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Wirken durch das Wort

Christoph Strack16. Juni 2014

Bundespräsident Gauck drängt auf eine stärkere internationale Verantwortung Deutschlands. Seine deutliche Wortwahl zeigt, dass ihm die bisherige Debatte nicht reicht, meint Christoph Strack aus dem DW-Hauptstadtstudio.

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Präsident Joachim Gauck in Afghanistan umgeben von Bundeswehrsoldaten (Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Bild: Reuters

Was darf ein Bundespräsident? Die Bundesrepublik hat dazu in diesen Tagen eine höchstrichterliche Klärung erfahren. Demnach darf der Bundespräsident, knapp gesagt, auch pointiert seine Meinung sagen. Joachim Gauck selbst hatte im Vorfeld der Entscheidung mit einer vor Gericht verlesenen Erklärung Stellung genommen: "Der Bundespräsident wirkt durch das Wort", so Gauck über den Präsidenten. Ja, letztlich könne er "allein durch Reden und Gespräche wirken".

Derzeit steht Deutschland in einer Debatte um diplomatische Perspektiven und globale Veränderungen. Grundsätzlich thematisiert Bundespräsident Joachim Gauck das militärische Engagement Deutschlands im Ausland und will mehr Verantwortung. Im Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen sei es "manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen", so das Staatsoberhaupt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Sechs Monate nach seinem viel beachteten Plädoyer für eine aktivere Rolle Deutschlands in der internationalen Politik bei der Münchner Sicherheitskonferenz, lässt Gauck erkennen, dass sein damaliger Impuls nicht die von ihm erwünschte Debatte nach sich zog.

Auffrischen einer alten Forderung

Die Botschaft Gaucks ist also nicht neu, die Aufregung doch frisch. Die Ukraine-Krise sei, verglichen mit dem Zeitpunkt seiner Münchner Rede im Januar, schlimm eskaliert. Der blutige Bürgerkrieg in Syrien im vierten Jahr und ohne jede Perspektive, und auch die Lage im Irak gestalte sich mittlerweile mehr als explosiv, bemerken Kritiker aus Politik und Medien. Aber: Sollte Gauck just wegen dieser dramatischen und sicherheitspolitisch durchaus beängstigenden Entwicklungen das Thema nun galant präsidial verschweigen? Dann wäre das neue deutsche Nachdenken über mehr internationale Verantwortung wirklich genau das, was Gauck nicht will: ein Schönwetter-Thema. Ein Diskurs im Abstrakten.

Christoph Strack, Redakteur im DW-Hauptstadtstudio (Foto: DW)
Christoph Strack, Redakteur im DW-HauptstadtstudioBild: DW

Nein. Der Bundespräsident macht mit seinen Beiträgen zur Rolle Deutschlands in der Welt auf die globalen Veränderungen aufmerksam, die Deutschland fordern. Die USA verändern - bei allen Unwägbarkeiten und Kursschwankungen - ihre globale Rolle. Die NATO sieht sich angesichts der Ukraine-Krise und der damit verbundenen Anfragen plötzlich selbst in der Krise. Teile der arabischen Welt treibt die Identitätssuche in Konfessionskriege. Und Europa ringt, wie die jüngsten Wahlen zeigen, noch einmal neu um seine Seele. Bei vielen dieser Themen spielt Deutschland - ob es will oder nicht - eine globale Rolle. Das zeigt die nicht endende Reihe an internationalen politischen Gästen in Berlin. Entsprechend seiner Bedeutung im internationalen Geschäft ist Deutschland gefragt.

"Zu den Waffen greifen" - auf einmal tauchen neue Wörter auf

Gaucks Botschaft ist nicht neu, die Worte sind es doch. In München redete er im Januar lang und breit in sorgsam gewählten Worten. In diesen Tagen nun sprach er im Radio. Und da kommt neben dem Verweis auf Weltlagen und Verantwortungsfragen eben auch ein Wort wie "zu den Waffen greifen". Waffen - der Begriff tauchte in der programmatischen Rede vor der Sicherheitskonferenz, vor Akteuren des Weltgeschehens, Diplomaten und militärpolitischen Experten, kein einziges Mal auf.

Auf das Wort kommt es an. Deutlicher als im Januar spricht Joachim Gauck aus, was eine "aktive Teilnahme an Konfliktlösungen" auch heißen kann. "Dann ist als letztes Mittel manchmal auch gemeinsam mit anderen eine Abwehr von Aggression erforderlich", sagt er im Interview weiter. Bemerkenswert, dass Gauck in seiner aktuellen Aussage das "sehr aktive" Engagement der Bundesregierung im Ukraine-Konflikt als Beispiel anführt. Krieg ist keine Lösung, heißt es da stets, ein bewaffnetes Eingreifen könne es nicht geben.

Ja, Deutschlands Rolle in der Welt hat sich bereits verändert und wird neu bestimmt. Es ist gut, dass der Bundespräsident dieses Thema nicht mehr loslässt und er auf die öffentliche Debatte drängt. Sie fehlt. Wenn sein neues Wort nun nicht nur für kurzzeitige Irritationen, sondern auch für ein breiteres gesellschaftliches Nachdenken sorgt, hätte das Wort des Bundespräsidenten gewirkt.