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Der Traum vom Gold

Jochen Kürten7. April 2014

Zwischen Magie und Wissenschaft - Alchemie war früher weit verbreitet und stand später in einem schlechten Ruf. Das hat sich geändert. Dazu beigetragen haben auch die Künstler, wie die Düsseldorfer "Quadriennale" zeigt.

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Gemälde: Johan Moreelse, Der Alchemist, 1630, Öl auf Leinwand, (Foto: Robilant + Voena, London und Mailand)
Johan Moreelse: Der Alchemist, 1630Bild: Robilant + Voena, London und Mailand

"Über das Morgen hinaus" lautet das Motto der diesjährigen Quadriennale, eines Festivals der Bildenden Kunst in Düsseldorf, das alle vier Jahre stattfindet. 13 Museen und Institutionen haben sich zusammengeschlossen und präsentieren bis Mitte August Ausstellungen, die auf die eine oder andere Art zum Thema passen. Das erscheint manchmal ein wenig willkürlich, schließlich ist das Motto so schwammig formuliert, dass clevere Kuratoren und Museumsdirektoren keine Schwierigkeiten gehabt haben dürften, sich an dem Kunst-Event zu beteiligen.

Traum vom Reichtum

"Kunst und Alchemie - das Geheimnis der Verwandlung" heißt eine der zentralen Ausstellungen, zu sehen ist sie im Düsseldorfer Kunstpalast, und ausgebreitet wird hier die komplexe Beziehung zwischen den Werken der Künstler und der Beschäftigung mit der Umwandlung der Stoffe. Gold faszinierte die Menschen schon immer, und die Vorstellung, aus profanen Stoffen das wertvolle Metall herstellen zu können, ist ein uralter Menschheitstraum.

Gemälde: David Teniers d.J., Alchemist in seiner Werkstatt, um 1650, (Foto: ©Courtesy of Roy Eddleman, Chemical Heritage Foundation, Philadelphia / Foto: Gregory Tobias)
David Teniers d.J.: Alchemist in seiner Werkstatt, um 1650Bild: Courtesy of Roy Eddleman, Chemical Heritage Foundation, Philadelphia/Foto: Gregory Tobias

"Über das Morgen hinaus" - das Motto passt auf die Ausstellung im Kunstpalast sehr gut. Es war immer schon ein Kerngedanke der Wissenschaft, die Dinge verändern zu können. "Das utopische Potenzial der Alchemie entspricht dem Leitthema der Quadriennale", sagt denn auch Museumsdirektor Beat Wismer, "'Kunst und Alchemie' erzählt auch von den Träumen der Menschen von einer besseren Welt." Und die Künstler gesellten sich dazu. Oft hatten sie sogar die Nase vorn: "Ich habe beinahe den Eindruck, dass die Künstler früher als die Wissenschaftler diese Ahnung hatten, dass in der Alchemie mehr steckt als eine 'sinnlose' Spekulation", meint auch Co-Kurator Dedo von Krosigk im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Künstler seien an dem spekulativen Teil der Alchemie sehr interessiert gewesen.

Göttliche Herausforderung

Richtet man sein Augenmerk auf die Beziehung von Alchemie und Kunst, dann muss man bei Adam und Eva beginnen, - und das tut die Düsseldorfer Schau auch. Die Alchemisten hätten die göttliche Schöpfung herausgefordert, so die Kuratoren. Damit hätten sie Furcht und Bewunderung zugleich erregt. So ist es keine Überraschung, dass zahlreiche Künstler - von der Antike bis zur Moderne - sich des Themas angenommen haben. Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und ganze Wunderkammern zeugen davon - in Düsseldorf sind sie zu sehen.

Krosigk

Interessanter hingegen erscheint ein anderes Phänomen: Immer wieder gab es Künstler aller Couleur, die sich gar selbst als Alchemisten sahen, Goethe etwa oder manche Romantiker. Auch für viele Protagonisten der Bildenden Kunst des vergangenen Jahrhunderts war der Begriff Alchemie kein Synonym für Scharlatanerie. Joseph Beuys und Sigmar Polke sind hier aus dem deutschen Sprachraum zuallererst zu nennen.

Surrealismus und Psychoanalayse

Von Krosigk weist auch auf die Surrealisten hin, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts intensiv mit der Alchemie und der Verwandlung der Dinge beschäftigt hätten. Sie drangen damit auch in Sphären des Unterbewussten vor, brachten Gedanken über die Kunst mit denen der menschlichen Psyche zusammen. Kein Zufall also, dass auch der Psychoanalytiker und Freud-Schüler C.G. Jung ein intensives Studium der Alchemie betrieb.

Gemälde: Max Ernst, Men Shall Know Nothing of This, 1923, Öl auf Leinwand, (Foto: © Tate, London 2013, VG Bild-Kunst, Bonn 2014)
Max Ernst: Men Shall Know Nothing of This, 1923Bild: Tate, London 2013, VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Später experimentierten viele Künstler mit den Materialien - wie eben auch Beuys: "Wenn Künstler Farbe auf eine Leinwand geben oder eine Installation machen mit Werkstoffen, dann interessiert sie ja nicht nur das Formale, sondern es interessiert sie auch der Stoff, mit dem sie das tun", beschreibt von Krosigk das Wechselspiel zwischen Alchemie und Kunst. Die Künstler hätten in der Alchemie "eine Wahlverwandtschaft für das Bewusstsein gefunden, dass Farbe mehr ist als nur eine Dekoration", so der Kurator.

Alchemie versus Aufklärung

Bei den Ägyptern, bei den Griechen, in der Antike, im Mittelalter - stets spielte die Alchemie eine große Rolle, in der Kunst wie in den erwachenden Wissenschaften. Diese Tradition wurde mit der Aufklärung unterbrochen. "Der Knackpunkt ist, dass die Alchemie im Zeitalter der Aufklärung, also Mitte des 18. Jahrhunderts, tatsächlich von der wissenschaftlichen Oberfläche der Gesellschaft verschwunden ist." Bis zu diesem Zeitpunkt sei sie in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt gewesen, meint von Krosigk: "Große Gestalten der Dichtung, der Religion, der Wissenschaften haben sich mit Alchemie befasst." Während der Aufklärung wurde die Alchemie zu einer "Randerscheinung, die in Richtung Okkultismus abdriftete". Im Zuge des 19. Jahrhunderts habe man dann gar nicht mehr verstanden, was eigentlich die Absichten der Alchemisten waren. Erst in den letzten 30 Jahren habe sich das wieder verändert, ist von Krosigk überzeugt.

Gemälde: François-Marius Granet, Der Alchemist, 1. Hälfte 19. Jh., Öl auf Leinwand, (Foto: © Gift of Roy Eddleman, Chemical Heritage Foundation, Philadelphia / Foto: Will Brown)
François-Marius Granet: Der Alchemist, erste Hälfte des 19. JahrhundertsBild: Gift of Roy Eddleman, Chemical Heritage Foundation, Philadelphia/Foto: Will Brown

Noch tiefer als das Zerwürfnis zwischen Alchemie und Kunst war das zwischen Alchemie und Wissenschaft: "Die Wissenschaftsgeschichte hat die Alchemie seit der Aufklärung komplett ignoriert, selbst in Büchern über Isaac Newton, der sich sehr viel mit Alchemie befasst hat, hat man das einfach ausgeblendet, weil es einfach peinlich war - sozusagen ein Irrweg des großen Naturwissenschaftlers."

Alchemie ist mehr als der Traum vom Gold

Und so trägt die Ausstellung "Kunst und Alchemie" auch ihren Teil zu einer Wiederannäherung bei. Sie gewährt den Besuchern die Möglichkeit, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das auch heute noch oft missverstanden oder arg reduziert wird - als bloße Lehre von der Verwandlung profaner Stoffe zu Gold. Dabei kann die Alchemie viel mehr: Sie bietet Anstöße für ein freieres Denken. Die Künstler haben es vorgemacht.