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Lufthansas riskantes Spiel

Andreas Spaeth6. Dezember 2012

Kurzstrecken können von großen Fluggesellschaften nicht profitabel bedient werden. Jetzt übernimmt Germanwings einen Großteil des Europa-Verkehrs der Lufthansa. Wenn das nicht hilft, stehen radikale Änderungen an.

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Leitwerk eines Flugzeigs mit dem Lufthansa-Logo (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Lufthansa-Chef Christoph Franz hat den Ernst der Lage erkannt. Es sei "die letzte Chance" für die Linie mit dem Kranich am Leitwerk, eine breit aufgestellte Airline zu bleiben. Das umzusetzen, was Franz am kommenden Donnerstag (06.12.2012) in Köln im Detail beschreiben wird: Alle Flüge innerhalb Deutschlands und Europas, die nicht die beiden Drehkreuze Frankfurt und München berühren, werden ab 2013 von der bisherigen Billigflieger-Tochter Germanwings übernommen. Die Kern-Lufthansa bedient nur noch die Zubringerrouten nach Frankfurt und München sowie die Langstrecken von dort sowie aus Düsseldorf.

Mit der zu recht dramatischen Darstellung der Situation in der Mitarbeiter-Zeitung wollte Franz vor allem skeptische Lufthanseaten zum Mitziehen bewegen. Die müssen nämlich in erheblicher Zahl zu Germanwings wechseln, und das empfinden viele stolze Kranich-Kollegen als Abstieg. Nicht nur weil damit zum Teil Ortswechsel verbunden sind, sondern vor allem auch Gehaltseinbußen. Doch die Alternative, und daran ließ Franz keinen Zweifel, wäre wohl ein starker Personalabbau.

Lufthansa Airbus A 380 fliget über den Wolken in den Sonnenuntergang (Foto: Lufthansa)
Nur auf den Langstrecken verdient die Lufthansa noch Geld.Bild: Lufthansa

Nicht nur Lufthansa mit Problemen

Denn eins ist klar: Die Welt der Luftfahrt hat sich in den vergangenen Jahren in Europa so stark verändert, dass für die Dinosaurier unter den Airlines, den sogenannten Netzwerkgesellschaften wie Lufthansa, aber auch Air France-KLM oder British Airways, kaum noch Platz ist. Rund 35 Prozent beträgt in Europa der Marktanteil der sogenannten Billigflieger, und fast noch wichtiger ist das Umdenken, das sie ausgelöst haben. Niemand, auch Geschäftsreisende nicht, sind heute mehr bereit, unmäßig hohe Tarife von manchmal mehreren hundert Euro für einen innerdeutschen Flug und ein wenig mehr Komfort in Business Class zu zahlen. Das Credo der Billigflieger, einen simplen Transport von A nach B ohne Extras effizient und kostengünstig anzubieten, haben inzwischen alle Reisenden verinnerlicht.

Das Zeitalter hoher Tarife im Kurzstreckenverkehr ist ein für allemal vorbei. Und damit in diesem Segment das Geschäftsmodell der großen Anbieter - schleppen sie doch aus ihrer langen Geschichte eine Menge Ballast wie hohe Personalkosten oder komplexe Flottenplanungen mit sich herum. Aber gerade den Großen der Branche fällt es immer noch schwer, darauf adäquat zu reagieren. Auch die Lufthansa ist spät dran: Der Vorgänger von Christoph Franz, Wolfgang Mayrhuber, hatte sich über Jahre strikt geweigert, dem hauseigenen Billig-Ableger Germanwings, gegründet immerhin schon 2002, eine größere Rolle innerhalb des Konzerns zuzuweisen. Daher ist nun höchste Eile geboten. Vielen großen Airlines in Europa droht die Luft auszugehen.

Rezepte gegen die Krise

Dabei stehen die Deutschen noch relativ gut da und verdienen zumindest auf ihren Langstrecken Geld. Allerdings drohen nach jüngsten Meldungen 2012 in der Gesamtrechnung Verluste, nur 40 Prozent aller bisher bedienten Routen seien tatsächlich profitabel. Auf kurzen Routen innerhalb Deutschlands und Europas macht Lufthansa schon seit Jahren, im Inland sogar seit Jahrzehnten erhebliche Verluste. Bisher wurde das oft mit den Einnahmen aus lukrativen Fernstrecken quersubventioniert, doch das ist bei den heute extrem geringen Profitmargen und hohen Treibstoffkosten nicht mehr möglich. Andere europäische Netzwerk-Gesellschaften haben daraus schon lange Konsequenzen gezogen: British Airways hat sich etwa von Inlandsstrecken nahezu komplett zurückgezogen. Iberia hat Kurzstrecken weitgehend an günstiger produzierende Tochterfirmen ausgelagert, macht aber trotzdem weiter so große Verluste, dass die Gesellschaft derzeit akut bedroht ist. Air France-KLM steckt ebenfalls tief in den roten Zahlen und hat noch kein schlüssiges Konzept für den Umgang mit Kurzstrecken.

Das hatte die Lufthansa bisher auch nicht - und führt es nun ab 2013 ein. Die bisherige Billigtochter Germanwings wird dafür "aufgewertet", wie es heißt, sie soll "als Qualitätsprodukt im Low Cost-Segment, günstig, aber nicht billig - positioniert werden", erklärt die Lufthansa. Dafür werden bis zu 30 Flugzeuge, die bisher bei Lufthansa flogen, künftig von Germanwings betrieben, mit engerer Bestuhlung und Besatzungen, die weniger verdienen. Die Business Class wird abgeschafft, dafür soll es in den ersten Reihen künftig einen Premiumbereich geben, mit mehr Platz und gratis Verpflegung - für 30 Euro Aufpreis pro Strecke. Ähnliches bieten bisher schon innovative Billigflieger wie die aufstrebende spanische Vueling, die auch an vielen deutschen Flughäfen vertreten ist.

Konzept nicht ohne Risiko

Während sich kurioserweise bisher Germanwings und Lufthansa auf manchen Strecken sogar Konkurrenz machten, soll das Netz künftig optimal koordiniert werden, wobei die bisherige Germanwings ihr aktuelles Streckennetz komplementär beibehält. Ob das allerdings funktioniert, ob die Kunden vor allem auf jetzt noch von der Lufthansa geflogenen Verbindungen mitziehen oder lieber gleich zu Air Berlin oder anderen Billiganbietern abwandern, muss sich erst zeigen.

Trotz des zuletzt erreichten Tarifabschlusses mit den Flugbegleitern muss auch das Personal bei zum Teil radikalen Änderungen mitspielen, möglicherweise weitere Einschnitte in Kauf nehmen. Viel Zeit zur Bewährung für das neue Konzept bleibt nicht: Bis 2015 will Lufthansa das Ruder herumreißen und im europäischen Direktverkehr operative Gewinne erzielen. Gelingt das nicht, könnten noch viel dramatischere Umwälzungen im Kranich-Konzern anstehen.