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Der lange Weg zu Frauenrechten im Libanon

Andreas Gorzewski28. März 2014

Im Libanon haben Frauen bislang kaum Schutz vor häuslicher Gewalt. Ein neues Gesetz soll das ändern, doch traditionelle Rollenmuster und Vorbehalte der Religionsgemeinschaften stehen dem entgegen.

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Protest gegen häusliche Gewalt am 8. März 2014 in Beirut
Bild: Getty Images/Afp/Anwar Amro

Der Libanon gilt im Vergleich zu anderen arabischen Ländern als modern, weltoffen und liberal. Doch wenn es um die Lage der Frauen geht, hat der kleine Levante-Staat eine düstere Bilanz. So schützt bislang kein Gesetz die Libanesinnen vor der Gewalt von Ehemännern und Familienangehörigen. Dagegen melden sich Frauenrechtsgruppen und andere Organisationen immer lauter zu Wort. Am Internationalen Frauenrechtstag am 8. März 2014 zogen 4000 Demonstranten durch die Hauptstadt Beirut und forderten ein Gesetz gegen häusliche Gewalt (Foto). Der Gesetzentwurf, der leichtere Klagemöglichkeiten und hohe Haftstrafen vorsieht, liegt schon lange in den Schubladen. Konservative Kräfte lehnen das Vorhaben ab, weil sie die traditionelle Rollenverteilung in der Familie in Gefahr sehen. Doch Anfang April soll das Parlament über das Gesetz beraten.

Frauen gelten im Libanon immer noch als Objekte, beklagt die Aktivistin Rima Abi Nader von der Frauenrechtsorganisation Kafa ("genug"). Die nationale Gesetzgebung hinke internationalen Standards hinterher. "Auf Gesetzesebene gibt es kein einheitliches Recht, das die libanesischen Frauen schützt", sagt Abi Nader im DW-Gespräch.

Libanon noch hinter Somalia eingestuft

Der Rechtsschutz fehlt auf vielen Ebenen. Auf einer Rangliste der Thomson-Reuters-Stiftung zu Frauenrechten findet sich der Libanon unter 22 afrikanischen und nahöstlichen Staaten auf Rang 16 - noch hinter Somalia. Für diese Wertung der Stiftung vom November 2013 gibt es mehrere Gründe. Unter anderem fehlen rechtliche Bestimmungen gegen sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz. Außerdem können libanesische Frauen, die mit ausländischen Ehemännern verheiratet sind, ihre Staatsangehörigkeit nicht an ihre Partner oder Kinder weitergeben. Darüber hinaus ermöglicht das Strafgesetz einem Vergewaltiger, seiner Verurteilung zu entgehen, indem er das Opfer heiratet. Gegen Vergewaltigung in der Ehe gibt es ebenfalls keinen Rechtsschutz.

Libanesinnen in Beirut (Archivfoto: AFP)
Viele Libanesen haben das Bild von einer untergeordneten und schweigsamem FrauBild: RAMZI HAIDAR/AFP/Getty Images

Vor allem gegen gewalttätige Ehemänner kann sich eine Frau kaum wehren. Zwar könne eine misshandelte Frau zur Polizei gehen und sich beklagen, erklärt Abi Nader. "Aber sie muss sich das genau überlegen. Wenn sie zur Polizei geht, kann sie nie mehr nach Hause zurück, denn dann würde die Gewalt noch schlimmer." Wolle die Frau eine Scheidung, weil sie das Leben mit ihrem Ehemann nicht mehr ertrage, dann müsse sie zum Scheich oder Priester beim religiösen Gericht ihrer Konfession. Doch dort stoße sie eher auf Unverständnis.

Jede Konfession hat eigenes Familienrecht

Die Religionen spielen im Libanon eine wichtige Rolle. Vor allem das Familienrecht ist noch ganz in der Hand der Konfessionen. Sunnitische und schiitische Muslime sowie maronitisch-katholische und andere Christen haben ihre jeweils eigenen Regeln für Ehe und Scheidung, Sorgerecht oder Erbschaft. So darf eine sunnitische Mutter laut Abi Nader bei einer Trennung die Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren bei sich behalten, dann gingen diese in die Fürsorge des Vaters über. Bei den Schiiten liege die Altersgrenze für Jungen bei zwei Jahren und für Mädchen bei sieben Jahren. "Bei den Katholiken ist das anders: Bis zum Alter von zwei Jahren entscheidet ein Richter, bei wem das Kind bleibt, bei der Mutter oder beim Vater", erklärt die Kafa-Mitarbeiterin Abi Nader. Gerade die Angst, die Kinder bei einem gewalttätigen Partner zurücklassen zu müssen, zwinge viele Frauen zum Bleiben.

Die Religionsvertreter gehören zu den schärfsten Kritikern des Gesetzesvorhabens, obwohl dieses den Einfluss der Glaubensgemeinschaften nicht beschneidet. Die sunnitische Einrichtung Dar-al-Fatwa hatte erklärt, das geplante Gesetz sei eine "westliche Idee", die die Stellung des Mannes in der Familie untergrabe. Auch die schiitische Hisbollah wertete das Vorhaben als Einmischung in die Beziehung zwischen einem Ehemann und seiner Frau.

Mit einem Banner und einer stilisierten Bahre fordern Libanesinnen, das Gesetz gegen häusliche Gewalt zu verabschieden.
Mit Bannern und einer symbolischen Leichenbahre protestierten Frauen gegen häusliche GewaltBild: Khaldoun Zeineddine

Doch es geht nicht nur um die Macht der Konfessionen, sondern auch um die patriarchalische Mentalität. "Das Parlament hat das Gesetz noch nicht angenommen, weil die Gesellschaft auf tradierten Ansichten beruht", meint die Anwältin und Frauenrechtlerin Ghada Ibrahim aus dem nordlibanesischen Tripoli. Viele fürchteten, dass dadurch die väterliche Autorität geschwächt würde. Wenn einem gewalttätigen Ehemann, Vater oder Bruder eine Strafe drohe, so untergrabe das ihre Stellung als Familienoberhaupt.

Langsamer Mentalitätswandel

Doch mittlerweile ändere sich einiges, stellt Frauenrechtlerin Abi Nader fest. Die beharrliche Arbeit von Organisationen wie Kafa und die Medienberichterstattung über Gewaltopfer veränderten langsam die Mentalität. Wenn eine misshandelte Frau früher zu Polizei ging, sei sie wieder weggeschickt worden. "Geh und regele deine Angelegenheiten mit deinem Ehemann oder dem Geistlichen", hätten die Beamten gesagt. Nun gibt es eine Pflicht, ihr zu helfen und den Ehemann zu einem Gewaltverzicht zu drängen. "Das ändert sich langsam, obwohl die meisten Polizisten Männer sind, die auch ein Bild haben von einer untergeordneten und schweigsamem Frau, die jegliche Gewalt aushalten muss", beschreibt sie.

Nach Ansicht der Anwältin Ibrahim ist die Gesellschaft im Zedernstaat gespalten. Viele Familien gestehen ihr zufolge den Mädchen und Frauen bereits große Freiheiten zu. Andere klammerten sich dagegen an die traditionellen Rollen und seien strikt gegen das Gesetzesvorhaben. Die Juristin ist dennoch zuversichtlich: "Ich denke, dass das Parlament unter dem Druck der Zivilgesellschaft für das Gesetz stimmen wird."