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Kubas Ärzte in doppelter Mission

Jan D. Walter/Nádia Pontes24. Oktober 2014

Die Welt ist voll des Lobes für Kuba. Kein Land hat so viele Ärzte nach Westafrika entsandt wie die Karibikinsel. Doch Kritiker glauben, das kommunistische Regime nutze seine Ärzte für politische Zwecke.

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Dreiei Ärzte der kubanischen Ebola-Mission in Schutzkleidung (Foto:ZOOM DOSSO/AFP/Getty Images)
Bild: Zoom Dosso/AFP/Getty Images

Kuba zeigt der kapitalistischen Welt wie Krisenhilfe funktioniert: Seit Anfang Oktober hat der kommunistische Karibikstaat mehr als 250 Ärzte und Pfleger nach Westafrika entsandt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sollen rund 50 weitere folgen. Seit Ausbruch der Epidemie im März sind etwa 4500 Menschen an den Folgen einer Ebola-Infektion gestorben, die meisten in den afrikanischen Ländern Liberia, Sierra Leone und Guinea.

International stößt die Hilfsbereitschaft des Castro-Regimes auf großen Zuspruch. Die Generalsekretärin der Weltgesundheitsorganisation WHO Margaret Chan und der Ebola-Sondergesandte der Vereinten Nationen David Nabarro dankten Präsident Raúl Castro und seinem Gesundheitsminister Roberto Morales persönlich für die Unterstützung. Selbst der Erz- und Klassenfeind USA hat das Engagement gelobt.

Kuba stellt größte ausländische Hilfsdelegation

Tatsächlich stellt Kuba mit seinem Helferkontingent alle anderen Nationen in den Schatten. Und das nicht zum ersten Mal: Kubanische Ärzte und Krankenschwestern waren schon 2005 nach dem schweren Erdbeben im pakistanischen Teil von Kaschmir zu Hilfe geeilt - und zahlreicher als die Kräfte aus Pakistan. 2010 waren sie die ersten, die nach dem desaströsen Erbeben in Haiti eintrafen.

WHO Margaret Chan und Roberto Morales Ojeda auf einer Pressekonferenz (Foto: dpa)
WHO-Chefin Margaret Chan und Kubas Minister Roberto Morales geben in Genf die Ebola-Hilfe bekanntBild: picture-alliance/dpa

Auch andere Nationen unterstützen Krisenregionen, schicken Helfer und Hilfsgüter. Wie lange das allerdings dauern kann, zeigt die aktuelle Ebola-Epidemie in Westafrika. "Kuba ist da schon besonders", sagt José Luis Di Fabio, der das Büro der WHO in Havanna leitet: "Das Land hat die Fähigkeit sehr schnell zu reagieren, wegen der Erfahrung der Ärzte und des politischen Willens."

Kuba verdient Milliarden mit seinen Ärzten

Genau diesen Punkt beurteilt Antonio Guedes aus einer ganz anderen Perspektive. Guedes ist Kubaner, Arzt und Präsident der Exilpartei Kubanische Liberale Union ULC in Madrid. Für ihn steht bei Kubas politischem Kurs keineswegs der Wunsch zu helfen im Vordergrund. Das Regime in Havanna ziele vielmehr auf die öffentlichen Reaktionen ab, die ihm derzeit entgegengebracht werden: "Kuba tut das erstens um sein politisches Image aufpolieren, zweitens aus ökonomischen Gründen und drittens damit Länder, die Hilfe bekommen haben, in internationalen Foren wie den Vereinten Nationen oder der Menschenrechtskommission zu Kubas Gunsten abstimmen."

50.000 Mitarbeiter des kubanischen Gesundheitswesens verrichten laut nationalem Gesundheitsministerium derzeit ihren Dienst in 66 Ländern. 30.000 sind in Venezuela stationiert. Fast ein Drittel der 83.000 Ärzte, die Kuba hat, arbeiten im Ausland: 12.000 in Brasilien, 2000 in Angola, weitere 2000 im übrigen Afrika.

Das Regime in Havanna verdient mit ihnen mehr als sechs Milliarden Euro pro Jahr. Denn nur ein Bruchteil dessen, was die Ärzte das Ausland kosten, wird ihnen als Lohn auszahlt. Brasilien etwa zahlt für jeden Mediziner 3100 Euro pro Monat an den kubanischen Staat. Erst auf Druck der brasilianischen Regierung erhalten die Ärzte nun immerhin 900 Euro. Nach Angaben des WHO-Vertreters Di Fabio erhält Kuba eine Tagespauschale von rund 190 Euro pro Helfer. Auf die Frage der DW nach dem Salär der Ärzte im Ebola-Gebiet reagierte die Botschaft des Landes in Berlin nicht.

Schwere Bedingungen für kubanische Helfer

Bei allen Helfern, die Kuba nach Westafrika entsandt hat, soll es sich um routinierte Kräfte mit Auslandserfahrung handeln. Sechs Monate lang sollen sie nun dort arbeiten. Zum Vergleich: Ärzte der internationalen Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" bleiben maximal sechs Wochen im Einsatz gegen Ebola, weil die Arbeit - auch wegen der Schutzanzüge - als sehr anstrengend gilt.

Der Arzt vor einem großen Foto mit Fidel Castro und Hugo Chávez. (Foto: REUTERS/Enrique De La Osa)
Der kubanische Arzt Adrian Benitez einen Tag vor seiner Abreise zur HilfsmissionBild: Reuters/Enrique De La Osa

Die Schutzanzüge sind notwendig, um sich im Einsatz gegen Ebola vor dem hochansteckenden Virus zu schützen. Um den richtigen Umgang mit der Ausrüstung zu erlernen, hat das entsandte Medizinische Personal aus Kuba eine dreiwöchige Ausbildung im Tropischen Medizininstitut Pedro Kourí nahe Havanna absolviert. Sollte sich dennoch einer von Ihnen anstecken, sagte Institutsleiter Jorge Pérez, würde er in einer speziellen Station für internationale Hilfsarbeiter behandelt, bis sie geheilt oder verstorben sind.

Wie freiwillig können Kubaner volontieren?

Die ausländische Oppositionspresse sah darin die offizielle Bestätigung, dass die Hilfskräfte im Falle einer Infektion nicht nach Kuba zurückkehren dürften. Eine entsprechende Einverständniserklärung hätten alle Delegationsmitglieder vor der Abreise unterschreiben müssen, sollen Ärzte berichtet haben, die sich daraufhin geweigert haben, an der Hilfsmission teilzunehmen.

Freiwillige von "Ärzte ohne Grenzen", die sich mit Ebola infizieren, werden umgehend in ihr Heimatland überführt und dort behandelt, damit sie möglichst nah bei ihren Familien sein können. Angesichts der schlechten Versorgungsmöglichkeiten in Kuba sei die Entscheidung nachvollziehbar, meint Guedes, aber sie zeuge auch von der Unmenschlichkeit des Regimes in Havanna.

Dennoch sollen sich auf der Karibikinsel 15.000 Freiwillige für den Einsatz im Ebola-Gebiet gemeldet haben. Möglich, meint Guedes, aber unwahrscheinlich. Schließlich sei das mit der Freiwilligkeit in Kuba so eine Sache: "Wer nicht mitmacht, kann seinen Arbeitsplatz oder zumindest seine Position verlieren, oder der Sohn bekommt keinen Platz an der Universität."

Das alles, betont Guedes, der ein Gesundheitszentrum in Madrid leitet, tue dem Resultat selbstverständlich keinen Abbruch: "Natürlich ist es immer gut, wenn Menschen - egal wo auf der Welt - die Hilfe bekommen, die sie brauchen." Worum es dem Exilkubaner geht, ist etwas anderes: dass bei allem Beifall nicht vergessen wird, wie die kurz entschlossene Hilfe aus Kuba zustande komme.