierung hat ihren Teil des Abkommens vom Januar nicht eingehalten. Noch immer sind ugandische Soldaten im Land. Auch die sudanesischen Rebellen, die auf Regierungsseite kämpfen, sind noch im Land. Dabei sieht das Waffenstillstandsabkommen vor, dass ausländische Kämpfer das Land verlassen sollen.

Dazu kommen die Punkte, die ich schon erwähnt habe: Wir müssen das Problem bei den Wurzeln packen, uns einig werden über eine neues Regierungssystem und dann die Reformen angehen.

Sie sprechen viel über die Wurzeln des Konflikts. Nach Ansicht vieler geht es dabei um ethnische Gegensätze. Stimmen Sie dem zu?

Das ist nur eines der Probleme. Daneben geht es auch um Korruption und um das Wesen des Staates. Dies ist kein Staat, der der Vielfalt unserer Nation entspricht. Wir brauchen ein System, dass dieser ethnischen Vielfalt gerecht wird und gleichzeitig verhindert, dass ethnische Zugehörigkeiten politisch instrumentalisiert werden. Wir brauchen ein System, das Korruption bekämpft und wirtschaftlichen Fortschritt für unser Volk sicherstellt.

Soldaten im Südsudan (Foto: REUTERS/Andreea Campeanu)
"Wir bekommen unsere Waffen, wenn wir Siege über die Regierung erringen", sagt MacharBild: Reuters

Die UN-Gesandten haben beiden Seiten - Ihnen genauso wie der Regierung - vorgeworfen, für einen neuen Krieg in der bevorstehenden Trockenzeit aufzurüsten. Können Sie diese Vorwürfe bestätigen oder widerlegen?

Wir bekommen unsere Waffen, wenn wir Siege über die Regierung erringen. Im Dezember und Januar haben wir tausende Gewehre und Maschinengewehre erbeutet und sogar sieben Panzer. Und dann, beim Kampf um Malakal, haben wir elf Panzer und etliche tausend Gewehre beschlagnahmt. In Unity war es das gleiche: mehr als 40 Panzer.

Wir rüsten also mit Regierungsmitteln auf. Aber wir wissen, dass auch die Regierung sich bewaffnet. Sie hat Waffen und Munition von den Chinesen erhalten. In meinem Gespräch mit dem Gesandten des UN-Sicherheitsrats habe ich verlangt, dass China seine Waffenlieferungen an den Südsudan einstellt. Ich habe sogar den chinesischen Präsidenten Xi Jinping schriftlich aufgefordert, den Krieg nicht mit Waffenlieferungen weiter anzuheizen. China sollte die Aufrüstung nicht unterstützen und damit ein Zeichen für den Frieden setzen.

Human Rights Watch hat bereits ein Waffenembargo für den Südsudan gefordert. Unterstützen Sie diesen Aufruf?

Das wäre eine gute Sache, wenn die UN ein Waffenembargo verhängen könnten, damit die Regierung keine neuen Waffen kaufen kann.

Riek Machar war Vizepräsident des Südsudan. Im Juli 2013 setzte Präsident Salva Kiir ihn ab. Im Dezember brach ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den beiden Rivalen aus, der bis heute Tausende Südsudanesen das Leben kostete.

Das Interview führte Chrispin Mwakideu.