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Liberale Visionen

Naomi Conrad, Berlin 3. April 2014

Eine schlankere und flexiblere EU: In Berlin wirbt der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte für eine liberale Vision für Europa - und eine starke liberale Stimme im Europaparlament.

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Mark Rutte 8. Berliner Rede zur Freiheit
Bild: picture-alliance/dpa

Nur ein paar Meter vom Brandenburger Tor entfernt, vor dem Touristen um die vielen Pferdekutschen und Porträtmaler wuseln, blühen rosa Tulpen. Daneben wartet am späten Donnerstagnachmittag (03.04.2014) ein kleiner Pulk Menschen. "Guck mal, da ist ja die ganze alte FDP-Führungsriege", ein älterer Herr im Jackett deutet auf Dirk Niebel. Der ehemalige Entwicklungsminister schüttelt gerade einem Parteifreund herzlich die Hände. "Und der da, wie heißt er noch?", der Mann zuckt die Schultern. Ob er Rainer Brüderle meine, den ehemaligen Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, der gerade auf die Gruppe zusteuert? "Ach ja, genau!" Er strahlt.

Wie die FDP-Größen wartet der Mann auf Mark Rutte. Der Ministerpräsident der Niederlande, das Land, das berühmt für seine Tulpen ist, wird gleich im Allianz Forum neben dem Brandenburger Tor ans Mikrophon treten. Eingeladen hat ihn die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, um die "8. Berliner Rede zur Freiheit" zu halten und eine liberale Vision für Europa zu präsentieren, so steht es in der Presseankündigung. Nein, irgendwelche Erwartungen an Rutte habe er eigentlich keine, sagt der Rentner und schüttelt den Kopf: Er wolle einfach mal hören, was der Ministerpräsident so zu sagen habe. Dann verschwindet in der Eingangshalle, um noch einen der letzten freien Stühle im Saal zu erkämpfen.

"Hier fehlt die Stimme der Liberalen"

Wenig später tritt zunächst der Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff ans Rednerpult, um den Gast zu begrüßen: Ruttes VVD (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie) sei den Deutschen stets ein enger und guter Partner gewesen, die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den beiden Nachbarländern sei so eng, wie sonst nur zwischen Kanada und den USA. In der ersten Reihe tippt Dirk Niebel etwas in sein Handy, dann steckt er es schnell in seine Tasche, als Lambsdorff kurz in die deutsche Innenpolitik abschweift: Die Rentenpolitik der Bundesregierung, die den nachfolgenden Generationen zu hohe Kosten aufbürde, zeige eindeutig: "Hier fehlt die Stimme der Liberalen." Das Publikum klatscht kräftig. Länder mit starken Liberalen, etwa die Niederlande oder Großbritannien, stünden einfach besser da, so Lambsdorff, Spitzenkandidat der FDP bei den Europawahlen. Deutschland gehört derzeit nicht dazu: Bei der Bundestagswahl im September 2013 hat die Partei zum ersten Mal in ihrer Geschichte knapp den Einzug ins Parlament verpasst.

Operation "Comeback" - die FDP will zurück an die Macht

Das, da sind sich die Politiker aus beiden Ländern einig, darf bei den Europawahlen, die Ende Mai stattfinden, nicht wieder passieren: "Wir brauchen möglichst viele Liberale im Europaparlament", so Rutte, als er am Mikrofon steht. Denn nur so könnten sie die Bedingungen für zusätzliches Wachstum in Europa schaffen - und zwar mit einem schlanken und flexiblen Europa. Das liberale Rezept, das Rutte verschreiben will: Der Primat der Politik müsse bei den Mitgliedsstaaten liegen, Bereiche wie etwa das Gesundheitswesen, Steuern oder der Arbeitsmarkt, müssten "zu Hause" von den Parlamenten entschieden werden. Es dürfe nur in Brüssel geregelt werden, was wirklich in Brüssel geregelt werden müsse. Zur liberalen Vision gehört für Rutte außerdem die Stärkung des Binnenmarktes und des internationalen Handels, damit die Exportwirtschaft wachse und Arbeitsplätze schaffe. Auch müssten EU-Beitrittskandidaten stärker dazu verpflichtet werden, Vereinbarungen einzuhalten. Bis zum Beitritt sei das Reformbemühen noch zu erkennen, danach würden Verpflichtungen, etwa im Bereich der Korruptionsbekämpfung oder Rechtsstaatlichkeit, oft nicht ausreichend eingehalten. "Das ärgert viele - und zu Recht!"

Rutte schüttelt kurz den Kopf. In Europa, mahnt der Politiker, seien immer mehr Bürger "nicht gut auf die Europäische Union zu sprechen." Europas Liberale hätten die Aufgabe zu verhindern, dass das Projekt der Freiheit - er meint damit die EU - nicht zu einem Projekt der Unzufriedenheit werde.

"Mindestens 80 Sitze für Liberale"

Die Lösung? In der Zeit des Europa-Wahlkampfes müssten die Liberalen für ihren Standpunkt werben: Ein reformiertes, schlankes Europa, das für seine Bürger arbeite. Er freue sich auf einen große Fraktion mit vielen Vertretern von FDP und VVD, ruft Rutte zum Abschluss seiner Rede in den Saal. Das Publikum klatscht. Natürlich glaube er fest daran, dass die Liberalen bei den Europawahlen gut abschneiden würden, erklärt Rutte später in einem kleinen Nebenzimmer, in dem eine Handvoll Journalisten um den Tisch sitzt: Sie würden wohl nicht die meisten Stimmen bekommen - Rutte und die Journalisten lachen. Aber, fügt er dann hinzu, die liberale Fraktion könne mehr als 80 Sitze im Europaparlament bekommen. Und 2017 würde die FDP sicherlich wieder in den Bundestag ziehen, davon ist er überzeugt: Denn die Führungsriege der FDP sei "sehr stark."

Dann winkt jemand Rutte zu: Er müsse jetzt hoch zum Büffet. Draußen wuseln die Touristen noch immer vor dem Tor, während eine Pferdekutsche an den Tulpen vorbeirattert.