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Leipzig von unten: Citytunnel eröffnet

Ronny Arnold14. Dezember 2013

Großprojekte haben in Deutschland Hochkonjunktur, in Sachsen wird jetzt endlich mal eines fertig: der Leipziger City-Tunnel. Die Kosten sind immens, die Stadt erhofft sich einen wirtschaftlichen Schub.

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Eröffnung des City-Tunnels in Leipzig am 15.12.2013
Bild: Freistaat Sachsen

Die Idee ist alt, sehr alt sogar. Schon 1892 wurde in Leipzig erstmals über ein Tunnelsystem unter der Innenstadt nachgedacht. Doch erst verhinderten die beiden Weltkriege den Bau, dann machte die klamme Finanzlage der DDR die Pläne zunichte. Erst nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Idee wieder aus der Schublade geholt, grundlegend überarbeitet, Jahre später konnten tatsächlich erste Verträge unterzeichnet werden. Am 9. Juli 2003 wurde offiziell mit dem Bau begonnen, 2009 sollte der City-Tunnel fertig sein und 572 Millionen Euro kosten. Doch es kam irgendwie anders.

Citytunnel Leipzig
Ein alter Traum: Tunnel unter LeipzigBild: DEGES

Ein guter Tag für Leipzig

Das neue Netz ist insgesamt 5,3 Kilometer lang, riesige Bohrer haben sich jahrelang unterirdisch quer durch die Stadt gefressen. Dabei gab es immer wieder Probleme, weil etwa die Zusammensetzung des Baugrundes falsch eingeschätzt wurde. Am Ende hat sich die Eröffnung des Tunnels um gut vier Jahre verzögert. Nun ist er tatsächlich fertig, erste Testfahrten haben geklappt, in der sächsischen Staatskanzlei knallen die Sektkorken. "Das ist ein guter Tag für Leipzig, der City-Tunnel wird die Attraktivität der Stadt deutlich erhöhen", schwärmt Sven Morlok. Für den Wirtschaftsminister ist das Großprojekt nicht weniger als ein Quantensprung für die gesamte Region.

Tunnelein- und ausfahrt am Leipziger Hauptbahnhof (Foto: Freistaat Sachsen)
Der Hauptbahnhof war ein Kopfbahnhof. Bis der Tunnel kam.Bild: Freistaat Sachsen

Die Deutsche Bahn, der Betreiber der sechs neuen S-Bahn-Linien, verspricht Züge im 5-Minuten-Takt und erwartet in fünf Jahren etwa 30 Prozent mehr Passagiere im Großraum Leipzig-Halle. Die unterirdische Trasse zieht sich vom Hauptbahnhof über Marktplatz und Wilhelm-Leuschner-Platz bis zur Haltestelle Bayerischer Bahnhof. Um diese Station zu bauen, wurde sogar ein 30 Meter breiter und 2800 Tonnen schwerer Portikus, bestehend aus riesigen Torbögen, verschoben. Erst drei Jahre später kehrte er an seinen alten Platz zurück. Insgesamt gibt es nun vier unterirdische Stationen, dazu zwei neue über der Erde.

Die Kosten sind explodiert

Größter Wermutstropfen des Projekts: Die Kosten haben sich fast verdoppelt, anfangs waren 572 Millionen Euro veranschlagt, nun ist man bei knapp einer Milliarde angelangt. Die Hälfte davon muss der Freistaat Sachsen tragen, was den Wirtschaftsminister schmerzt. Er hat bei seinem Amtsantritt 2009 den City-Tunnel geerbt, inklusive Fehlkalkulation. Nach einem Gutachten des sächsischen Rechnungshofes wären Mehrkosten in Höhe von 200 Millionen Euro bereits zu Projektbeginn erkennbar gewesen. "Die hätte man in die entsprechende Berechnung und Vertragsgestaltung einbeziehen können", so Morlok. Der Freistaat Sachsen wäre dann nicht allein auf diesen Kosten sitzen geblieben.

U-Bahn-Station Markt (Foto: Freistaat Sachsen)
Eine der vier neugebauten StationenBild: Freistaat Sachsen

Milliarden hätten besser angelegt werden können

Weitere gut 200 Millionen Euro übernehmen jeweils die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland, Leipzig kommt mit nur sieben Millionen Euro relativ günstig weg. Trotzdem gibt es Kritiker in der Stadt. Das verbaute Geld fehle bei anderen Infrastrukturprojekten, meint Felix Eckardt, Nachhaltigkeitsforscher und Landesvorsitzender des BUND, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. "Der City-Tunnel hat so viel Geld verwendet, das hätte man an anderer Stelle im Öffentlichen Personennahverkehr viel besser nutzen können", so Eckardt. Etwa beim Ausbau des Straßenbahnnetz, im Busnetz oder auch, obwohl das noch mal andere Finanzierungstöpfe sind, im Bereich Fußwege und Radverkehr.

Auch die Grünen im Sächsischen Landtag kritisieren das Großprojekt und erklären, man hätte mit knapp einer Milliarde Euro lieber das sächsische Bahnnetz modernisiert. Doch das Geld ist verbaut, die Projektleiter jubeln und feiern den neuen City-Tunnel als Innovation, die in wenigen Jahren nicht mehr aus Sachsen wegzudenken sei. Der gesamte Mitteldeutsche Wirtschaftsraum mit Leipzig im Zentrum werde von dieser neuen Verkehrsdrehscheibe profitieren: ökonomisch, ökologisch und durch eine steigende Lebensqualität. So klingt das im Werbevideo zum neuen City-Tunnel. Ein wenig kann man sich da durchaus mitfreuen und gleichzeitig nur inständig hoffen, dass sie sich dabei nicht wieder verkalkuliert haben.