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Kritik an Geheimgesprächen mit Taliban

Waslat Hasrat-Nazimi/Cui Mu27. Mai 2015

Wieder einmal sollen Geheimgespräche mit Taliban-Vertretern stattgefunden haben, diesmal in China. Angesichts der mörderischen Anschlagsserien reagieren die Afghanen mit Skepsis oder Verbitterung.

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(Symbolbild) Kämpfer von Taliban. (Foto: AFP)
Bild: picture-alliance/dpa/Noorullah Shirzada

Eine afghanische Delegation des Hohen Friedensrats und ehemalige Funktionäre des Taliban-Regimes, das 2001 gestürzt worden war, sollen laut afghanischen und westlichen Medienberichten letzte Woche zu geheimen Verhandlungen nach Urumqi im Nordwesten Chinas gereist sein. Geleitet wurde die afghanische Delegation von Masoom Stanekzai, Sekretär des Hohen Friedensrates. Kurz darauf wurde er von Präsident Mohammad Ashraf Ghani zum Verteidigungsminister nominiert. Sollte das afghanische Parlament zustimmen, wird er diesen Posten übernehmen. Bei den Friedensgesprächen gilt er als Chefunterhändler der afghanischen Regierung.

Masoom Stanekzai, designierter Verteidigungsminister Afghanistans, gilt als Chefunterhändler mit den Taliban. (Foto: AP/dapd)
Masoom Stanekzai, designierter Verteidigungsminister Afghanistans, gilt als Chefunterhändler mit den TalibanBild: dapd

Gespräche über Gespräche

Der afghanischen Seite standen drei ehemalige Taliban-Regierungsvertreter gegenüber, die aus Pakistan nach Urumqi gereist waren. Begleitet wurden Mullah Abdul Jalil, Mullah Abdul Razaq und Mullah Hassan Rahmani von Vertretern des pakistanischen Geheimdienstes ISI. Anderen Berichten zufolge haben pakistanische Vertreter lediglich als Organisatoren des Treffens in Erscheinung getreten.

Peking hat offiziell erklärt, von der Ausrichtung eines solchen Treffens nichts zu wissen. Es erklärte aber sein großes Interesse an einer friedlichen Entwicklung in Afghanistan. Von diesem Treffen müsse die chinesische Regierung "etwas davon gewusst haben", sagt Wang Lian, Politikwissenschaftler an der renommierten Pekinger Universität. "Natürlich hat China noch ein bisschen Bedenken, vor allem weil die Taliban meistens als Extremisten oder Terroristen wahrgenommen werden. Aber schließlich tut es China gut, wenn politische Prozesse in Afghanistan erfolgreich ablaufen. Es geht auch um Chinas Sicherheit."

Das Treffen in Urumqi ist das Jüngste einer Reihe von ähnlichen inoffiziellen Begegnungen, die bereits in Katar und im Iran stattgefunden hatten. Diese wurden stets von Kabul und von den Taliban dementiert, so auch diesmal. So seien auch die Meldungen über das Treffen in China für den Sprecher des Hohen Friedensrates, Shahzada Shahid, lediglich Gerüchte. "Uns liegen keinerlei Informationen zu einem Treffen in China vor", so Shahid.

Afghanische Experten und Abgeordnete kritisieren die Geheimnistuerei der Regierung. Präsident Ghani hätte versprochen, die Gespräche sollten völlig transparent sein. "Die Bevölkerung ist sehr unglücklich mit der Regierung. Es hat bis heute keine echten Gespräche für den Frieden gegeben", kritisiert Haji Abdulhai Akhondzada, Parlamentarier aus der Provinz Helmand und stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Innere Sicherheit im Parlament. "Bisher ging es nur darum, wie man die Gespräche beginnen kann - nicht aber um den Frieden."

Pensionierte Taliban-Funktionäre?

Leidtragende seien die Menschen in Afghanistan, sagt Akhondzada gegenüber der DW: "Jeden Tag verschlechtert sich die Sicherheitslage in Afghanistan. Es gibt Kämpfe in jeder Provinz, eine positive Entwicklung fehlt. Die Taliban sind mitten in ihrer Frühjahrsoffensive. Nur wenn diese erfolglos bleibt, werden sie zu Gesprächen bereit sein." Die afghanische Regierung habe keine Fortschritte gemacht. Und die pakistanische Regierung habe ihr Versprechen, die Taliban an den Verhandlungstisch zu bringen, ebenfalls nicht eingehalten.

Der afghanische Politikexperte Ahmad Saeedi hält es außerdem für sinnlos, auf ehemalige Funktionäre des Taliban-Regimes zu setzen. "Diejenigen, die in den Emiraten und arabischen Ländern sitzen, haben kaum Einfluss auf die Aktivitäten der Taliban von heute", stellt Saeedi klar. "Die Taliban, die seit Jahren nicht mehr in Afghanistan waren, haben kaum Einfluss auf die junge Riege der Taliban."

Freund oder Feind?

Experten sind sich einig: Nur im Falle einer aufrichtigen Zusammenarbeit des pakistanischen Geheimdienstes ISI mit Kabul kann man gegenüber den Taliban Forderungen stellen. Vor einer Woche verkündete die afghanische Regierung die Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit der pakistanischen Regierung. Darin soll die Unterstützung Pakistans im Kampf gegen gemeinsame Feinde zugesichert werden. Beide Seiten sollen Informationen über die Bekämpfung der Aufständischen und anstehende Operationen austauschen. Die geplante Vereinbarung ist jedoch höchst umstritten und wird in Afghanistan von der breiten Öffentlichkeit abgelehnt.

Für Experten Ahmad Saeedi ist die Zusicherung Pakistans nur ein Spiel. "Erst am Montag (25.05.2015) hat Premierminister Nawaz Sharif den Medien gegenüber verkündet, die Taliban bekämpfen zu wollen. Einen Tag später aber sehen wir schon wieder Anschläge in den afghanischen Provinzen in Kandahar, Wardak und Baghlan." Laut UN ist die Zahl der toten Zivilisten in Afghanistan auf Rekordhöhe gestiegen. In den ersten vier Monaten dieses Jahres starben 974 Afghanen, 1963 wurden verletzt. Das ist ein Anstieg von 16 Prozent im Vergleich zur selben Periode im Vorjahr.

Folglich seien Pakistans Bekenntnisse nur leere Worte, so Saeedi. "Wenn sie wirklich einen Teil beitragen wollen, müssen sie die Haqqani-Gruppe und die Quetta-Schura (Beide sind islamistische Terrorgruppierungen, die in Pakistan aktiv sind. Anm. d. R.) erst mal ausweisen". Ob sie das tun, bezweifelt er jedoch.