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Teure Spitzel im Meer

Andreas Noll4. Juni 2012

Deutschland war schon immer ein gefragter U-Bootbauer. Rund 170 Boote hat HDW in den vergangenen 50 Jahren verkauft. Bis 2020 sollen 25 weitere hinzukommen. Dabei leiden einige Käufer unter der Schuldenkrise.

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Das U-Boot 33 im Marinehafen von Eckernförde. (Foto: Carsten Rehder dpa/lno)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Minister ließ sich kurzfristig entschuldigen. Für den schwergewichtigen Evangelos Venizelos stand der Chef der griechischen Marine am 2. November 2010 in Kiel an der Kaimauer, um die "Papanikolis" bei der Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) in Empfang zu nehmen. Venizelos war offensichtlich nicht zum Feiern zumute, auch weil sich sein Land das Hunderte Millionen Euro teure U-Boot im Grunde gar nicht leisten kann. Doch bestellt ist bestellt und so sollen die Griechen in den kommenden Jahren noch weitere fünf U-Boote nach deutschen Plänen bekommen – gefertigt allerdings nicht in Kiel, sondern auf einer Werft in Griechenland.

Heute operieren deutsche U-Boote fernab der Heimat

Mit dem Brennstoffzellen-U-Boot hat der Werftenverbund Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) in Essen offensichtlich ein Modell im Angebot, das im Ausland Begehrlichkeiten weckt. Neben Griechenland haben auch Portugal, die Türkei, Israel und Südkorea bei den Deutschen geordert. Ein Deal mit Pakistan ist geplatzt. Wenn auch die jeweiligen Staaten unterschiedliche Gründe für ihre Bestellungen haben, punktet U214 – so der offizielle Titel des Bootes – vor allem durch seinen außenluftunabhängigen Antrieb. Diese Befähigung des vergleichsweise kleinen konventionellen Bootes (27 Soldaten Besatzung) war bislang nur Atom-U-Booten vorbehalten (rund 130 Soldaten Besatzung). U214 kann wochenlang unter Wasser operieren – im Gegensatz zu den Generationen von Diesel-U-Booten, die regelmäßig für die Frischluftzufuhr ihrer Dieselmotoren an die Oberfläche mussten. "Das Limit für die Tauchfahrten liegt nun vor allem bei der Besatzung, beim Proviant und der Bewaffnung", erklärt Marineexperte Jürg Kürsener, Seestrategie-Experte und Chefredakteur der Schweizer "Military Power Revue".

Foto eines israelischen U-Bootes der Dolphin-Klasse im Mittelmeer (Foto Baz Ratner/ Reuters)
Besonders umstritten: U-Boote für Israel "Made in Germany"Bild: Reuters
Ein U-Boot vom Typ 214 wird bei (HDW) in Kiel auf den Namen "HS Papanikolis" getauft. (Foto: Horst Pfeiffer dpa)
"HS Papanikolis" im Kieler Hafen - vielleicht müssen die Griechen das U-Boot weiterverkaufenBild: picture alliance

U-Bootbau sichert Arbeitsplätze in Deutschland

Für die gebeutelte deutsche Werftindustrie ist das Geschäft mit den Unterwasserbooten ein Glücksfall. Nachdem der Bau von Containerschiffen weitgehend nach China und Südkorea abgewandert ist, gehören mit Brennstoffzellen angetriebene U-Boote neben Spezialschiffen für den Windradbau oder Luxuslinern zu den wenigen verbliebenen Trumpfkarten. Weil sich der Schiffsbau in Deutschland nur noch in Spezialbereichen rechnet, haben die Essener die zivile Werftsparte in diesem Frühjahr an einen Finanzinvestor abgestoßen. TKMS will sich ganz auf den militärischen Bereich konzentrieren – und hier sorgt eben vor allem das durch die Konzerntöchter HDW und der schwedischen Werft Kockums entwickelte U-Boot für eine gute Auftragslage. Allein der vor einem Jahr durch die Türkei erteilte Auftrag für sechs U-Boote wird in den kommenden Jahren in Kiel Jobs sichern. Und auch die Bundeswehr stockt ihre U-Boot-Flottille auf. "Wir machen uns derzeit keine Sorgen um die Arbeitsplätze in diesem Bereich", bestätigt der Geschäftsführer der IG Metall Kiel, Peter Seeger. Die rund 3700 TKMS-Beschäftigten im U-Boot- und Überwasserschiffbau sind allerdings auf staatliche Unterstützung angewiesen. Neben den Bundeswehraufträgen finanziert die Bundesregierung auch einen großen Teil der Baukosten der für Israel bestimmten Boote.

"Heute klären U-Boote auf"

Dass sich U214 auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gut verkaufen, hängt aber nicht nur mit Berliner Unterstützung oder der langfristigen Militärplanung zusammen, die auf Haushaltsschwierigkeiten nur mit Verzögerung reagieren kann: U-Boote sind heute für die Militärstrategen hoch spezialisierte Hightech-Waffensysteme mit einem immer größeren Aufgabenspektrum – und keinesfalls Relikte des Kalten Krieges. "Sie überwachen Häfen, sie begleiten – ohne dass man das weiß - verdächtige Handelsschiffe, sie klären Küstenabschnitte auf, um dort zum Beispiel Spezialkräfte abzusetzen oder sie überwachen elektronisch den Funkverkehr von Drittstaaten", fasst Marine-Experte Jürg Kürsener die wichtigsten Aufgabengebiete zusammen. Dieser Logik folgend werden die im Bau befindlichen Boote für die Bundeswehr auch weiter modernisiert. Können Kampfschwimmer schon heute über das Torpedorohr das Boot unter Wasser verlassen, werden die Einsatzmöglichkeiten für Spezialkräfte bei U35 und U36 nun noch erweitert. Daneben sollen die Boote, die mit ihrer sensiblen Technik große Meeresflächen überwachen können, auch Lenkflugkörper abfeuern und Drohnen absetzen können. Mit dieser offensiveren Ausrüstung könnten deutsche Besatzungen künftig sogar Terroristencamps an Land angreifen.

Foto einer Werft in Kiel (Foto DW/ Zoran Simic)
Rund 3700 Angestellte beschäftigt TKMS im militärischen SchiffbauBild: DW

Neue Technologien

Für die finanziell angeschlagenen NATO-Partner sind solche teuren Fähigkeiten allenfalls Zukunftsmusik. Bei der "Papanikolis" steht noch nicht einmal fest, ob sie den griechischen Streitkräften überhaupt auf Dauer erhalten bleibt. Verteidigungsminister Venizelos – heute Chef der Sozialisten – dachte schon kurz vor der Übergabe des Bootes in Kiel laut darüber nach, das teure Gefährt einfach weiterzuverkaufen.