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Kommission fordert mehr Anstrengungen gegen Rassismus

Jennifer Fraczek25. Februar 2014

Deutschland geht nicht hart genug gegen Rassismus und Intoleranz vor. Das stellt ein Bericht des Europarates fest. Defizite gebe es vor allem bei der Erfassung von Straftaten und bei der Strafverfolgung.

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Protest gegen einen Aufmarsch von Rechtsradikalen in Karlsruhe (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Im Kampf gegen Rassismus und Intoleranz muss Deutschland nach Einschätzung der Antirassismus-Kommission des Europarates (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, ECRI) mehr tun. In seinem am Dienstag (25.02.2014) veröffentlichten Bericht fordert das Expertengremium unter anderem härtere Strafen und eine größere Sensibilität für rassistische und schwulenfeindliche Straftaten.

Das Problem sei größer als die offiziellen Statistiken nahelegten, heißt es darin. Das schließt die Kommission aus Vergleichen von Daten der Strafverfolgungsbehörden und Berichten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Ein Beispiel: 2012 seien in Deutschland offiziell 186 Fälle von homophoben Anfeindungen registriert worden. Eine Umfrage einer NGO unter Schwulen, Lesben sowie Bi- und Transsexuellen vier Jahre zuvor habe aber ergeben, dass mehr als ein Drittel der rund 24.000 Befragten innerhalb des letzten Jahres angefeindet wurde. Es sei wichtig, dass die deutschen Behörden ihr System zur Erfassung und Nachverfolgung rassistischer sowie homo- und transfeindlicher Vorfälle reformiere, schlussfolgert Francois Sant'Angelo, einer der Autoren der Studie.

Wenig Vertrauen in die Strafverfolgung

Neben der lückenhaften Erfassung ist offenbar mangelndes Vertrauen in die Ermittlungsbehörden ein Problem - nicht zuletzt aufgrund der Fehler bei der Aufklärung der Morde durch die rechtsextreme Terrorzelle NSU. Viele Opfer eines rassistischen Übergriffes meldeten sich nach einem Vorfall gar nicht erst bei den Behörden, heißt es im Bericht. Um es Betroffenen leichter zu machen, sollten unabhängige Beschwerdestellen eingerichtet werden, so die Empfehlung.

Die Kommission wünscht sich auch bessere Rechtshilfe für Diskriminierungsopfer. Eine Forderung, die die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, unterstützt: "Es wäre zum Beispiel sehr wichtig für die Antidiskriminierungsstelle, dass sie ein Klagerecht bekommt."

Der Bericht sieht auch Defizite im Strafgesetzbuch. Kritisiert wird etwa, dass 2008 und 2012 Bundesratsinitiativen scheiterten, die härtere Strafen für rassistische Gewalttäter forderten. Das Anliegen war damals, rassistische Beweggründe bei der Festlegung eines Strafmaßes als erschwerenden Umstand zu definieren. Der Paragraf 130 des Strafgesetzbuches, der sich mit Volksverhetzung befasst, bedürfe zudem einer Überarbeitung. Strafbar sind laut dem Paragrafen rassistische Äußerungen "in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören". Das sei jedoch oft schwer zu beweisen, diese Relativierung solle entfernt werden.

Schwarzes Banner mit der weißen Aufschrift "Juden" mi Fanblock eines Fußballstadions (Foto: dpa)
ECRI-Empfehlung: Keine Relativierung im Volksverhetzungsparagrafen mehrBild: picture-alliance/dpa

Lob für die Antidiskriminierungsstelle

Es gibt aber auch Lob für Deutschland. Die Präventionsprogramme, mit denen Jugendliche davor bewahrt werden sollen, in die rechtsextreme Szene abzurutschen, werden positiv bewertet. Begrüßt werden auch die neuerlichen Bemühungen um ein Verbot der rechtsextremen Partei NPD.

Die Antidiskriminierungsstelle wird insbesondere für ihr Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungsverfahren gelobt, mit dem verhindert werden soll, dass Bewerber zum Beispiel aufgrund ihres Alters oder ihrer Herkunft von vornherein von Arbeitgebern ausgeschlossen werden. Der Antidiskriminierungsstelle sollten aus Sicht der Kommission mehr Kompetenzen und Mittel zugesprochen werden. Mit zusätzlichen Mitteln könnten zum Beispiel mehr Berater für Betroffene eingestellt werden, sagt Christine Lüders.

Ein europäisches Phänomen

Die Empfehlungen der Antirassismus-Kommission des Europarates - der nichts mit der Europäischen Union (EU) oder ihren Institutionen zu tun hat - sind nicht bindend. Die Kommission lenkt jedoch mit ihren Berichten die Aufmerksamkeit zumindest zeitweise auf Defizite im Kampf gegen Diskriminierung und Intoleranz.

Die Berichte werden alle fünf Jahre für jedes der 47 Mitgliedsländer des Europarates erstellt. Wachsende Intoleranz, sagt Francois Sant'Angelo, sei ein Phänomen, das in ganz Europa anzutreffen sei.