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Cannabis als Medikament

Marcus Lütticke24. Dezember 2012

Schwerstkranke, die Marihuana als Medizin benötigen, kämpfen seit Jahren für eine Legalisierung. Ein Gericht in Münster hat nun zu ihren Gunsten entschieden.

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Cannabispflanze (Bild: ddp/AP Photo/Carlos Osorio)
Cannabispflanze in den USABild: dapd

Michael F. ist schwer krank. Seit mehr als 20 Jahren leidet der gelernte Fliesenleger aus Mannheim an multipler Sklerose (MS). Das Sprechen fällt ihm schwer, er leidet unter Krämpfen. Linderung verschafft ihm der Konsum von Marihuana. Gewonnen wird die Droge aus den getrockneten Blüten und Blättern der Hanfpflanze, deren lateinischer Name Cannabis ist. Die medizinische Wirkung ist unbestritten. Dennoch haben es Patienten wie Michael F. schwer, eine legale und bezahlbare Therapie mit Cannabis zu bekommen.

Michael F. besitzt bereits eine Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Marihuana. Er könnte sich also entsprechende Medikamente in der Apotheke kaufen, wären diese nicht zu teuer für ihn. Am 7. Dezember 2012 war sein Gerichtstermin in Münster – Michael F., der den Eigenanbau von Cannabis für Schwerkranke fordert, gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Im Grundsatz bekam der MS-Patient Recht, doch die Entscheidung wird auf seine persönlichen Lebensumstände zunächst keinen Einfluss haben. Dazu kommt, dass sie noch nicht rechtskräftig ist. 

Eigenanbau als Notlösung

Das Cannabis für seine Therapie pflanzt Michael F. selber an – in seinem Badezimmer. Er tut dies, weil er sich durch die aktuelle Rechtslage dazu gezwungen sieht. Ein Bezug von sogenanntem Medizinalhanf über die Apotheke wäre zwar unter strengen Auflagen möglich, jedoch werden die Kosten dafür generell nicht von den Krankenkassen oder anderen Stellen übernommen. Kranken, die nicht genügend Geld dafür haben, bleibt also nur der Eigenanbau.

So sah es auch das Oberverwaltungsgericht Münster, das erst am vergangenen Donnerstag (20.12.2012) die Begründung für das Urteil vom Monatsanfang veröffentlichte. Gelöst ist das Problem dadurch jedoch nicht: "Für die Patienten wäre es am angenehmsten, sie könnten einfach in die Apotheke gehen, dort ein Rezept oder anderes Dokument vorlegen und dort ihr Cannabis abholen", sagt der Mediziner Franjo Grotenhermen im Gespräch mit der Deutschen Welle. Schließlich sei das in anderen Ländern so oder in ähnlicher Form auch möglich. In Deutschland sei dies jedoch politisch nicht gewollt.

Eine Statue der Justitia, Göttin der Justiz und der Gerechtigkeit, (Bild: dpa)
Das Oberverwaltungsgericht Münster gibt dem Kläger RechtBild: picture-alliance/dpa

Rechtssicherheit in anderen Ländern

In Israel, den Niederlanden, Kanada und Teilen der USA gibt es jeweils gesetzliche Regelungen, die Schwerkranken den Bezug von Cannabis auf legalem Weg ermöglichen. Teilweise ist auch ein Eigenanbau gestattet, jedoch sind hierzu nicht alle Betroffenen körperlich in der Lage.

In Deutschland müsste zukünftig das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn die Genehmigungen zum privaten Cannabis-Anbau erteilen - also genau die Behörde, gegen die Michael F. beim Prozess in Münster antreten musste. Wie das im Einzelnen aussehen könnte und welche Sicherheitsauflagen damit verbunden wären, ist noch völlig unklar. Auf Anfrage der Deutschen Welle wollte man sich beim BfArM auch nicht zu dem Urteil äußern, weil es noch nicht rechtskräftig sei.

Medikamente (k)eine Alternative?

Michael F. bleibt das Recht auf legalen Cannabisanbau auch nach dem Urteil verwehrt. In seinem speziellen Fall sah das Gericht eine Behandlung mit dem auf der Droge basierenden Medikament Dronabinol als Therapiealternative. Die Krankenkasse von Michael F., die AOK, hatte die Übernahme der Kosten für das Medikament stets abgelehnt. Erst auf Anfrage des Gerichts wurde nun doch eine Kostenübernahme zugesagt.

Cannabis in den Niederlanden zu medizinischen Zwecken (Bild: AP Photo)
In den Niederlanden gibt es Cannabis auf RezeptBild: AP

Für Oliver Tolmein, Rechtsanwalt von Michael F., ist der juristische Kampf noch nicht beendet: "Dronabinol wirkt bei unserem Mandanten nur ergänzend. Es führt dazu, dass er weniger Cannabis braucht." Dies will er nun medizinisch nachweisen. Erst danach wäre der Weg für den Eigenanbau auch für seinen Mandanten frei.