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NSU: Neue "Arbeitskultur" in Behörden

Marcel Fürstenau26. Februar 2014

Welche Lehren sind aus der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds zu ziehen? Diese Frage wird seit der Selbstenttarnung der Terrorgruppe diskutiert. Nun legt die Regierung einen Umsetzungsbericht vor.

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Abschlussbericht NSU-Untersuchungsausschuss (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die beiden Kabinettsmitglieder wirken entschlossen, als sie am Mittwoch (26.02.2014) vor der Bundespressekonferenz (BPK) in Berlin den "Umsetzungsstand der Empfehlungen" Umsetzungsbericht des Untersuchungsausschusses zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) präsentieren. Innenminister Thomas de Mazière (CDU) und sein Kollege aus dem Justizressort, Heiko Maas (SPD), haben auf 30 Seiten zusammengefasst, welche Maßnahmen nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 ergriffen wurden oder noch in die Wege geleitet werden sollen.

Im Ergebnis liest sich der Bericht mehr wie eine Bilanz als eine Aufgabenplanung. Neu ist lediglich die Ankündigung, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gesetzlich anders regeln und das Strafmaß für rassistisch motivierte Taten verschärfen zu wollen. Ansonsten belassen es de Maizière und Maas bei wohlfeilen Worten für die umfangreiche Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Der hat seinen knapp 1400 Seiten dicken Abschlussbericht (siehe Artikelbild) bereits im Sommer 2013 vorgelegt. Die darin enthaltenen 47 Empfehlungen seien "Richtschnur" für das Handeln der Bundesregierung, betont der Innenminister. Und der Justizminister ergänzt, man wolle die Ratschläge "Stück für Stück" abarbeiten.

Reform des Verfassungsschutzes lässt auf sich warten

Bei der Lektüre des Umsetzungsberichtes entsteht der Eindruck, dass Politik und Justiz dabei schon recht weit gekommen sein könnten. Denn die von Maas erwähnte Stärkung der Rolle des Generalbundesanwalts bei künftigen Ermittlungen ist ebenso wenig eine Neuigkeit, wie de Mazières Hinweis auf die Einrichtung der Rechtsterrorismusdatei oder das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) von Bund und Ländern. Dass es allerdings mit der angestrebten "Zentralstellenkompetenz" des in Köln ansässigen Bundesamtes für Verfassungsschutz Probleme gibt, klingt deutlich an. Diese Rolle für das BfV hatte schon de Mazières Vorgänger Hans-Peter Friedrich kurz nach dem Auffliegen des NSU in Aussicht gestellt. Doch anscheinend wehren sich weiterhin Landesämter gegen die Beschneidung ihrer Kompetenzen.

Eine Fahne mit dem Logo der rechtsextremen Partei NPD (Foto: dpa)
Auf V-Leute will der Verfassungsschutz auch künftig nicht verzichten.Bild: picture alliance/dpa

Am Einsatz der umstrittenen Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes, sogenannter V-Leute, soll festgehalten werden. Eine entsprechende Empfehlung hatte schon die ebenfalls vom damaligen Innenminister Friedrich initiierte Bund-Länder-Kommission im Mai 2013 gegeben. Friedrichs Nachfolger de Maizière will am Quellenschutz für V-Leute festhalten, "wenn er ihnen zugesichert wird". Diese Praxis sorgt im NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht (OLG) immer wieder für Empörung unter den Angehörigen der NSU-Opfer und ihrer Anwälte. Denn unter Hinweis auf den Quellenschutz bleiben Akten zwielichtiger Zeugen unter Verschluss. Innenminister de Maizière meint denn auch, man müsse mit Zusagen für Quellenschutz künftig "sehr vorsichtig" sein.

Pau hält V-Leute für "bezahlte Täter"

Ginge es nach Linken-Politikerin Petra Pau, der Obfrau ihrer Fraktion im NSU-Untersuchungsausschuss, sollten alle Verfassungsschutzämter aufgelöst werden. Sie seien "weder kontrollierbar noch reformierbar". V-Leute sind ihres Erachtens "keine netten Informanten von nebenan, sondern vom Staat gekaufte Spitzel und bezahlte Täter". Mit ihren Forderungen, die von den ebenfalls oppositionellen Grünen weitgehend geteilt werden, wird Pau keine Mehrheit finden. Einig sind sich die unterschiedlichen politischen Lager hingegen in einem anderen Punkt: dass sich die Mentalität in den deutschen Sicherheitsbehörden ändern müsse.

Innenminister de Maizière erhofft sich eine "Arbeitskultur", mit der "eindimensionale" Ermittlungen ausgeschlossen werden können. Dieses Ziel soll mit entsprechenden Aus- und Fortbildungsmaßnahmen erreicht werden. Justizminister Maas drückt es so aus: "Wir brauchen in den Behörden nicht nur Heiko und Thomas, sondern auch Mehmet und Ayce." Eine Anspielung darauf, dass der Anteil von Behördenmitarbeitern mit ausländischen Wurzeln langfristig dem in der Gesamtbevölkerung entsprechen solle. Das wäre etwa 20 Prozent.