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Luzenko: "Wir brauchen die EU-Assoziierung"

Oleksandra Indjuchowa / Emily Sherwin29. April 2013

Über zwei Jahre saß der ehemalige Innenminister der Timoschenko-Regierung, Juri Luzenko, wegen Amtsmissbrauchs im Gefängnis. Nach seiner Begnadigung spricht er im DW-Interview über die Zukunft der Ukraine.

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Portrait von Juri Luzenko (Foto: EPA/SERGEY DOLZHENKO)
Portrait von Juri LuzenkoBild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hat Sie per Erlass begnadigt. Wie ist es dazu gekommen?

Juri Luzenko: Nach meinem Ermessen ist diese Entscheidung ein notgedrungenes Zugeständnis der ukrainischen Staatsführung, das in erster Linie unter dem Druck der europäischen demokratischen Gemeinschaft, aber auch der ukrainischen Opposition zustande kam.

Sie wurden aus der Haft entlassen, aber die ehemalige Regierungschefin Julia Timoschenko nicht. Was muss getan werden, damit auch sie freikommt?

Julia Timoschenkos Anhänger fordern die Freilassung der Ex-Regierungschefin (Foto: dpa)
Julia Timoschenkos Anhänger fordern die Freilassung der Ex-RegierungschefinBild: picture-alliance/dpa

Julia Timoschenko wird schon sehr bald freikommen. Aus einem ganz einfachen Grund: Ich glaube nicht, dass die jetzige ukrainische Staatsführung über die internationale Staatengemeinschaft, die ukrainische Gesellschaft und vor allem den gesunden Menschenverstand siegen kann.

Wie stehen Ihrer Meinung nach die Aussichten der Ukraine auf eine EU-Annäherung?

Wir müssen unbedingt das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen. Diese Tür wird uns nicht immer offenstehen. Sie ist schon dabei sich zu schließen. Wir müssen unbedingt diesen Weg einschlagen, wenn wir ein normales europäisches Leben wollen. Ich habe EU-Vertretern während eines Treffens im Gefängnis gesagt: Andernfalls werdet Ihr in einem Jahr über die Probleme der Ukraine nicht in Kiew, sondern in Moskau reden.

Wie wollen Sie künftig mit den Anführern der Oppositionsparteien zusammenarbeiten, die sich zusammengeschlossen haben, während Sie im Gefängnis saßen?

Ich werde keine neue Partei und auch keine neue Organisation gründen. Ich werde keine Opposition zur Opposition schaffen. Ich möchte ein "Konzept für ein neues Land" erarbeiten - gemeinsam mit ukrainischen Intellektuellen, die viele kluge Ideen haben. Und ich nenne es ein "Konzept für die dritte ukrainische Republik".

Ist unter den Anführern der Oppositionsparteien ein Kandidat, der Viktor Janukowitsch bei der nächsten Präsidentenwahl in zwei Jahren Konkurrenz machen könnte?

Vitali Klitschko spricht in mehrere Mikrofone (Foto: REUTERS/Vasily Fedosenko)
Vitali Klitschko zählt zu den möglichen Präsidentschaftskandidaten der OppositionBild: Reuters

Man wird gegen den Präsidenten der regierenden "Partei der Regionen" nur gewinnen können, wenn die Opposition bereits für die erste Wahlrunde einen gemeinsamen Kandidaten aufstellt. Es gibt gute Kandidaten. Seit meiner Freilassung habe ich viele Gespräche mit den Anführern der Oppositionsparteien geführt - mit Vitali Klitschko, Arsenij Jazenjuk und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Vaterlands-Partei, Aleksandr Turtschinow. Wichtig ist, dass sie alle klar gesagt haben, derjenige solle Präsidentschaftskandidat werden, der die besten Umfragewerte erzielt.

Bedeutet dies, dass Julia Timoschenko als Kandidatin nicht in Betracht kommt?

Ganz im Gegenteil. Ich glaube sogar, dass Julia Timoschenko zu den wahrscheinlichsten Präsidentschaftskandidaten einer vereinigten Opposition zählt. Die ukrainischen Gesetze verbieten es Vorbestraften nicht, sich um das Präsidentenamt zu bewerben.

Wenn Sie jetzt wieder Innenminister wären, welche Veränderungen würden Sie in Angriff nehmen?

Meiner Meinung nach müssen in der Ukraine das jetzige Gerichtswesen und die Rechtsschutzorgane in ihrer gegenwärtigen Form völlig aufgelöst werden. Danach muss man nach dem Vorbild der baltischen Staaten ein völlig neues System aufbauen, basierend auf völlig neuen Gesetzen.

Der 48-jährige Juri Luzenko ist ein enger Vertrauter der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, die eine Haftstrafe von sieben Jahren wegen Machtmissbrauchs verbüßt. Der Westen hatte vor allem die Urteile gegen Timoschenko und Luzenko als politisch motiviert kritisiert. Die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments hatte ein Gnadengesuch für Luzenko aus gesundheitlichen Gründen gestellt. Viktor Janukowitschs Gnadenakt wird als Versuch gewertet, die Beziehungen der Ukraine zur Europäischen Union wieder zu verbessern. Die EU hatte die Entlassungen inhaftierter Oppositioneller zu einer Vorbedingung für eine Annäherung zwischen Kiew und Brüssel gemacht. Am Dienstag (30.04.2013) urteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Timoschenko gegen die Ukraine.