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Kommentar: EU meint es diesmal ernst

Bernd Riegert22. Juli 2014

Die EU droht Russland in der Ukraine-Krise erneut mit Sanktionen. Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit, wenn die EU glaubwürdig bleiben will, meint Bernd Riegert.

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Symbolfoto 12 Zeit Uhr
Bild: picture-alliance/Okapia KG

Der mutmaßliche Abschuss der Passagiermaschine über der Ukraine hat die Sicht der Europäischen Union auf den lange schwelenden Konflikt mit Russland verändert. Die EU-Außenminister konnten nicht mehr anders, als den Druck auf Moskau weiter zu erhöhen. Das machen sie nicht mit Begeisterung, einige Staaten fürchten massive wirtschaftliche Auswirkungen, aber es bleibt ihnen keine andere Wahl mehr, wenn sie glaubwürdig bleiben wollen. Russland hat noch eine knapp bemessene Frist, bis Donnerstag einzulenken und die Rebellen im Osten der Ukraine an die Kandarre zu nehmen.

Am Donnerstag (24.07.2014) werden allerdings auch keine abschließenden Entscheidungen fallen, sondern es wird nur geprüft, ob ein weiterer Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs nötig ist. Der soll dann wirklich endgültig Nägel mit Köpfen machen. Ein kompliziertes, typisch europäisches Verfahren, das man einem amerikanischen Verbündeten nur schwer erklären kann. In den USA reicht ein Erlass des Präsidenten um zu sanktionieren, in der EU ist ein komplexes Rechtsetzungsverfahren nötig. Denn in Europa kann man als Betroffener gegen Sanktionen vor Gericht klagen. Ordnung muss sein.

Russland ist nur noch einen kleinen Schritt von ersten Wirtschaftssanktionen entfernt. Die EU sollte ihren Bürgern nicht verschweigen, dass es sicherlich zu Gegenmaßnahmen der Russen und wirtschaftlichen Verlusten für europäische Unternehmen kommen wird. Die Wirtschaftsleistung in der EU könnte leiden. Diesen Preis wird man zahlen müssen oder man überlässt Präsident Putin ohne politische und wirtschaftliche Gegenwehr das Feld.

Deutsche Welle Bernd Riegert
Bernd Riegert, Europa-Korrespondent

Zur europäischen Glaubwürdigkeit gehörte auch, möglichst schnell ein Waffenembargo zu verhängen. Das hat Frankreich bislang verhindert, weil es zwei teure Kriegsschiffe nach Russland liefern will. Diese Position ist nach dem Absturz von MH17 nicht mehr zu halten. Wie kann man einer Nation Waffen liefern, der man die Ausrüstung von Rebellen mit Waffen vorwirft? Wie kann man Russland Waffen liefern, das vor wenigen Monaten die Krim völkerrechtswidrig besetzt hat? Würden die beiden in Rede stehenden Hubschrauberträger vielleicht im frisch annektierten Krim-Hafen Sewastopol stationiert? Auch die amerikanischen Verbündeten kritisieren die makabre französische Haltung inzwischen offen.

Am Donnerstag wird also ein entscheidender Tag in der Geschichte der Europäischen Union sein. Ein nie dagewesenes wirtschaftliches Ringen mit Russland könnte beginnen, das sogar die Energieversorgung Europas beeinträchtigen könnte. Dann ist die Frage, wer die Sanktionen länger durchhält. Denn eines ist gewiss: Russland wird nicht schnell klein beigeben und seine Expansions- und Interventionspolitik nicht schlagartig ändern. Auch das sollte die EU ihren Bürgern ehrlich sagen. Allerdings ist Russland wirtschaftlich keinesfalls so potent wie Präsident Putin es sich wünschte. Aber es kann sein, dass Russland leidensfähiger ist als der Westen und eine wirtschaftliche Talfahrt wegen der Sanktionen hinnimmt.