Lasterhaftes im Kloster: "Die 7 Todsünden"
Je weniger religiös die Gesellschaft, umso mehr verlieren die sieben Todsünden ihren Schrecken - oder doch nicht? Eine Ausstellung im Klostermuseum Dalheim bei Paderborn beleuchtet 1700 Jahre sündhafte Kulturgeschichte.
Gestörtes Verhältnis zu Gott
Die Geschichte der Sünde ist so alt wie die Menschheit. Ihren Ursprung hat sie in der vom Menschen zerstörten Idealbeziehung zu Gott. Überzeugt davon, gar keinen Gott zu brauchen, sieht sich der Mensch selbst als Maß aller Dinge, will gar selbst wie Gott sein. So ist der Weg zur Sünde vorprogrammiert.
Die Wurzeln des Übels
Die katholische Kirche versteht unter Todsünden besonders schwerwiegende Verfehlungen wie Mord und Ehebruch. Solche Taten sind nach der klassischen Theologie die Folge von sieben schlechten Charaktereigenschaften, den sogenannten "Wurzelsünden": Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Neid, Faulheit und Völlerei. Dieses Bild (um1900) zeigt alle Todsünden, vereint unter einem geflügelten Totenkopf.
Katalog der Sünden
Entwickelt wurde das moralische Konzept der sieben Todsünden im 4. und 5. Jahrhundert von Wüstenmönchen. Sie schrieben die sündigen Versuchungen bestimmten Dämonen zu und verfassten erstmals einen Katalog menschlicher Laster. Diese Keramikscherbe aus dem 6./7. Jahrhundert enthält Auszüge aus der Liste menschlicher Verfehlungen und ist das älteste Exponat der Schau.
Hochmut und die gefälschte Doktorarbeit
Dieser spitze Schnabelschuh aus dem 15. Jahrhundert steht symbolisch für den Hochmut: Je länger die Spitze, desto eitler der Besitzer. Zittauer Bürgern drohte man 1353 mit dem Abhacken der langen Schuhspitzen sowie der Zahlung eines Bußgeldes. Die gefälschte Doktorarbeit Karl-Theodor zu Guttenbergs ist ebenfalls ein Exponat zum Hochmut: Der Mensch will blenden und wichtiger scheinen, als er ist.
Ist Geiz geil?
Der Geiz tritt gern gemeinsam mit seiner Schwester, der Habgier, auf. Wenn ein Werbespruch etwa "Geiz ist geil" einfordert, dann kommt auch die Habgier ins Spiel. Noch schlimmer, wenn diese Gier zur Sucht wird – zur Habsucht. Will Werbung die Menschen gierig und süchtig machen? Todsünden würden dann zum Kern eines universalen Werbeversprechens: der Erfüllung aller Wünsche.
Wollust oder der Phallus der Äbtissin
Irgendwann steht der Besucher vor einem gläsernen "Dildo". Der stammt nicht nur aus dem 16. Jahrhundert, sondern auch aus dem Nachlass einer Äbtissin. Man kann das Objekt auch als Trinkgefäß nutzen – ein Schelm, wer der Ordensfrau eine andere Nutzung unterstellt. Weit ist es von hier aus nicht bis zur vermeintlich tabulosen Gesellschaft von heute, denn illustriert wird auch die neue Wollust.
Sex als Sünde?
Die Entwicklung der Anti-Baby-Pille mündete in der sexuellen Revolution der 1960er und 70er Jahre. Die sexuelle Befreiung machte die Todsünde Wollust salonfähig. Fachleute behaupten, die Gesellschaft sei inzwischen immer mehr von Pornographie durchdrungen. "Wann ist Sex Sünde? Wenn er ohne Liebe ausschließlich auf Lustmaximierung zielt?" Diese Fragen stellt man auch in der Schau.
Mit Zorn im Bauch auf die Straße …
... gegen bestehende gesellschaftliche Verhältnisse ankämpfen – ein Mittel der 68er-Studendenbewegung. Ihre Gallionsfigur, Rudi Dutschke (seine Lederjacke wird auch ausgestellt), plante Protestaktionen, mit denen er und seine Mitstreiter gezielt provozierten. Inzwischen sind es sogenannte "Wutbürger", die gegen irrwitzige Projekte protestieren. Zur Todsünde Zorn wird auch die Rachsucht gerechnet.
Völlerei – was ist schon dabei?
Die Deutschen hatten den Zweiten Weltkrieg noch nicht aus den Köpfen, da waren ihre Mägen schon längst wieder voll. Völlerei ist im Nachkriegsdeutschland schick, wie dieses Rezept aus einer Frauenzeitschrift zeigt. In den 1950er Jahren hielten fette Speisen Einzug in die deutschen Küchen. Ein runder Bauch galt als Zeichen von Wohlstand. In der Bibel steht Völlerei für Selbstsucht und Maßlosigkeit.
Neidisch sein und machen
Schon dreijährige Kinder empfinden Neid, heißt es. Eltern kauften ihren unterschiedlich alten Töchtern das gleiche Paar Schuhe, um Streit und Eifersucht zu verhindern. Schade, dass es damit wohl nicht getan ist. Kleidung, Auto, Haus – Neid kennt keine Altersgrenze. Und andersrum: Man kauft mit Geld, das man nicht hat, Dinge, die man nicht braucht, um damit Leuten zu imponieren, die man nicht mag.
Trägheit des Herzens
Dazu zählt zum Beispiel die Gleichgültigkeit der Deutschen gegenüber Verfolgten in der Nazizeit. Auch sie ist eine Sünde - von den Gräueltaten der Nationalsozialisten ganz zu schweigen. Um Hochmut und Habgier der Nazis vor Augen zu führen, wird der riesige Globus Hitlers gezeigt, Synonym für die angestrebte Weltherrschaft.
Dem Zeitgeist unterworfen
Die Ausstellung "Die 7 Todsünden" umspannt einen kulturgeschichtlichen Zeitraum von 1700 Jahren. Sie zeigt, wie stark der Lasterkanon dem Geist der jeweiligen Zeit unterworfen ist und bis heute das Gewissen anspricht. Moralisch bewerten will die Schau aber nicht. Das Landesmuseum für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim (Kreis Paderborn) zeigt die 300 Exponate noch bis zum 1. November 2015.