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Ländersolidarität am Ende

Wolfgang Dick25. März 2013

Reiche Bundesländer unterstützen ärmere mit Geldzahlungen - das ist das Grundprinzip des Länderfinanzausgleichs. Gegen die hohen Finanztransfers haben Hessen und Bayern Klage eingereicht.

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Eine Hand legt eine 1-Euro-Münze auf eine Waage. (Foto: Armin Weigel/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Die Klage vor Gericht ist ein Akt der politischen Notwehr", sagt der Ministerpräsident von Hessen, Volker Bouffier. Der Ministerpräsident Bayerns, Horst Seehofer, pflichtet ihm bei: "Es kann nicht sein, dass wir zehn Prozent unseres Haushaltes an andere Länder geben - und diese leisten sich dafür Dinge, auf die wir verzichten, um selbst nicht zu hohe Schulden zu machen." Sogar als "ungerecht" und "bescheuert" bezeichnete der Landeschef von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, den Länderfinanzausgleich. Die drei Bundesländer Hessen, Baden-Württemberg und Bayern zahlen seit Jahren alleine Milliardenbeträge als Ausgleich an dreizehn Länder, die inzwischen nur noch kassieren. Das meiste Geld erhält derzeit Berlin.    

Ziel des Länderfinanzausgleichs

Viele Länder in der Welt haben Regionen, die von ihren fruchtbaren Böden oder großen Industrieansiedlungen profitieren, während im selben Land in benachteiligten Gegenden Menschen keine Arbeit finden und sogar hungern, ohne dass geholfen wird. Deutschland wollte das vermeiden und hat sich bereits 1950 den Länderfinanzausgleich ausgedacht. 1995 wurden die Länder Ostdeutschlands, die nach der Wiedervereinigung Deutschlands hinzugekommen waren, in das System einbezogen. Der Anspruch des Länderfinanzausgleichs: Jeder Bürger in Deutschland soll möglichst die gleichen Lebensverhältnisse genießen können, unabhängig von den Steuereinnahmen des jeweiligen Bundeslandes, in dem er lebt.

  

Infografik Übersicht Länderfinanzausgleich Bayern, Hessen und Baden Württemberg zahlten in den letzten Jahren alleine an 13 Nehmerländer. Den größten Betrag von über 40 Mrd Euro erhielt Berlin. (Grafik: DW)

16 Bundesländer gibt es in Deutschland. Föderale Strukturen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in der Verfassung festgelegt. Damit sollte vermieden werden, dass jemals wieder in Deutschland eine Person oder eine Regierung das ganze Land zentral steuern kann. So entstanden auch die drei politischen Ebenen Bund, Länder und Gemeinden. Jede Ebene ist für eigene Aufgaben zuständig und erhält dementsprechend Geld aus den Steuereinnahmen. Die Steuern werden nicht von einer zentralen Stelle beim Bund, sondern von den einzelnen Finanzämtern der Bundesländer eingenommen und danach verteilt.

Weil die Bundesländer unterschiedlich groß sind, unterschiedliche Bevölkerungsanzahlen und auch unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen haben, verfügen einige Bundesländer über mehr Einnahmen als andere. Dass diese ungleichen Verhältnisse in irgendeiner Form ausgeglichen werden müssen, ist unbestritten. Die Kritik am Länderfinanzausgleich richtet sich auf die Rahmenbedingungen.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (Foto: Peter Kneffel dpa/lby)
Volker Bouffier und Horst Seehofer - Ministerpräsidenten gehen vor GerichtBild: picture-alliance/dpa

Gründe für den Protest

Horst Seehofer, der Ministerpräsident Bayerns, bringt die Kritik auf den Punkt, wenn er fragt, "wie es sein kann, dass in Deutschland eine Schuldenbremse vereinbart wurde, aber selbst reiche Bundesländer inzwischen Schulden machen müssten, um die Ausgleichzahlungen überhaupt leisten zu können". Tatsächlich verschlingen die Aufgaben der  Bundesländer für Schulen, Universitäten, Polizei, Kultur, Wohnungsbauförderung sowie bei den Gemeinden für Kindergärten und vor allem für Sozialhilfe inzwischen so viel Geld, dass selbst den wohlhabenden Ländern zu wenig übrig bleibt, um großzügig etwas abzugeben.  

Die Länderchefs von Hessen und Baden-Württemberg vermissen ein Anreizsystem. "Wer sich anstrengt, wird bestraft und darf zahlen, während andere Länder keine Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie ihre Einnahmeseite nicht verbessern." Man wolle durchaus weiterhin solidarisch sein, aber das bisherige System dürfe nicht überstrapaziert werden.

Hände wühlen in einer Kiste mit Zwei-Euromünzen (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Auch die Geberländer können nicht mehr aus dem Vollen schöpfenBild: picture-alliance/dpa

Vorschläge für Veränderungen

Die protestierenden Ministerpräsidenten wollen sich für Veränderungen einsetzen. Ihre wichtigsten Vorschläge: Für Berlin sollte der Bund mehr bezahlen, weil viele Kosten aus der Funktion der Stadt als Regierungssitz entstehen. Generell sollten alle Bundesländer Steuern verstärkt eigenständig entwickeln dürfen. 

Die meisten Nehmerländer halten von all diesen Vorschlägen nicht sehr viel. In den Verhandlungen mit Hessen, Baden-Württemberg und Bayern kam es bisher auch zu keinen Lösungsvorschlägen. Dabei ist allen klar, dass es spätestens in sechs Jahren zu Veränderungen kommen wird. Denn im Jahr 2019 enden die gesetzlichen Regelungen zum Länderfinanzausgleich.

Länderfinanzausgleich hatte Erfolge

Dass das System der Finanzhilfen durchaus funktionieren kann, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Immer wieder wechselten Länder auch vom Nehmer zum Geber. Am erfolgreichsten war dabei Bayern. Bis 1993 erhielt das Land Gelder aus dem Finanzausgleich. Bayerns Wirtschaft war ursprünglich durch viel Landwirtschaft geprägt und hatte wenige Steuereinnahmen.

Nach dem Motto "Laptop und Lederhose" bauten die zuständigen Landespolitiker seit den 1980er Jahren auf klare Anreize für Gewerbe und Industrieansiedlungen. Es gab vom Bund viel Kritik an den Subventionen in Bayern. "Wir haben es trotzdem einfach gemacht", sagt Jürgen Hofmann, Generalsekretär des Wirtschaftsbeirats Bayern. Als Beispiel konsequenter Förderung nennt Hofmann den Flughafen München, der 1992 eröffnet wurde. Inzwischen ist der Airport eines von Europas wichtigsten Flugdrehkreuzen und hat vieles möglich gemacht, wovon das Land Bayern heute profitiert.

Flugzeuge der Lufthansa parken auf dem Flughafen München (Foto: Werner Hennies, dpa)
Entscheidender Wirtschaftsimpuls - der Flufghafen MünchenBild: picture-alliance/dpa

Entscheidend für die wirtschaftliche Wende sei aber gewesen, dass man gleichzeitig auf viele aufeinander abgestimmte Maßnahmen gesetzt habe, betont Jürgen Hofmann. "Wir sind vorgegangen wie die Tausendfüßler." Neben der konsequenten Wirtschaftsförderung baute man die Anzahl der Hochschulen und deren Spezialgebiete aus. In der Folge siedelten sich viele High-Tech-Firmen in Bayern an. "Der Länderfinanzausgleich hat uns sicher dabei geholfen", gibt Wirtschaftsfachmann Jürgen Hofmann zu. "Wir haben aber gleichzeitig immer stark bei den Ausgaben im Landeshaushalt gespart."

Wie Bayern könnten auch andere Bundesländer handeln, die heute am Tropf des Länderfinanzausgleichs hängen. Aber der Ratschlag taugt nicht ganz. Denn in Bayern  hatte man einen Vorteil: Seit Jahrzehnten wird die Landesregierung mit deutlicher Mehrheit einer einzigen Partei, der CSU, gestellt. Das hat Politik aus einem Guss ermöglicht und wäre so nur noch im lange SPD-regierten Nordrhein-Westfalen möglich gewesen. Jetzt wartet man auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Dann erst soll über die Rechtsklage gegen den Länderfinanzausgleich entschieden werden.