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"Google hat eine schwierige Position"

Nastassja Steudel8. August 2014

Seit der Einführung des "Rechts auf Vergessen" durch den EuGH hat Google 50 Links zum Online-Lexikon Wikipedia entfernt. Doch noch gibt es keine festen Kriterien für die Löschung, sagt Medienrechtsanwalt Thomas Köbrich.

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Das Logo des Internet Konzerns Google fotografiert am 20.05.2013 auf dem Google Campus im Silicon Valley. Foto: Ole Spata/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Im Mai 2014 fällte der Europäische Gerichtshof ein Urteil, mit dem er faktisch ein "Recht auf Vergessen-Werden" im Internet einführte. Damit kann nun jeder bei Google beantragen, dass bestimmte Treffer in der Suchliste zu seiner Person nicht mehr erscheinen. Für viele klingt das nach Zensur. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Thomas Köbrich: Erst mal ist das Urteil sehr verbraucherfreundlich. Es gibt jedem das Recht, über seine Daten zu verfügen. Schon bei der Urteilsverkündung haben Juristen aber festgestellt, dass die Umsetzung nicht einfach werden wird. Das wird im Zweifel immer auf eine Abwägung zwischen einem öffentlichen Interesse und den Interessen der betroffenen Personen hinauslaufen. Dass das mit einer Diskussion verbunden sein würde, das war schon zu diesem Zeitpunkt klar und wird jetzt immer deutlicher, nachdem Google damit begonnen hat, erste Links zu löschen.

Google hat inzwischen 50 Links zu Inhalten auf Wikipedia entfernt. Darunter auch den italienischen Eintrag über Renato Vallanzasca, einen Mafioso und verurteilten siebenfachen Mörder. Nach welchen Kriterien entscheidet der Suchmaschinenbetreiber?

Genau das ist das Problem. Es gibt keine festen Kriterien, die irgendwo niedergeschrieben sind. In einigen Fällen ist es aber relativ klar, dass Betroffene einen Anspruch auf die Entfernung eines Eintrages haben. Beispielweise dann, wenn jemand als Jugendlicher etwas gestohlen hat und sich dieser Fall, weil er mit großem medialen Interesse verfolgt wurde, noch 15 oder 20 Jahre später im Internet wiederfindet. Das ist ärgerlich und mit Blick auf die Resozialisierung auch nicht gut.

Thomas Köbrich, Anwalt für Medienrecht. Foto: Probild-Studio
Köbrich: "Kriterien werden sich erst mit der Zeit entwickeln"Bild: Probild-Studio

Den Fall aus Italien kann ich mir nur so erklären, dass beim Löschungsantrag nicht alle Informationen offen gelegt worden sind. Es liegt bei Google, wie intensiv sie die Links überprüfen.

Die Betreiber der Online-Enzyklopädie Wikipedia sprechen von einer inakzeptablen Zensur. Die Menschen hätten nicht nur ein Recht auf Vergessen, sondern auch auf da Erinnern. Viele Informationen seien ein Stück Geschichte und der Zugang dazu ein Menschenrecht. Ist das korrekt?

Prinzipiell stimmt das, aber man muss immer die Frage danach stellen, was genau relevante Informationen sind. Der Fall der Berliner Mauer beispielsweise ist relevant und wichtig. Der Ausgangsfall, der zu dem Verfahren beim EuGH geführt hat, war es nicht. Da hatte sich ein Spanier dagegen gewehrt, dass sein Name bei Google Spain im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung auftauchte.

Wie hoch sind meine Chancen, einen ungewollten Eintrag entfernen zu lassen?

Das kommt immer auf den Einzelfall an und darauf, wie hoch das Interesse der Öffentlichkeit daran ist. Erst durch die Rechtsprechung werden am Ende verlässliche Kriterien gebildet werden. Das kann aber Monate oder vielleicht sogar Jahre dauern. Hinzu kommt: Bis Ende des Jahres soll die neue europäische Datenschutzgrundverordnung verabschiedet werden. Ich könnte mir vorstellen, dass damit das Gesetz auf Vergessen eine neue gesetzgeberische Ausgestaltung bekommen könnte.

Thomas Köbrich ist Anwalt für Medien-, Urheber- und Datenschutzrecht. Seit 2014 arbeitet er für die Kanzlei Wilde, Beuger und Solmecke in Köln.