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Der Streit ums Wasser

Günther Birkenstock17. Februar 2013

Kommunen und Bürgerinitiativen protestieren gegen eine neue EU-Regelung zur Wasserversorgung in Deutschland. Diese neue Bestimmung würde zu Zwangsprivatisierungen führen, sagen Kritiker des EU-Vorhabens.

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Eine Hand im Wasser mit Wasserstrahl Foto:© Fotolia.com
Bild: Fotolia/PiChris

Das Argument ist wohlbekannt: Konkurrenz belebt das Geschäft. Mehr Wettbewerb führt zu preiswerteren und oft auch besseren Produkten. Das betont derzeit die Europäische Kommission, weil sie unter anderem die Zuständigkeit für die Wasserversorgung in Deutschland neu regeln will. Das Wortungetüm, in dem das Vorhaben zusammengefasst wird, lautet "Dienstleistungskonzessionsrichtlinie". Eine Konzession ist ein Nutzungsrecht. Bislang liegt die Aufgabe der Wasserversorgung in Deutschland in den Händen der Gemeinden. Meistens kümmern sich die Kommunen selber darum, dass die Wasserrohre instand gehalten werden, ausreichend Leitungen gelegt sind, damit jedes Haus einen Anschluss bekommen kann, und dass das Wasser in ausreichender Qualität aus dem Hahn fließt. Manchmal vergibt die Gemeinde aber auch einzelne Aufträge an Privatunternehmen, um die Wasserversorgung zu sichern. In seltenen Fällen wird gleich der gesamte Bereich, also die Konzession zur Wasserversorgung, in private Hände gegeben.

Profitorientierung führt zu weniger Wasserqualität

Eine neue Richtlinie für Dienstleistungskonzessionen soll nun europaweit für einheitliche Bedingungen sorgen, wovon unter anderem der Wassersektor betroffen ist. Ende 2011 hat die EU-Kommission ein entsprechendes Paket aus gesetzlichen Regelungen vorgelegt. Im März wird das EU-Parlament darüber entscheiden. Die Gemeinden pochen auf ihr Recht der Selbstverwaltung und sehen sich von der EU-Kommission gegängelt. Außerdem betonen sie, dass Wasserbewirtschaftung an die regionalen Bedingungen angepasst werden muss. "Strom kann man beliebig mischen, Wasser nicht", sagt Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen. Wenn demnächst europaweit tätige Unternehmen die Wasserversorgung in Deutschland übernähmen, sei die Einhaltung der Hygiene-Standards gefährdet. "Überall da, wo private Wasserversorgung in Europa eingerichtet wurde, haben die Bürger schlechte Erfahrungen gemacht", betont Reck. Deshalb sei zum Beispiel die für einige Jahre privatisierte Wasserversorgung in Paris jetzt wieder in öffentlicher Hand.

Der VKU-Geschäftsführer Hans-Joachim Reck Foto: VKU
VKU-Geschäftsführer Hans-Joachim Reck befürchtet einen Rückgang der WasserqualitätBild: picture-alliance/schroewig/Eva Oertwig

Allgemeingut statt Handelsware

Auch Mathias Ladstätter, Wasserwirtschaftsexperte der Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi, zieht gegen die neue Konzessionsrichtlinie zu Felde und führt als negatives Beispiel die Stadt Berlin an. Dort wurde ein Teil der Wasserversorgung Ende der 1990er Jahre in private Hände gegeben. Entgegen der Ankündigungen seien die Preise für Leitungswasser in der Hauptstadt ständig gestiegen, sagt Ladstätter im Gespräch mit der Deutschen Welle. Bis heute um mehr als 30 Prozent. "Und von diesen 30 Prozent sind mindestens sechs bis zehn Prozent reine Privatisierungsgewinne, die nicht mehr im Wasserkreislauf von Berlin wiederzufinden sind." Statt in die Infrastruktur des Versorgungssystems zu investieren, hätten die Unternehmen nur die Gewinne eingestrichen. Die Gemeinden hätten die Aufgabe der Daseinsvorsorge für ihre Bürger und würden sie wahrnehmen. Private Firmen seien nur profitorientiert.

Ein Bauarbeiter an einer Baustelle mit einem gebrochenen Wasserrohr. Foto: Martin Gerten dpa/lnw
Wasserrohre müssen regelmäßig gewartet werdenBild: picture-alliance/dpa

Der eklatanteste Fall einer Fehlentwicklung durch Privatisierung öffentlicher Wasserversorgung ist nach Meinung der EU-Abgeordneten Evelyn Gebhard (SPD) die Stadt London. Dort würde derzeit 40 Prozent des Wassers im Boden versickern, weil die Unternehmen nicht in die Rohrleitungen investiert hätten. Das "worst case"-Szenario wäre deshalb für Wasserexperte Mathias Ladstätter, wenn sich durch die neue EU-Regelung eine Art Zwangsprivatisierung ergeben würde.

Zwangsprivatisierung durch die Hintertür

Eine berechtigte Sorge, sagt die EU-Abgeordnete Evelyn Gebhardt. Denn die Kommunen fürchten, dass sie ihre Wasserversorgung bald europaweit ausschreiben müssen, wenn diese nicht zu 100 Prozent öffentlich-rechtlich organisiert ist. Zwar ist der Wassersektor meist vollständig in kommunaler Hand. Da die Gemeinden aber gleichzeitig die bereits privatisierte Stromversorgung und den öffentlichen Nahverkehr mit einrechnen müssen, kann es schnell zu einer Privatisierung der Wasserversorgung kommen. In anderen EU-Ländern werden die verschiedenen Bereiche nicht zusammen gerechnet, sondern einzeln betrachtet. Diese für Deutschland spezielle Berechnung, die die Kommunen benachteiligt, müsse geändert werden, sagt Evelyn Gebhard. Und wenn schon Privatisierung, so die EU-Abgeordnete, dann nur mit klarer Vorgabe von Nachhaltigkeits-Kritierien. "Es darf nicht der Billigste den Auftrag bekommen, sondern derjenige, der auch auf Qualität setzt."

Die deutsche Abgeordnete im Europaparlament, Evelyne Gebhardt (SPD) am Dienstag (24.02.2009) in Stuttgart. Foto: Marijan Murat dpa/lsw +++(c) dpa - Report+++
Wasserversorger müssen nachhaltig wirtschaften, sagt EU-Abgeordnete Evelyn GebhardBild: picture-alliance/dpa