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Maas verteidigt Vorratsdatenspeicherung

Marcel Fürstenau27. Mai 2015

Der Justizminister war lange gegen ein neues Gesetz, beugte sich aber dem Druck des Koalitionspartners und der eigenen Partei. Kritiker halten auch die Neuauflage für verfassungswidrig und wollen wieder klagen.

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Thomas de Maizière (l.) spricht mit Heiko Maas
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

In Deutschland sollen schon in wenigen Monaten die Daten sämtlicher Telefon- und Internetverbindungen bis zu zehn Wochen lang gespeichert werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin. Der 55 Seiten lange Text stammt aus dem Hause des Bundesjustizministers Heiko Maas (im Bild rechts neben Innenminister Thomas de Maizière). Damit vollzog der Sozialdemokrat eine komplette Kehrtwende, denn noch Anfang des Jahres hatte er sich gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Das erste Gesetz aus dem Jahre 2007 war drei Jahre später vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden.

Seinen Sinneswandel begründete Maas damit, die "rechtsstaatlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes" würden eingehalten werden. Der EuGH hatte im Sommer 2014 die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verworfen. Seitdem gibt es für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union keine rechtliche Verpflichtung mehr, ein Gesetz zu verabschieden. Der Druck für einen zweiten Anlauf kam also nicht aus Brüssel, sondern aus Deutschland. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) drängte Maas schon seit längerem, im März sprach sich dann auch SPD-Chef Sigmar Gabriel für die Vorratsdatenspeicherung aus. Wenige Wochen später legte sein Parteifreund Leitlinien vor und nun den Gesetzentwurf.

Maas: "Kann die Skepsis einiger Netzpolitiker verstehen"

Maas gibt sich überzeugt, dass die noch vom Bundestag zu verabschiedende Regelung möglichen Klagen standhalten wird. Er verweist auf die maximale Speicherfrist von zehn Wochen, für Standortdaten mobiler Geräte sind höchstens vier Wochen erlaubt. Sicherheitsbehörden dürfen nur mit Genehmigung eines Richters auf Daten zugreifen, die im Zusammenhang mit schweren Verbrechen stehen. Darunter befinden sich Delikte wie Kinderpornografie, die Bildung einer terroristischen Vereinigung und Menschenhandel. Sicherheitspolitiker und Behörden versprechen sich von der Vorratsdatenspeicherung mehr Erfolge bei der Aufklärung von Straftaten, aber auch bei der Vereitelung.

Kabel von Telekommunikationsgeräten symbolisieren die Vorratsdatenspeicherung
Verdachtsunabhängig sollen schon bald alle Telekommunikationsverbindungen erfasst werdenBild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

Mit dem neuen Gesetz werde die "Balance zwischen Freiheit und Sicherheit in der Digitalen Welt" gewahrt, meint Justizminister Maas. Zugleich räumt er ein, er könne "die Skepsis einiger Netzpolitiker durchaus nachvollziehen". Zu den heftigsten Kritikern gehört die frühere Verbraucherschutzministerin Renate Künast, die inzwischen Vorsitzende des parlamentarischen Rechtsausschusses ist. "Die Freiheit und die Persönlichkeitsentfaltung sind dahin, wenn der Mensch davon ausgehen muss, immer überwacht zu werden", sagte die Grünen-Politikerin im ARD-Fernsehen.

Prominente Gegner: Künast, Baum, Korte, Schaar

Künast hält das geplante Gesetz ebenso für verfassungswidrig wie der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum. Der Freidemokrat kündigte im ARD-Hörfunk an, erneut Beschwerde einzulegen. Er hatte schon gegen das erste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung geklagt - mit Erfolg. Man werde dieses Mal auch den Europäischen Gerichtshof "zu Hilfe rufen", sagte Baum, der in dem geplanten Gesetz einen Verstoß gegen die Grundrechtecharta der Europäischen Union sieht. Auch der Datenschutz-Experte und stellvertretende Vorsitzende der Linken im Bundestag, Jan Korte, warf der Regierung potenziellen "Verfassungsbruch" vor. Datenspeicherung zu vermeiden, wäre der beste Datenschutz. Schließlich zeige der NSA-Skandal, dass einmal gespeicherte Daten "niemals vor dem Zugriff durch Geheimdienste oder kriminelle Hacker sicher" seien.

Eine andere rechtliche Lösung hätte sich auch der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, gewünscht. Er erinnerte an das von ihm und der früheren Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger empfohlene "Quick-Freeze-Verfahren". Mit dieser Methode würden Daten aufgrund eines konkreten Verdachtes kurzfristig eingefroren (englisch: freeze) werden. Die Bundesregierung hat sich für einen anderen Weg entschieden "und fordert die Verfassungsklage damit geradezu heraus", prophezeit Schaar.