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Kroatien - eine Geschäftsreise wert?

Rayna Breuer2. Juli 2013

Bei Urlaubern ist das Land längst der Hit - doch wie attraktiv ist Kroatien für deutsche Investoren? Und welche Hoffnungen knüpfen kroatische Unternehmen an den EU-Beitritt?

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A woman holds the EU and Croatian flags during the celebration of the accession of Croatia to the European Union in Zagreb June 30, 2013. Two decades since fighting itself free of Yugoslavia, Croatia becomes the 28th member of the European Union at midnight on Sunday against a backdrop of economic woes in the Adriatic republic and the bloc it is joining. REUTERS/Antonio Bronic (CROATIA - Tags: POLITICS)
Kroatien wird EU-MitgliedBild: Reuters

Stolz schreitet er durch die Produktionshallen und erklärt detailliert die Funktionalität jeder einzelnen Maschine. Es wird einem schnell klar: Die Herstellung einer Getränkekiste ist komplex. Und noch etwas wird deutlich: Um die Sprache des Unternehmers zu verstehen, sind einfache technische Kenntnisse nicht ausreichend. Die Euphorie überträgt sich aber direkt - dafür muss man kein Ingenieur sein. "Maximal 60 Sekunden dauert die Fertigung einer Kiste, 1500 produziert jede Maschine pro Tag", sagt Želimir Feitl, Haupteigentümer und Geschäftsführer der Firma Kaplast. "Wir sind ein internationales Unternehmen. Unsere Maschinen kommen aus Deutschland, die Roboter aus Frankreich, die Etiketten für die Kisten aus Belgien und der Kunststoff aus Tschechien."

Seit 40 Jahren gibt es das Unternehmen, inzwischen hält Kaplast 70 Prozent des Marktes für Getränkekisten in Südosteuropa: "Wir exportieren in die Länder des ehemaligen Jugoslawien, also nach Slowenien, Serbien, Bosnien und Herzegowina und Kosovo, ebenso wie in die mitteleuropäischen Länder wie Ungarn und Tschechien", sagt Feitl. Nur ein kleiner Teil gehe in den Westen, doch das solle sich nach dem EU-Beitritt ändern: "Mit der Öffnung des Marktes haben wir größere Chancen, neue Märkte zu erschließen. Wir arbeiten auch schon daran, andere Länder im Inneren der EU für unsere Produkte zu begeistern."

Zelimir Feitl zeigt das Granulat, aus dem der Kunststoff und später die Kisten hergestellt werden. Er ist Haupteigentümer und Geschäftsführer der kroatischen Firma Kaplast (Foto: Rayna Breuer/DW)
Feitl: "Der Beitritt ist eine große Chance für uns."Bild: DW/R. Breuer

Während die Freude bei vielen exportorientierten kroatischen Firmen groß ist, hält sich das Interesse deutscher Unternehmer am kroatischen Markt in Grenzen. "Man könnte von einer gewissen Skepsis deutscher Unternehmen sprechen, die noch nicht auf dem kroatischen Markt sind. Viele überlegen sich, ob Kroatien für sie nach dem EU-Beitritt ein zusätzlicher Markt sein könnte", sagt Gunther Neubert von der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer (AHK). Nach Jahren des negativen Wachstums seien die Hoffnungen jetzt groß, das Tal der Tränen verlassen zu können, sagt Neubert. "Kroatien wird wieder stärker in den Fokus deutscher Firmen rücken, gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen."

Gute Infrastruktur, aber hohes Lohnniveau

Trotz des schwierigen Umfelds hat Kroatien viele Fortschritte machen können, die die Skepsis der ausländischen Investoren eigentlich zerstreuen sollten. "Deutsche Firmen können auf gute logistische Strukturen zurückgreifen. Die Infrastruktur, von der Bahn abgesehen, ist gegeben. Außerdem ist der Ausbildungsstand hier sehr hoch, die Menschen verfügen über sehr gute Sprachkenntnisse", sagt AHK-Geschäftsführer Neubert.

Für Yachtbesitzer wird es teurer

Einige deutsche Unternehmen sind seit Jahren auf dem kroatischen Markt engagiert. Ein Beispiel für ein deutsches Unternehmen mit langer Tradition in Kroatien ist der Lebensmittelhersteller Dr. Oetker. "Wir gehören fast schon zur kroatischen Familie", sagt der Managing-Direktor Olaf Cordts. Oetker ist seit 80 Jahren in Kroatien, doch produzieren lässt das Unternehmen woanders. Und genau da zeigen sich die Schwächen des kroatischen Marktes: "Die wenigsten Unternehmen haben Produktionsstandorte hier, der Markt ist mit seinen 4,4 Millionen Menschen zu klein, es ist nicht rentabel. Jeder sucht Synergien und Zusammenschlüsse von Märkten und produziert in anderen Ländern mit anderen Kostenstrukturen", sagt Cordts. Dr. Oetker produziert daher in Ungarn für den slowenischen und kroatischen Markt.

"Das vergleichsweise hohe Lohnniveau spricht gegen Kroatien als Produktionsstandort. Andererseits ist die geografische Nähe zu den wichtigen Industriezentren in Norditalien, Österreich und Süddeutschland sicher ein Vorteil", sagt Mario Holzner vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche. Mit einem plötzlichen Massenansturm ausländischer Investoren sei ab dem 1. Juli nicht zu rechnen, so der Experte.

Nischen für deutsche Unternehmen

Zwar scheint Kroatien als Produktionsstandort für ausländische Unternehmen nicht so attraktiv zu sein, dafür gibt es aber andere Vorteile, die gerade deutsche Unternehmen für sich gut nutzen können: "Es gibt eine Menge von Branchen, in denen wir uns deutsches Engagement und Investitionen gut vorstellen können. Neben dem Lebensmittelbereich natürlich der Tourismus, aber auch der Bereich Infrastruktur und Bausanierung, zum Beispile Steigerung der Energieeffizienz, wo derzeit viele Projekte geplant sind. Da sehen wir viele Chancen für deutsches Know-How und Technik", sagt Gunther Neubert. Bei ausländischen Direktinvestitionen nimmt Deutschland nach Österreich und den Niederlanden derzeit den dritten Platz ein.

Gunther Neubert, Geschäftsführer der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer in Zagreb (Foto: Deutsch-kroatische Industrie- und Handelskamer)
Gunther Neubert: "Kroatien wird wieder in den Fokus deutscher Unternehmen rücken."Bild: Deutsch-kroatische Industrie- und Handelskamer

Bessere Vorbereitung notwendig

In den Markt einsteigen oder nicht: Deutsche Investoren können sich Zeit lassen. Dies gilt nicht für die kroatischen Firmen, wenn sie nach dem EU-Beitritt konkurrenzfähig bleiben wollen. "In Kroatien werden hervorragende Produkte hergestellt, die sich für den Export eignen, wie zum Beispiel Olivenöle. Zum einen ist das Problem, dass diese Produkte wenig bekannt sind und dann, dass sie in kleinen Mengen produziert werden. Es ist ratsam, dass sich die Produzenten zusammenschließen, um größere Mengen zu erzielen, um so auf anderen Märkten Präsenz zeigen zu können", sagt Gunther Neubert von der AHK in Zagreb.

Nicht nur die Quantität ist ein Stolperstein für die kroatischen Produzenten, auch die verhältnismäßig hohen Preise, die außerhalb des Heimatmarktes kaum konkurrenzfähig sind. "Mit der Öffnung der Märkte werden viele Güter nach Kroatien exportiert. Diese Konkurrenz wird sich im Preisvergleich bemerkbar machen. Viele Produkte mit einer vergleichbaren Qualität werden günstiger zu kaufen sein. Der EU-Beitritt soll ein Anreiz sein, die Konkurrenzfähigkeit zu steigern", sagt Neubert.