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Urteil heizt politische Krise an

7. November 2014

In Libyen hat das Oberste Gericht das international anerkannte Parlament des Landes für verfassungswidrig erklärt. Damit wurde die politische Krise in dem erdölreichen Land weiter angeheizt.

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Libyen: Oberster Gerichtshof vor der Urteilsverkündung (Foto. Reuters)
Bild: Reuters/I. Zitouny

In der Hauptstadt Tripolis feierten Islamisten das Urteil mit Luftschüssen und Hupkonzerten, wie ein AFP-Reporter berichtete. Gegen die Entscheidung des von einem islamistischen Abgeordneten angerufenen Gerichts ist keine Berufung möglich. Das Parlament reagierte verärgert.

Der Abgeordnete Abderrauf al-Manai hatte argumentiert, das Ende Juni gewählte Parlament habe sich unrechtmäßig über die Verfassung hinweggesetzt. Diese sieht vor, dass die Volksvertreter in Tripolis oder in der tausend Kilometer östlich gelegenen Stadt Bengasi tagen müssen. Stattdessen tagte das von Antiislamisten dominierte Parlament in Tobruk im äußersten Osten des Landes. Es begründete dies damit, dass seine Sicherheit weder in Tripolis noch in dem von Islamisten beherrschten Bengasi, dem Schauplatz heftiger bewaffneter Auseinandersetzungen, gewährleistet sei.

Manai und andere islamistische Abgeordnete boykottierten die Parlamentssitzungen in Tobruk. Sie beschuldigen das Parlament außerdem, seine Befugnisse überschritten zu haben, als es im August nach der Einnahme der Hauptstadt durch islamistische Milizen zu einer ausländischen Militärintervention aufrief.

Parlament wehrt sich gegen Urteil

Der Rechtsausschuss des Parlaments befasste sich in einer Dringlichkeitssitzung mit der Gerichtsentscheidung und wies diese anschließend als ungerechtfertigt zurück. In einer vom Fernsehsender Awalan ausgestrahlten offiziellen Stellungnahme hieß es, das Parlament und die Regierung würden nach wie vor funktionieren. Die Entscheidung des Obersten Gerichts sei offenbar unter dem Eindruck "drohender Waffengewalt" getroffen worden, da die Hauptstadt von "verbotenen Milizen" beherrscht werde.

Nach Einschätzung von Beobachtern läuft die Gerichtsentscheidung darauf hinaus, den von Islamisten beherrschten Nationalkongress für legal zu erklären. In diesem Sinn äußerte sich am Donnerstag auch der Sprecher des Nationalkongresses, Omar Hmidan. Er sagte, das Gremium sei nun die "einzige rechtmäßige Körperschaft" des Landes.

Das Mandat des Nationalkongresses war nach der Parlamentswahl vom 25. Juni eigentlich ausgelaufen. Die Versammlung trat später jedoch erneut zusammen. Sie erkennt die Autorität des Parlaments und der international anerkannten Regierung von Ministerpräsident Abdullah al-Thani nicht an. Deren Einfluss ist äußerst begrenzt.

Rivalisierende Milizen kämpfen um die Macht

Die meisten Abgeordneten, die das Parlament in Tobruk an der Grenze zu Ägypten boykottieren, unterstützen das islamistische Milizenbündnis Fadschr Libya, das Tripolis kontrolliert und dort eine Parallelregierung unter Führung des islamistischen Politikers Omar al-Hassi einsetzte.

Seit der Tötung des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 im Zuge der Nato-Luftangriffe auf Libyen kommt das nordafrikanische Land nicht zur Ruhe. Rivalisierende Milizen liefern sich Kämpfe um die Vorherrschaft und Kontrolle einzelner Städte, auch in der Hauptstadt. In den vergangenen Tagen wurden nach Angaben von Ärzten allein in Bengasi bei Gefechten zwischen regierungsnahen Milizen und islamistischen Kämpfern mehr als 30 Menschen getötet. Tobruk blieb bislang von heftigen Kämpfen verschont.

re/gmf (afp, dpa, rtr)