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Lateinamerika ist Chinas neuer Hinterhof

Fernando Caulyt, Astrid Prange20. Mai 2015

Chinas Premier Li Keqiang tourt mit einer großen Wirtschaftsdelegation durch Brasilien, Kolumbien, Peru und Chile. In Brasília kündigte er "gigantische" Investitionen in die Infrastruktur der Region an.

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Brasilia Li Keqiang bei Dilma Rousseff
Bild: Getty Images/AFP/Evaristo Sa

Der Besuch des chinesischen Premiers Li Keqiang in Brasilien hat eine neue Phase der Handelsbeziehungen zwischen den beiden aufstrebenden Schwellenländern eingeleitet. Insgesamt 35 Kooperationsverträge mit einem Volumen von über 50 Milliarden US-Dollar wurden unterzeichnet.

Das größte Projekt ist die sogenannte Transozeanische Eisenbahn, deren Bau rund zehn Milliarden US-Dollar kosten soll. Sie soll die brasilianische Atlantikküste mit dem peruanischen Hafen "Puerto Ilo" am Pazifik verbinden und quer über den Kontinent verlaufen. Nach Angaben des brasilianischen Präsidialamtes liegt allein der Streckenanteil innerhalb Brasiliens bei 4.400 Kilometern.

Auf diesem Weg soll der Export von brasilianischen Exporten wie Soja, Fleisch, Getreide und Eisenerzen nach China vereinfacht werden. "Für China ist es entscheidend, dass es sich auf die Rohstoffexporte aus Lateinamerika verlassen kann", erklärt Marcos Troyjo, Professor am "Center on Global Economic Governance" der Columbia University in den USA. Peking werde deshalb Geld regnen lassen, um die Infrastruktur Lateinamerikas auszubauen.

Schienen und Landebahnen

Doch bei den "gigantischen" Investitionen - so das brasilianische Außenministerium - geht es um mehr als den Export von Rohstoffen. Nach Einschätzung des Staatssekretärs José Alfredo Graça Lima wird China sich weiterhin an öffentlichen Ausschreibungen in der Region beteiligen und dadurch massiv in den Ausbau der brasilianischen Infrastruktur investieren: Häfen, Wasserkraftwerke, Flughäfen und Schienennetz.

Soja Plantage in Brasilien
Brasilien exportiert nicht nur Soja und Eisenerz nach China, sondern auch Flugzeuge und AutosBild: Getty Images

Das Geld könnte sich für das Land als lang ersehnte Konjunkturspritze erweisen. Denn aufgrund der Wirtschaftskrise und der Sanierung des brasilianischen Staatshaushaltes muss Staatspräsidentin Dilma Rousseff bei geplanten Investitionen in die einheimische Infrastruktur harte Einschnitte machen.

"Die 50 Milliarden Dollar aus China werden die brasilianische Wirtschaft beleben und zugleich den Ausbau der maroden Infrastruktur vorantreiben", bestätigt Ana Soliz Landivar vom Deutschen Institut für globale und regionale Studien, GIGA, in Hamburg. Auch für China sei das Engagement langfristig von großem Vorteil, meint die Lateinamerika-Expertin.

Ab nach China

"Die Transozeanische Eisenbahn zum Beispiel verringert die Transportkosten zwischen Brasilien und China", erläutert Soliz Landivar. Und die Investitionen in Flughäfen und Luftfahrttechnologie könnten dazu beitragen, dass China künftig auch Flugzeuge in Brasilien fertigen lasse und von dort aus in andere Nachbarländer exportiere.

Schon jetzt verläuft der Handel zwischen den beiden aufstrebenden Schwellenländern nicht einseitig. Bereits während des Besuchs von Chinas Staatspräsident Xi Jingping 2014 kündigte der brasilianische Flugzeughersteller Embraer den Verkauf von 60 Flugzeugen an zwei chinesische Unternehmen an. Der Vertrag für die ersten 22 Maschinen soll nun unterzeichnet werden.

Im Gegenzug drängt die chinesische Automobilindustrie auf den brasilianischen und lateinamerikanischen Markt. Bereits 2014 eröffnete der chinesische Hersteller "Chery" eine Fabrik im brasilianischen Bundesstaat São Paulo. Im kommenden Jahr will der Hersteller "JAC Motors Brasil" im Bundesstaat Bahia eine weitere Automobilfabrik eröffnen. Von den Produktionsstandorten sollen die chinesisch-brasilianischen Autos auch in die Nachbarländer exportiert werden.

Doch schon jetzt gibt es Kritik an der zunehmenden wirtschaftlichen Kooperation zwischen China und Lateinamerika. Insbesondere die Streckenführung der geplanten transozeanischen Trasse hat Umweltschützer auf den Plan gerufen. Wenn die Eisenbahnverbindung wie geplant durch den Amazonas verlaufe, könne dies die Abholzungen und Brandrodungen im Regenwald in ungeahnte Höhen treiben, so die Befürchtung.

Durch die Anden und den Amazonas

Eine Machbarkeitsstudie soll nun zunächst die Auswirkungen auf Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung prüfen. Neben der Streckenführung durch das Amazonasbecken gibt es auch die Option, die Strecke weiter südlich zu verlegen und als weiteres Land Bolivien in das Mega-Projekt einzubeziehen.

Brasilien Brasilia BRICS Treffen 17.07.2014 Xi Jinping (Foto: REUTERS/Sergio Moraes)
Beim Gipfeltreffen lateinamerikanischer und karibischer Staaten 2014 in Kuba kündigte Chinas Präsident Xi Jinping Investitionen in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar in den kommenden zehn Jahren in der Region anBild: Reuters

Nach Einschätzung von GIGA-Mitarbeiterin Ana Soliz Landivar hängen Vorteile und Risiken der gemeinsamen Investitionsvorhaben mit China in erste Linie davon ab, unter welchen Bedingungen die Projekte durchgeführt werden. "Es kommt darauf an, wie jedes einzelnes Land die Verhandlungen führt", erklärt sie.

"Zum Beispiel: Stammen die Arbeitskräfte aus China oder kommen sie aus der Region? Wird das jeweilige Arbeitsrecht respektiert? Befinden sich Kontrolle, Management und Verwaltung von Megaprojekten wie der Transozeanischen Eisenbahn nach dem Abschluss der Bauarbeiten mehrheitlich in den Händen der lateinamerikanischen Regierungen?", dies seien die entscheidenen Fragen, meint die Lateinamerika-Expertin.

Geldregen in Peru und Kolumbien

China hat bereits 2009 die USA als wichtigsten Handelspartner Brasiliens abgelöst. 2014 summierte sich die gemeinsame Handelsbilanz auf 78 Milliarden US-Dollar, mit einem Überschuss in Höhe von 3,3 Milliarden Dollar zugunsten Brasiliens. Nach dem Besuch von Staatspräsident Xi Jingping, der 2014 neben Brasilien auch nach Kuba, Argentinien und Venezuela reiste, ist dies der zweite Besuch eines ranghohen chinesischen Politikers in Brasilien.

Am 21. Mai reist Keqiang weiter von Brasilien nach Kolumbien. Weitere Stationen der Lateinamerikatour sind Peru und Chile. Während in Chile die Präsenz Chinas wirtschaftlich noch kaum zu spüren ist, ist Peru bereits durch ein Freihandelsabkommen mit China verbunden und beherbergt zudem die größte chinesische Community in Lateinamerika.

In Kolumbien trifft Keqiang mit Präsident Juan Manuel Santos zusammen. Auch dort will China in den Ausbau der Infrastruktur investieren, die durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg beschädigt ist. Insgesamt decken die vier Länder decken 57 Prozent des Handelsvolumens zwischen China und Lateinamerika ab, das mittlerweile mehr als 262 Milliarden Dollar umfasst.