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Lohmann: "Wahl ist nur eine Etappe"

Martin Koch12. August 2013

Nach der Stichwahl um das Präsidentenamt in Mali werden nun die Stimmen ausgezählt. Die DW spricht mit Annette Lohmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung über die Zukunft des westafrikanischen Landes.

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Annette Lohmann, Leiterin der (SPD-nahen) Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako, Mali (Foto: Katrin Gänsler)
Bild: Katrin Gänsler

DW: Die Stichwahl in Mali zwischen Ex-Premierminister Keita und Ex-Finanzminister Cissé ist vorbei. Frau Lohmann, welchen Eindruck haben Sie vom Verlauf der Wahl?

Lohmann: Ich hatte einen sehr positiven Eindruck. Beide Wahlgänge sind friedlich verlaufen, es sind viele Menschen wählen gegangen. Gestern etwas weniger als beim ersten Wahlgang, aber dennoch kann man unterm Strich sagen, dass sich mehr Menschen beteiligt haben, als das in der Vergangenheit der Fall war. Insofern finde ich, dass mit der Wahl jetzt eine gute Voraussetzung geschaffen wird, um zur politischen Stabilisierung zurückzukehren.

Die internationale Gebergemeinschaft, die Mali mit Milliardenhilfen unterstützt, hat auf diesen frühen Termin gedrängt, der mitten in die Regenzeit gefallen ist. In Korrespondentenberichten wird beschrieben, dass sich viele Wahlberechtigte ihren Weg zu den Wahllokalen durch Matsch und Schlamm bahnen mussten - beeindruckende Bilder: Menschen, die unbedingt zur Wahl wollen!

So ist es. Das hat man auch schon beim ersten Wahlgang gesehen: Die Menschen sind einfach stolz. Viele sind wählen gegangen, die vorher noch nie in ihrem Leben gewählt haben. Es gibt ja auch neue biometrische Wählerkarten, die wurden einem in den Wochen vor der Wahl auch ungefragt immer wieder stolz präsentiert. Die Menschen möchten sich einbringen, das kann man auf jeden Fall festhalten.

Welche Erwartungen haben die Wählerinnen und Wähler mit dieser Wahl verbunden?

Man möchte jetzt die Krise und die Übergangszeit hinter sich lassen und einen Neuanfang beginnen. Man erhofft sich eine politische Stabilisierung und natürlich auch eine Verbesserung der Lebensumstände, denn die meisten Malier sind einfach sehr arm.

Konnten wirklich alle zur Wahl gehen?

Nein. Es gab Defizite im Wählerverzeichnis. Nicht alle, die hätten wählen können, wurden auch erfasst. Zum Beispiel die Flüchtlinge und die intern vertriebenen Personen, die konnten fast gar nicht wählen. Die Gruppe der 18- bis 19-Jährigen wurde zum großen Teil ausgeschlossen, weil die Registrierung zu einer Zeit stattfand, als sie noch nicht die Volljährigkeit erreicht hatten. Das war schon im Vorfeld bekannt und ist auch viel kritisiert worden.

Gibt es Unterschiede zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung in Bezug auf die Wahl?

Ja, die städtische Bevölkerung tendiert eher dazu, Ibrahim Boubacar Keita zu wählen. Soumalia Cissé ist eher auf dem Land stark. Das liegt daran, dass seine Partei bessere Strukturen hat und eben weiter auch in die ländlichen Regionen reicht.

Das Land wird von Korrespondenten immer wieder als zerrissen beschrieben. Welche Schwierigkeiten birgt das für den neuen Präsidenten, egal, wer es dann wird?

Diese Zerrissenheit, die sich ja auf die Nord-Süd-Frage bezieht, würde ich so nicht unterstützen. In den letzten Monaten gibt es da positive Anzeichen, dass die Mehrheit der Malier sowohl im Norden wie im Süden sich zur Einheit des Landes bekennen, insofern ist mein Eindruck, dass das Land gar nicht so arg zerrissen ist.

Und welchem der beiden Kandidaten trauen sie am ehesten zu, diese Einheit weiter zu befördern?

Ich glaube, dass sich das am Ende nicht an der Person des Präsidenten entscheiden wird, da werden andere Faktoren wichtig sein. Man muss auch sehen, dass der neue Präsident, wer auch immer es sein wird, vermutlich relativ geringe Machtbefugnisse hat, da die internationale Gemeinschaft hier sehr stark präsent ist und Mali unterstützt - das ist auch sehr wichtig - und sich natürlich auch einbringt.

Welche Hauptaufgaben sehen Sie auf neuen Präsidenten in seinen beschränkten Möglichkeiten zukommen?

Auf jeden Fall sich der Frage des Nordens zu widmen. Und da ist die Frage ganz wichtig, wie man mit der radikalen Minderheit der Tuareg in der Region Kidal umgeht. Es gibt ja ein vorläufiges Friedensabkommen, das die Teilnahme dieser Region an der Wahl erst ermöglicht hat. Dieses vorläufige Abkommen sieht vor, dass man 60 Tage nach Regierungsbildung weiter verhandelt, um zu einem endgültigen Friedensabkommen zu gelangen, und das wird sicher die erste Priorität für den neuen Präsidenten sein.

Welche Zukunft sehen Sie für Mali?

Die Wahlen stellen eine ganz wichtige Etappe dar für das Land. Es ist sehr zu begrüßen, dass sie bisher so positiv und so friedlich verlaufen sind. Aber sie sind eben auch nur das: eine Etappe. Das wird noch ein längerfristiger Prozess werden, Mali dauerhaft zu stabilisieren, in vielerlei Hinsicht: politisch, wirtschaftlich, sozial. Und das wird noch eine ganz große Anstrengung vieler Akteure mit sich bringen.

Annette Lohmann leitet seit drei Jahren das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bamako, Mali. Die FES begleitet die Entwicklung in Mali seit 1972 mit einem eigenen Büro. Sie arbeitet mit Partnern an der weiteren Stärkung der Demokratie, an der Bekämpfung der sich verstärkenden Sicherheitsprobleme und an der Entwicklung einer Wirtschaft, die Wachstum und Wohlstand für alle ermöglicht.

Das Interview führte Martin Koch.