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Noch viel zu tun gegen Kindersterblichkeit

Andreas Gorzewski23. Oktober 2013

Das Millenniumsziel zur Verminderung der Kindersterblichkeit wird wohl verfehlt. Mit einem neuen Länder-Ranking zeigt die Organisation Save the Children positive und negative Beispiele auf - und fordert mehr Einsatz.

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Kleinkind wird auf Madagascar gefüttert (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Entwicklung der weltweiten Kindersterblichkeit stimmt je nach Sichtweise optimistisch oder pessimistisch. Einerseits kann man den Kampf gegen den Tod der ganz jungen Menschen als Erfolgsgeschichte sehen: Starben 1990 noch zwölf Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag, so waren es im vergangenen Jahr nach Schätzungen des UN-Kinderhilfswerks UNICEF nur noch 6,6 Millionen. Gemessen an der jeweiligen Zahl der Geburten, gingen die Todesfälle um mehr als 40 Prozent zurück. Die weniger erfreuliche Seite: Die Zahlen bleiben hinter den Millennium-Entwicklungszielen zurück. Nimmt man sie zum Maßstab, müsste die Kindersterblichkeit bis 2015 um zwei Drittel sinken. Deshalb mahnt die internationale Kinderrechtsorganisation Save the Children mehr Anstrengungen an. In einem nun in London veröffentlichten Länder-Ranking zeigt die Organisation Erfolge und Versäumnisse auf.

"Wir verzeichnen erhebliche Fortschritte" ...

... lobt Ben Hewitt, Kampagnen-Leiter von Save the Children, die Entwicklung. In nur einer Generation habe sich die Zahl der gestorbenen Kinder halbiert. "Aber jetzt müssen wir uns fragen, wie wir weiter fortschreiten und jeden vermeidbaren Fall von Kindersterblichkeit tatsächlich auch verhindern", betont Hewitt im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Das Ranking von 75 Entwicklungs- und Schwellenländern berücksichtigt nicht nur den zahlenmäßigen Rückgang der Todesfälle. Auch Bemühungen um möglichst gleiche Überlebenschancen für Kinder aus reichen und armen Familien sowie für Jungen und Mädchen spielen eine Rolle. Schließlich wurde auch bewertet, ob ein Land eine nachhaltige Strategie gegen Kindersterblichkeit verfolgt.

Neugeborene in einer Entbindungsstation 2012 in Manila (Foto: Getty)
Oft hängen die Überlebenschancen von Kindern vom Geburtsort abBild: Getty Images

Ganz oben auf der Erfolgsliste steht das westafrikanische Niger. Zwar sterben dort laut UNICEF immer noch 114 von 1000 Kindern unter fünf Jahren. Im Vergleichsjahr 1990 waren es aber noch 326. Das Ergebnis sei auch deshalb bemerkenswert, weil es sich durch alle Einkommensgruppen zieht. Doch Grund zu Zufriedenheit liefert das Ergebnis nicht, wie ein vergleichender Blick auf Deutschland lehrt: Dort sterben vier von 1000 Jungen und Mädchen.

Mehrzahl der Todesfälle von Kindern vermeidbar

Auch Länder wie Liberia, Ruanda, Indonesien und Madagaskar schneiden in der Bewertung gut ab. Einige Staaten haben sogar das angepeilte Ziel einer um zwei Drittel gesenkten Todesrate erreicht. Am unteren Ende der Liste finden sich Haiti, Papua-Neuguinea und Äquatorialguinea. Hauptursachen dafür, dass weiterhin durchschnittlich alle fünf Sekunden ein Kind stirbt, sind Mangelernährung, Lungenentzündung, Malaria, Durchfall und Frühgeburten. Die Mehrzahl dieser Todesfälle ließe sich laut Save the Children mit einfachsten Mitteln vermeiden.

Es gibt mehrere Faktoren, warum einige Länder erfolgreicher als andere im Kampf gegen Kindersterblichkeit sind. Politische Stabilität und Umwelteinflüsse wie etwa Dürreperioden haben großen Einfluss. Entscheidend ist laut Hewitt aber vor allem, ob die jeweiligen Staaten eine gezielte Gesundheitspolitik verfolgen. Das sei beispielsweise in Äthiopien der Fall, wo die Regierung Zehntausende von Gesundheitshelfern ausgebildet hat. Der nordostafrikanische Staat befinde sich im Hinblick auf die Millenniumsziele auf der Zielgeraden. Auch andere Länder zeigten, dass höhere Überlebensaussichten auch ohne kräftiges Wirtschaftwachstum zu erreichen seien. "Dort, wo Länder in Gesundheitsversorgung und in Hilfe bei der Ernährung von Müttern und Kindern investieren, haben wir sehr positive Entwicklungen gesehen", sagt Hewitt.

Der UNICEF-Sprecher für West- und Zentralafrika, Martin Dawes, sieht vor allem die betroffenen Regierungen in der Pflicht. Sie müssten ausreichend Mittel für die Gesundheitsversorgung bereitstellen. "Es gibt eine Einigung, dass die Regierungen 15 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit aufwenden", erklärt er mit Blick auf die Situation in Afrika. Das hätten jedoch nur Liberia und Togo getan. "In einem Land wie Nigeria, das nur vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit ausgibt, beobachten wir große Probleme", beklagt Dawes.

Händewaschen in schlammigem Wasser (Foto: dpa)
Verschmutztes Wasser kann lebensbedrohliche Durchfallerkrankungen verursachenBild: picture-alliance/dpa

Auch der UNICEF-Fachmann sieht Äthiopien als Vorbild für andere Länder der Region. "Das äthiopische Modell bringt die Gesundheitsvorsorge viel näher zu den Menschen", lobt Dawes. Die qualifizierten Helfer kämen direkt zu den Betroffenen. Sie könnten Probleme erkennen, für einen flächendeckenden Impfschutz sorgen und über Malaria aufklären.

Millenniumsziele eng miteinander verbunden

Ungeachtet der Erfolge bleibt laut Hewitt noch viel zu tun. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Kindersterblichkeit unter den Neugeborenen zugenommen habe. Die Zahl der Jungen und Mädchen, die kurz nach der Geburt sterben, mache mittlerweile 44 Prozent sämtlicher Todesfälle bei den Unter-Fünfjährigen aus. Außerdem gefährde die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sowie zwischen Land und Stadt in vielen Ländern die bisherigen Fortschritte. Dabei zeigt sich nach Ansicht des Kinderrechtlers, dass die einzelnen Millenniumsziele zusammenhängen. So seien die beiden Ziele Verminderung der Kinder- und der Müttersterblichkeit eng miteinander verbunden. Auch der Kampf gegen Armut und Hunger und die Forderung nach Gleichstellung der Geschlechter spielten eine Rolle, so Hewitt.

Organisationen wie UNICEF und Save the Children planen bereits für die Zeit nach 2015. Die selbstgesteckten Entwicklungsziele haben nach Einschätzung von Hewitt viele Kräfte mobilisiert - auch wenn die Vorgaben verfehlt wurden. "Der Rahmen nach 2015 kann noch besser sein. Und er bietet eine historische Gelegenheit, vermeidbaren Kindstod bis 2030 ganz auszulöschen."