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Zeit der Zähigkeit

Dagmar Engel8. September 2014

… oder warum Loslassen auch keine Lösung ist. Ein Kommentar zur Reise des deutschen Außenministers nach Afghanistan und Indien von Dagmar Engel.

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Bundesaußenminister Steinmeier vor Regierungsflugzeug (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Es wäre so schön gewesen: Zwei Antrittsbesuche in zwei Ländern in zwei Tagen, einer beim neuen indischen Premierminister, einer beim neuen Präsidenten Afghanistans. Zweimal der Ausblick auf eine Hoffnung verheißende Zukunft.

Sind fünfzig Prozent ein schönes Ergebnis? Der Antrittsbesuch Frank-Walter Steinmeiers bei Narendra Modi galt zwar vor allem der Vergewisserung der deutsch-indischen Beziehungen, die traditionell gut sind, und, mit den Augen der Wirtschaftsnation Deutschland betrachtet, jetzt sogar noch besser werden. Dass aber Afghanistan immer noch kein Ergebnis der Präsidentenwahl hat, besorgt auch Indien. Gelingt keine Einigung, droht Afghanistan das Chaos. Zieht die NATO komplett aus dem Land ab, könnte sich der extremistische Terror auf dem Weg über Pakistan, Indiens ungeliebten Nachbarn, ein neues Zielgebiet suchen. Im August hat der IS ein Propagandavideo mit Untertiteln in verschiedenen indischen Regionalsprachen veröffentlicht, in den vergangenen Tagen erschien die Botschaft vom Konkurrenz-Terrornetzwerk Al-Kaida.

In Kabul ist Steinmeier diesmal für seine Verhältnisse wohl sehr deutlich geworden bei seinen Gesprächen mit den beiden Präsidentschaftskandidaten. Basiswissen Demokratie: Bei Wahlen gibt es immer einen Verlierer. Da lässt sich sicher einiges heraushandeln in einer großen Koalition (wer wüsste das besser zu erklären als der SPD-Außenminister aus dem Kabinett der CDU-Kanzlerin), aber es wird sichtbar bleiben, wer gewonnen und wer verloren hat. Und das muss der Verlierer akzeptieren.

Dagmar Engel (Foto: DW)
Dagmar EngelBild: DW

Ob diese Botschaft angekommen ist? Oder doch eher die, dass fünfzig Nationen massiv in das Land investiert haben, Geld und Leben, und dass auch Deutschland nicht zusehen will, wie alle Investitionen zunichte gemacht werden? Erkennbar ist nicht, dass Steinmeier etwas bewirkt hat mit seinem Reden ins Gewissen der beiden Kandidaten. Echte Druckmittel hat er nicht; so oder so wird in den nächsten Tagen ein offizieller Wahlsieger bekanntgegeben werden. Inzwischen schwindet die Hoffnung, dass der Sieger als Präsident an der Spitze einer Einheitsregierung stehen wird.

Bleibt die Frage, ob die Aktion Steinmeiers mehr ist als ein Ausweis für seine Sturheit. In Bezug auf den Konflikt in der Ukraine und seine unablässigen diplomatischen Bemühungen, deren Erfolg ebenfalls nicht immer erkennbar war, hat der deutsche Außenminister für sich den Satz geprägt: "Aufgeben ist keine Option."

Als ich vor acht Jahren in Afghanistan war, konnte ich zu Fuß durch die Straßen Kabuls gehen. Diesmal fuhr ich in einem gepanzerten Fahrzeug mit einer fünfundzwanzig Kilo schweren Schutzweste vom Flughafen in das Hochsicherheitsgelände der deutschen Botschaft. Aber ein Bild habe ich durch das Panzerglas des Wagens wiedergesehen: Unverschleierte Mädchen, die in Grüppchen aus der Schule kommen, redend und lachend wie an den meisten anderen Orten dieser Welt. Es ist nicht alles schlecht in Afghanistan.