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Einfluss der EU in Nahost

Sabina Casagrande / db22. März 2013

US-Präsident Barack Obama versucht, den Friedensprozess im Nahen Osten voranzutreiben. Politik-Experte Daniel Levy erklärt im DW-Interview, welche Rolle die EU dabei spielen könnte.

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Eine Frau und ein kleiner Junge in Israel gehen an einem Plakat mit Obama vorbei (Foto: AFP)
Bild: Menahem Kahana/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Barack Obama hat seine Nahost-Reise in Israel begonnen. Es scheint allerdings, dass der Besuch mehr mit dem Image amerikanisch-israelischer Beziehungen als mit echten US-Bemühungen um die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern zu tun hat.

Daniel Levy: Ich denke, Obama ist klar, dass er nicht viel im Gegenzug vom israelischen Premier Benjamin Netanjahu zu erwarten hat, dass die Chance auf eine Weiterentwicklung sehr gering ist und dass er sich seine Prioritäten überlegen muss. Er wird wohl den jetzigen Zeitpunkt für die Reise gewählt haben, weil er es leid ist, immer wieder mit dem Thema konfrontiert zu werden, vor allem im Kongress. Dort hat er eine umfangreiches Agenda und möchte dieses Thema vom Tisch haben. Er wollte einen wohlwollenden Besuch im Nahen Osten, bei dem es vor allem darum geht, den Amerikanern zu Hause eine positive Atmosphäre zu präsentieren. Der zweite Grund ist die Ahnung, dass er während seiner zweiten Amtszeit vielleicht den Fuß in die Tür bekommt, um wirklich Bewegung in die Sache zu bringen, insbesondere mit einem israelischen Ministerpräsidenten, der keinen großen Wahlsieg eingefahren hat.

Also möchte Obama - abgesehen von der Beruhigung der kritischen Stimmen in den USA - wirklich dazu beitragen, die Friedensgespräche wieder voranzubringen?

Meiner Meinung nach weiß er, dass der Beginn von Friedensgesprächen keinen Unterschied macht. Ich weiß nicht, was die Leute erwarten, was nicht schon in der Vergangenheit passiert ist, sobald man Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in ein Zimmer steckte: Das bringt einen nicht weiter. Obama meint, wenn er beim israelischen Volk ein bisschen mehr Wohlwollen generieren kann, dann kann er eventuell diese öffentliche Plattform nutzen, um zu versuchen, die politische Stimmung und das Ergebnis in Israel zu beeinflussen.

Porträt des Politik-Experten Daniel Levy (Foto: Joe Mabel)
Daniel LevyBild: Joe Mabel

Von Washington nach Brüssel: Was ist mit den Europäern? Von Andreas Reinicke, dem EU-Sonderbeauftragten für Nahost, und von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton hört man nicht viel. Meinen Sie, es ist an der Zeit, dass die EU einen Schritt nach vorne macht und die Initiative ergreift, um die Dinge zwischen Israelis und Palästinensern wieder in Gang zu bringen? Haben die Europäer irgendein Gewicht?

Ja, potentiell haben sie ein enormes Gewicht. Sie sind sehr wichtige Geberländer für die Palästinenser und gleichzeitig der wichtigste Handelspartner Israels. Während Israel Mauern und Zäune zu den Nachbarländern errichtet, liegen ein riesiger Ozean und 12 Stunden Flugzeit zwischen Israel und den USA. Während sich das Land von der Region abschottet, liegt Europa im Hinterhof Israels.

Doch Europa ist gespalten, Europa ist oft anderweitig beschäftigt, Europa hat bisher weder eine Handlungsunabhängigkeit von den USA bewiesen, noch den Willen zu sagen: Unser bilaterales Verhältnis zu Israel ist wichtig - aber wir sehen es in Verbindung mit der Lösung eines Konflikts in unserem Hinterhof, der letztendlich durch seinen Einfluss auf die ganze Region auch unsere Sicherheit betrifft.

Daher stellen wir an erster Stelle die Frage, wie wir diese bilaterale Beziehung nutzen können, um zu helfen, eine Lösung dieses Konfliktes herbeizuführen, statt Schritt für Schritt unsere Handels- und Technologiebeziehungen mit Israel zu verbessern. Also denke ich, die Erwartungen sind nicht groß: Man findet nur neue Äußerungen des Unmuts über die israelische Siedlungspolitik.

Warum zeigt Europa denn nicht mehr Initiative? Zum Beispiel das Nahostquartett: Vor einigen Monaten meinten palästinensische Funktionäre, Tony Blair, der das Quartett repräsentiert, solle seine Sachen packen und verschwinden; sie sagten, sein Job und die Gruppe, die er vertrete, seien "sinnlos, sinnlos, sinnlos." Dient das Quartett wirklich einem Zweck?

Es kommt darauf an, ob die Amerikaner das Quartett nutzen, um ihre Position näher an die der anderen drei (Anm. d. Red. : EU, UN und Russland) heranzurücken und sie dann sagen können: Das war der kollektive Kompromiss der vier Mitglieder. Ein Kompromiss, den die Amerikaner für wichtig hielten. So würde man das Potential des Quartetts erkennen.

Das Gegenteil ist aber geschehen. Das Quartett hat viel mehr getan, um eine unabhängige europäische Position zu neutralisieren, als um eine ausgewogenere amerikanische Position zu europäisieren. Das ist das nicht verwirklichte Potential, das ist das Scheitern des Quartetts, und eine Änderung ist nicht in Sicht. Werden wir als Teil eines neuen amerikanischen Vorstoßes im nächsten Jahr eine Bewegung weg von dieser Situation sehen, in eine Richtung, in der Amerika entscheidet, sich des latenten Potentials des Quartetts zu bedienen? Ich mache mir keine großen Hoffnungen, aber ausschließen kann ich es auch nicht.

Das Interview führte Sabina Casagrande.

Daniel Levy ist Direktor für das Nahost- und Nordafrika-Programm am “European Council on Foreign Relations”. Zwischen 1999 und 2001 arbeitete er als Sonderberater des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak.